Gutachten zu Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln

"Mir fehlt das echte Schuldeingeständnis"

12:00 Minuten
Die Plastik des Künstlers Jacques Tilly mit dem Slogan "11 Jahre schonungslose Aufarbeitung der Missbrauchsfälle!" steht vor dem Kölner Dom
Protest mit Plastik des Künstlers Jacques Tilly vor dem Kölner Dom: Die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen durch das Erzbistum Köln wird weiter scharf kritisiert. © Picture Alliance / dpa / Oliver Berg
Patrick Bauer im Gespräch mit Axel Rahmlow |
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Auch nach der Vorstellung des lang erwarteten Gutachtens zu den Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln reißt die Kritik an der Aufklärung nicht ab. Patrick Bauer, selbst Betroffener, vermutet, immer noch stehe der Ruf der Kirche über dem Wohl eines Kindes.
Nach monatelanger Debatte ist am heutigen Donnerstag ein Gutachten über den Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln vorgestellt worden. Es belastet unter anderem den Hamburger Erzbischof Stefan Heße, den Kölner Weihbischof und früheren Generalvikar Dominikus Schwaderlapp sowie den früheren Kölner Generalvikar Norbert Feldhoff mit zahlreichen Pflichtverletzungen im Umgang mit Missbrauchsfällen - gemessen am staatlichen und kirchlichen Recht.
Die Studie bescheinigt den Verantwortlichen eine große Rechtsunkenntnis und eine desaströse Aktenlage. Den amtierenden Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki treffen laut der Untersuchung keine Vorwürfe.

Betroffenem fehlt ethisch-moralischer Blick

"Das war heute die juristische Brille, durch die wir geguckt haben", sagt Patrick Bauer, ehemaliger Vorsitzender des Betroffenenbeirates des Erzbistums Köln. Im November schied er jedoch aus, weil er das Gefühl hatte, dass mit Blick auf die Vorstellung des Gutachtens der Umgang mit den Betroffenen nicht mehr auf Augenhöhe geschieht.
"Was mir absolut fehlt, ist eine ethisch-moralische Brille, die keiner aufgesetzt hat - und das echte Schuldeingeständnis von Personen", sagt Bauer auch bezogen auf Heße, Schwaderlapp und Feldhoff. "Das ist etwas, was mich massiv ärgert, dass solche Menschen, die an der Spitze unserer Kirche stehen, nicht in der Lage sind, ihre Fehler selbst einzugestehen, sondern tatsächlich ein Gutachten brauchen, das ihnen sagt, was sie falsch gemacht haben."
Patrick Bauer gehört selbst zu den Betroffenen, die von Kirchenmitgliedern sexuell missbraucht worden sind.

Ruf der Kirche wichtiger als das Wohl eines Kindes?

"Ich kann es mir nicht anders erklären, als dass diese Männer in einer anderen Welt leben", sagt er. "Ich kann mir das einfach nicht vorstellen, wie jemand, der erfährt: Hier hat ein Mann ein Kind missbraucht, darüber reden wir gerade, also wir reden nicht darüber, dass jemand über Rot gegangen ist oder dass jemand betrunken Auto gefahren ist – und ich dann die Entscheidung fälle, dass der Mann mir wichtiger ist als das Kind, dann habe ich kein Verständnis mehr dafür, dass man das selbst nicht versteht, was man da falsch gemacht hat."
Wahrscheinlich seien diese Männer tatsächlich der Meinung, dass die Existenz oder der gute Ruf der katholischen Kirche über dem Wohl eines Kindes stehe, vermutet Bauer. "Was, wenn wir auf Weihnachten gucken, völlig schizophren und absurd ist."

"Wir brauchen Hilfe von außen"

Der Druck, dies zu ändern und für Aufklärung zu sorgen, könne nun nur noch von der Politik kommen. Eine unabhängige Aufklärungskommission fordert auch das Aktionsbündnis Betroffeneninitiativen, dem Bauer angehört.
"Wir brauchen Hilfe von außen. Und ich sage bewusst wir, weil ich Teil dieser Kirche bin. Wir schaffen es nicht allein." Die Betroffenen könnten beratend und informierend zur Seite stehen. "Aber letztlich haben wir auch ein gefärbte Brille auf. Wir dürfen nicht selbst Richter sein, wir sind Ankläger." Die Kirche müsse sich endlich auf die Anklagebank setzen.
(cuw)
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