Günstiger Stromtarif in Dardesheim

Wie ein Windpark vor Ort die Stromrechnung drückt

07:34 Minuten
Windpark Druiberg in Dardesheim, Harz.
Dardesheim im Harz: Weil die Windräder gerade besonders hohe Erlöse erwirtschaften, kann der Strompreis für die Bürger subventioniert werden. © picture alliance / photothek / Thomas Imo
Von Niklas Ottersbach |
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Im Harz ist der Strom in Dardesheim, Badersheim und Rohrsheim erstaunlich günstig, denn es gibt einen Bürgerstromtarif: 30 Cent zahlen Kunden für die Kilowattstunde. Möglich wird das durch einen Windpark und dessen cleveren Projektmanager.
Ralf Voigt sitzt in seinem Büro im Verkaufsgespräch für den neuen Bürgerstromtarif. Sein Angebot für die Bürger von Dardesheim: 30 Cent die Kilowattstunde plus 10 Euro Grundgebühr im Monat. Marcel Wendland muss nicht lange überzeugt werden. 
Hinter Voigt steht eine Pinnwand mit Landkarten, auf denen Windräder eingezeichnet sind. Der 63-Jährige ist Projektmanager des Windparks Druiberg und ehrenamtlicher Bürgermeister von Dardesheim.
Neukunde Wendland hat sich schon mal ausgerechnet, wie viel er übers Jahr hinweg sparen könnte. Rund 150 Euro dürften es werden, schätzt er: „Wir verbrauchen nicht wirklich viel Strom", sagt der 43-Jährige. Sie wohnten zu zweit, verbrauchten keine 1.000 Kilowattstunden, erläutert er. Die 150 Euro wären für sie auch nicht viel gewesen. "Aber wir haben gesagt, die 150 Euro kann man trotzdem sparen, also werden wir es auch machen.“

37 Windkraftanlagen um Dardesheim

Überrascht habe es ihn, dass der Strom so günstig angeboten werde, sagt er, und Voigt wirft ein: "Bist nicht böse drüber, oder?"
Bürgermeister Ralf Voigt hat gut Lachen: Jetzt zahlt sich der Windpark auf dem Druiberg so richtig aus. 37 Windkraftanlagen betreibt Voigts Gemeinde auf dem Hügel direkt vor dem 750-Einwohner-Ort Dardesheim.
Ralf Voigt sitzt in seinem Büro, hinter ihm eine Pinnwand mit Landkarten. Er hat kurze, weiße Haare und einen Vollbart sowie eine Brille, er trägt ein rot-weiß kariertes Hemd und eine dunkelgrüne Jacke.
Ralf Voigt in seinem Büro: Auf der Pinnwand hinter ihm sind die Windkraftanlagen auf Landkarten eingezeichnet, die seit den 90er-Jahren um Dardesheim herum entstanden sind.© Niklas Otterbach
Und weil der Strom hier so günstig erzeugt, aber derzeit teuer an den Strombörsen verkauft werden kann, sei nun die Zeit gekommen etwas zurückzugeben, sagt Voigt. "Wir nehmen von diesen satten Erlösen, die wir gekriegt haben, ganz einfach das Geld und stützen damit die Mehrkosten für unsere Bürger. Alles, was über die notwendigen 30 Cent drüber geht, wird von uns gedeckelt und gezahlt."
Man subventioniere also und gebe den Bürgern damit Geld wieder: "Die ganze Zeit haben sie auch von dem Windpark mal Geräusche gehört, man hat ihn auch um sich gehabt. Aber man hat auch die Vorteile. Und jetzt mehr denn je.“

Subventionsstarif für Anliegerorte

Die Vorteile gelten allerdings nur für drei Ortsteile rund um den Druiberg mit dem Windpark oben drauf: Dardesheim, Badersheim und Rohrsheim im Harz. Das Kontingent, das Projektmanager Voigt mit einem Energieunternehmen ausgemacht hat, sieht 3 Millionen Kilowattstunden pro Jahr vor.
Diese Strommenge kann vergünstigt abgegeben werden. Mehr nicht. Deshalb können andere Ortschaften im Harz nicht mitmachen beim günstigen Stromtarif.
Neulich hätte eine Nachbargemeinde mal angefragt, die sich früher immer über den Windpark beschwert hatte. Das fand Voigt dann doch etwas frech. Erst bekämpfen, dann absahnen – so laufe das nicht.

Pionierjahre ohne Widerstand

Warum sich die Energiewende in Dardesheim auszahlt, hängt auch mit der Geschichte zusammen. Hier entstand 1994 das erste Windrad in Sachsen-Anhalt. „Damals eine kleine zweiflügelige Anlage", erinnert sich Voigt. "Die war aber sehr wichtig. Das war eigentlich die wichtigste Anlage, die wir je hier gebaut haben, denn sie hat gezeigt, wie günstig hier die Windverhältnisse nördlich des Harzes auch im flachen Land sind.“
Bereits ein Jahr später konnten sie in Dardesheim ihren Haushaltsstrom vor Ort produzieren. Die 90er-Jahre waren eine Pionierphase des Windkraftausbaus.
Für Dardesheim war das ein Glücksfall, denn damals gab es noch wenig Widerstand gegen Windkraft. Die sogenannten NIMBYs, die „Not in my Backyard“-Fraktionen, die heutzutage den Windkraftausbau in die Länge ziehen, weil sie kein Windrad "in ihrem Hinterhof" haben wollen – so etwas habe es damals nicht gegeben, sagt Bürgermeister Ralf Voigt.

Windpark-Geld für die Stadt

„War sicherlich ein großer Vorteil, dass damals auch die Verwaltungen erst im Aufbau waren", erinnert er sich. "Das heißt, wir hatten noch nicht so viele, die Einsprüche, die langfristige Untersuchungen gefordert haben. Es konnte relativ kurzfristig alles gemacht werden. Und nach nur acht Jahren hatte man dann die Baugenehmigungen für den Windpark, so wie wir ihn heute stehen haben.“
Glück hatte Dardesheim auch mit dem Betreiber des Windparks. Ein Energieunternehmen aus Nordrhein-Westfalen, das einen Teil der Wertschöpfung vor Ort belässt. Circa ein Prozent des Ertrags aus den 37 Windrädern fließt seit Jahren zurück nach Dardesheim.
Neben dem Ortsschild von Dardesheim steht eine Hinweistafel mit der Aufschrift "Dardesheim - Stadt der erneuerbaren Energien. Wir grüßen unsere Gäste"
Die Kommune Dardesheim bezeichnet sich als "Stadt der erneuerbaren Energien". Als nächstes steht die Modernisierung des Windparks an.© Niklas Ottersbach
Pro Jahr sind das 70.000 bis 80.000 Euro. Geld, mit dem Straßen saniert werden. Mit den Windkraft-Euros kann Bürgermeister Voigt Fördertöpfe anzapfen, für die andere Kommunen kein Geld haben. Der Windpark ist inzwischen auch der größte Gewerbesteuerzahler im Ort.

Repowering – neue Windräder für alte

Ralf Voigts nächstes Projekt wird das sogenannte Repowering sein, das Ersetzen der knapp 20 Jahre alten Windräder durch neue, leistungsstärkere. Die Idee: Bürger aus Dardesheim können sich daran finanziell beteiligen, quasi als Windradaktionäre.
„Die Zukunft soll eigentlich so sein, dass wir den Windpark in seiner jetzigen Struktur als GmbH und Co. KG umwandeln in eine Bürgergesellschaft. Das heißt, es gibt neben diesen Möglichkeiten der Sparanlagen die, sich auch zu beteiligen", erklärt Voigt. "Ich bin dann am Ertrag und nicht nur an einem Sparguthaben beteiligt und entscheide als Miteigentümer des Windparks im Endeffekt, wie der Ertrag eines Windrads am Schluss verteilt wird.“
Wobei die 750 Dardesheimer wahrscheinlich nicht genug Geld aufbringen werden, um das Repowering zu finanzieren. Ralf Voigt rechnet mit Kosten von rund 100 Millionen Euro.

Halb so viele Windräder, doppelter Ertrag

In den nächsten Jahren sollen dann nur noch halb so viele Windräder auf dem Druiberg stehen, die dafür doppelt so viel Strom produzieren. Das Geld, glaubt Ralf Voigt, wird am Ende nicht das Problem werden. Widerstand aus der Bevölkerung ist auch nicht in Sicht – die Dardesheimer profitieren ja vom günstigen Ökostrom.
Auf die neuen Genehmigungsverfahren müsse man sich einstellen – die Abstände zu Brutgebieten von Vögeln seien jetzt größer: „Früher waren es tausend Meter, jetzt sollen es 1.500 Meter werden", sagt er zum neuen Mindestabstand. "Und innerhalb von diesem Radius kriegt man dann keine Genehmigung mehr von der Genehmigungsbehörde.“
Das könnte dem Ausbau des Windparks auf Dauer wirklich im Wege stehen. Denn ein Rotmilan hat sich auf dem Druiberg am Rande des Windparks ein Nest gebaut. Es dürfte also eine Hauptaufgabe werden von Bürgermeister Voigt, den Greifvogel wegzulocken, damit der Windparkwohlstand in Dardesheim auch in Zukunft gesichert ist.
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