Grundrecht auf Mobilität soll auch für Lehrer gelten

Von Jürgen König · 09.01.2013
Derzeit steht es den Bundesländern frei, einen Masterabschluss oder ein Staatsexamen von Bewerbern aus anderen Ländern anzuerkennen oder auch nicht. Bayern, Sachsen und Niedersachsen wollen das ändern.
Eine Einladung soll es sein. Eine Einladung an 13 Bundesländer, sich an einem Staatsvertrag zu beteiligen, der das Grundrecht auf Bildung mit dem Grundrecht auf Mobilität verbinden soll. Von einem Land ins andere umzuziehen, wird demnach für Lehrer und Schüler kein Problem mehr sein. Nach dem Entwurf des Staatsvertrags, den die Kultusminister der unionsregierten Länder Bayern, Sachsen und Niedersachsen heute vorstellten, sollen die Bundesländer sich verpflichten, alle Abschlüsse eines Lehramtsstudiums zu akzeptieren.

Derzeit ist es den Ländern freigestellt, einen Master-Abschluss oder ein Staatsexamen von Bewerbern aus anderen Bundesländern anzuerkennen oder auch nicht. Und durch den Staatsvertrag sollen die Bildungsstandards bei den Kernfächern, die die Kultusministerkonferenz (KMK) im Herbst nur "als Orientierungshilfe" beschlossen hat – für die Abiturprüfungen ab 2017. Sie sollen durch den Staatsvertrag rechtsverbindlich festgeschrieben werden, um so Verlässlichkeit und die Vergleichbarkeit der Prüfungsergebnisse zu gewährleisten.

Diese Rechtsverbindlichkeit hält der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle für überfällig:

"Letztlich geht es um den Lackmustest, ob der Bildungsföderalismus in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Kernauftrag seine Letztverantwortung, die er hat, auf nationaler Ebene auch umsetzen kann. Es geht um die Handlungsfähigkeit des Bildungsföderalismus in der Bundesrepublik Deutschland als politischer Gesamtauftrag. Und wir können nur anmahnen – ich glaube, dass die drei Länder, die hier vertreten sind, völlig unverdächtig sind, Kompetenzen nach Berlin oder Brüssel abgeben zu wollen. Aber gerade wenn ich Kompetenzen ausüben möchte, und in nationaler Verantwortung stehe, dann muss ich dies tun."

Den Bildungsföderalismus "in nationaler Verantwortung" ausüben: Das will auch Johanna Wanka, die niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur. Sie sieht es als einen großen Schritt an, innerhalb der KMK endlich nicht mehr über das Für und Wider unterschiedlicher Schulsysteme zu diskutieren, sondern sich auf Standards verständigt zu haben; nun gelte es, die Einhaltung dieser Standards verbindlich vorzuschreiben und regelmäßig zu überprüfen.

"Wir wollen die Standards haben: Was muss ein Kind in der vierten Klasse in Mathematik oder in anderen Fächern können? Darauf verständigen wir uns für die einzelnen Fächer – und jetzt sind wir in der Phase, dass das auch überprüft werden muss. Wenn man immer diese Frage der Vereinheitlichung stellt, da war für mich immer das Gegenargument: ja, was nehmen wir denn? Nehmen wir nun die bayerische Variante oder nehmen wir jetzt die sächsische? Sind ja beide gut bei den Leistungsvergleichen, sehr unterschiedlich im Schulsystem! Das ist alles weg, wenn wir über Standards gehen, Standards in den Fächern, Standards in der Lehrerbildung. Das ist eigentlich föderales System, aber föderales System heißt auch, Verantwortung fürs Ganze und eben die Bereitschaft, sich dann auch zu binden, zum Beispiel durch einen Staatsvertrag."

Bundesbildungsministerin Annette Schavan, die 500 Millionen Euro für eine "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" an die Bedingung geknüpft hatte, dass Lehrer und Schüler problemlos die Bundesländer wechseln können, begrüßte die Initiative ihrer Unionskollegen:

"Die jetzigen Bildungsstandards sind die Voraussetzung, der Staatsvertrag schafft Verbindlichkeit. Wer den Staatsvertrag unterschreibt, erklärt damit rechtsverbindlich, dass Anerkennung der Lehrerexamina, dass Anerkennung der Schulabschlüsse gewährleistet ist. Und übrigens wäre es das erste Mal in der über 60-jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass Länder in dieser Weise gesamtstaatliche Verantwortung wahrnehmen."

Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-geführten Länder in der Kultusministerkonferenz, die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen, kritisierte den Vorstoß. Zur "Verbesserung von Vergleichbarkeit und Mobilität in der Bildung" habe die KMK zusammen mit der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz schon "detaillierte Schritte vereinbart, die alle Länder umsetzen müssen". Schon für die März-Sitzung der KMK sei "eine konkrete Vereinbarung vorgesehen, die den Lehrkräften deutschlandweit Mobilität garantiert und für die gegenseitige Anerkennung von Lehramtsabschlüssen sorgt", hieß es in einer Presseerklärung.

Der Zeitpunkt der Drei-Länder-Initiative lasse "vermuten, dass von dem Stillstand bei den Gesprächen im Kontext der vorgesehenen Grundgesetzänderung abgelenkt werden" solle. Erforderlich sei jetzt, zu einer"dauerhaften, angemessenen Finanzausstattung für den gesamten Wissenschafts- und Bildungsbereich" zu kommen. Vor diesem Hintergrund, so Doris Ahnen, wirke der Vorschlag für einen Staatsvertrag eher wie ein Wahlkampfmanöver.

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