"Grüßt euch, Genossen!"

Von Sabine Kebir · 19.10.2008
Am 19. Oktober 1928 wurde in den Sophiensälen in Berlin-Mitte der Bund Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller gegründet. Bis 1933 zählte er an die 600 Mitglieder, größtenteils junge, eher unbekannte Autoren aus der Arbeiterschaft, aber auch viele namhafte Autoren wie Anna Seghers, Egon Erwin Kisch, Friedrich Wolf.
Nach dem Desaster des Ersten Weltkrieges entstand in Deutschland eine Arbeiterkulturbewegung mit Sport, Musik, Theater und Literatur. Expressionismus und Neue Sachlichkeit hatten die akademischen Formen zerstört. Sie sahen sich als Vorreiter einer solidarischen Gesellschaft.

"Roter Wedding grüßt euch, Genossen!
Haltet die Fäuste bereit!
Haltet die roten Reihen geschlossen,
denn unser Tag ist nicht weit! "

Dieser Marsch stammt von Erich Weinert, er gehörte zu den Gründern des Bundes Proletarisch-Revolutionärer Schriftsteller am 19. Oktober 1928. Bertolt Brecht trat dem Bund zunächst nicht bei. Er fürchtete, dass Literatur für Proletarier von Proletariern nur deren subalterne Kultur reproduzieren könne:

"Diese Schriftsteller müssen eben als Proleten betrachtet werden und nicht als Führer des Proletariats, es ist sozusagen nicht die Feuerwolke, die diesem Heereszug vorauszieht, sondern der graue Rauch, der aus den Feldküchen aufsteigt."

Brecht irrte. Es beteiligten sich auch bürgerliche Prominente wie die Kleistpreisträgerin Anna Seghers und Johannes R. Becher, gegen den wegen seines Gaskriegromans "Levisite" ein Hochverratsprozess stattgefunden hatte. Die Mitwirkung solcher Autoren sicherte Vielfalt von Ausdrucksformen und gegenseitige Schulung. Weil damals das linke Presse- und Verlagswesens erstarkte, gab es für Arbeiterautoren auch Professionalisierungsmöglichkeiten.

Charakteristisch für die Entwicklung sozialistischer Literaturkonzepte war der Streit zwischen Ernst Ottwalt und Georg Lukàcs, ob man eher an die Erfahrungen der Arbeiter und neue Formen oder an den bürgerlichen Roman anknüpfen solle.

Dass es zu keinem offiziellen Programm kam, lag nicht nur an vielen Kontroversen. 1933 wurde der Bund sofort verboten. Viele der bürgerlichen Mitglieder emigrierten. Die proletarischen Autoren hatten weder Pässe noch Beziehungen ins Ausland und verloren die Verbindung untereinander. Elfriede Brüning, damals mit 22 Jahren das jüngste und heute das letzte lebende Mitglied, erzählt:

"Und seltsamerweise hat uns der 10. Mai 1933, der Tag der Bücherverbrennung, wieder zusammen geführt. Einige von uns waren hingegangen, um dieser Schandtat beizuwohnen, um eventuell darüber zu berichten für die Emigrantenpresse. Aber auch, weil wir hofften, dass auch andere hinkommen würden. Wir haben uns also wiedergetroffen und gesagt: Wir müssen zusammenbleiben und weitermachen, jetzt natürlich illegal. Wir trafen uns nur noch in kleinen Gruppen, zu dritt oder höchstens zu viert, fuhren meistens in die Umgebung Berlins hinaus, mit Rädern oder mit dem Paddelboot und zelteten dort und lasen uns unsere Beiträge vor: Erzählungen, Satiren, Kurzgeschichten, auch kleine Gedichte, die das Leben im Dritten Reich behandelten. Und wenn die Beiträge für gut befunden wurden, dann wurden sie durch Kuriere ins Ausland geschafft, nach Prag, wo Wieland Herzfelde sich schon mit seinem Malik-Verlag installiert hatte. Also, er war schon emigriert. Er gab eine Zeitschrift heraus, die Neuen deutschen Blätter."

1935 wurden elf Mitglieder des Bundes wegen Hochverrats angeklagt und bekamen zum Teil hohe Haftstrafen. Einige wie Klaus Neukrantz und Franz Braun wurden ermordet. Andere, zum Beispiel Trude Richter, landeten im sowjetischen Gulag.

Einige Bund-Mitglieder wurden in der DDR bekannte Autoren: Erich Arendt, Hans Marchwitza, Willy Bredel, Ludwig Renn und Elfriede Brüning, deren Romane über Liebes- und Familienkonflikte arbeitender Frauen Millionen Leser erreichten.

Wegen des fortdauernden Formalismusstreits in der DDR-Kulturpolitik blieb die öffentliche Würdigung des Bundes verhalten. Die 1959 von der SED initiierte Kampagne des "Bitterfelder Wegs", die erneut Autoren in direkten Kontakt mit der Arbeitswelt bringen sollte, wurde schnell abgeblasen. Es erwies sich als unmöglich, die Resultate kulturpolitisch zu lenken.