Grünen-Sportexperte: Regierung versagt im Kampf gegen Doping

Winfried Hermann im Gespräch im Birgit Kolkmann |
Der sportpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Winfried Hermann, hat der Großen Koalition Heuchelei im Kampf gegen Doping vorgeworfen. Die Regierung habe in diesem Bereich bisher lediglich eine "sehr schlappe, schlechte Lösung" gefunden, sagte Hermann anlässlich der heutigen Bundestagsdebatte zur Doping-Problematik.
Birgit Kolkmann: Der Heidelberger Dopingjäger Werner Franke ist sich sicher: wenn am Samstag die Tour de France startet, ist das ein "kriminelles Milieu", das da rumradelt, und der Molekularbiologe geht davon aus, dass auch der Toursieger 2009 ein Betrüger sein wird, weil es immer so war, wie er sagt. Auch beim Reiten gibt es eine Dopingdiskussion. Im Augenblick darf Dressurstar Isabell Werth nicht starten, weil ihr Wallach ein Dopingmittel bekommen hatte. Und umstritten bleibt, ob ehemalige Dopingsünder, vor allem Trainer, weiter im Sport arbeiten dürfen und noch öffentliche Fördergelder dazu bekommen sollen. Der Bundestag wird heute auf Antrag der Grünen genau dieses debattieren. Zum Gespräch im Deutschlandradio Kultur begrüße ich Winfried Hermann, den sportpolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Schönen guten Morgen.

Winfried Hermann: Schönen guten Morgen!

Kolkmann: Herr Hermann, Sie haben für heute einen Antrag eingebracht ins Parlament, Titel "Dopingvergangenheit umfassend aufarbeiten". Interessiert Sie dabei mehr die Vergangenheit oder die Gegenwart?

Hermann: Uns interessiert natürlich die Vergangenheit, um aus der Vergangenheit zu lernen, damit es in der Gegenwart und in der Zukunft besser wird. Es ist also nicht sozusagen eine sinnlose Suche in der Vergangenheit, was ist da alles schief gelaufen, sondern man weiß einfach, dass die nicht korrekte Umgangsweise, nicht kritische Aufarbeitung dessen, was alles in Ost und West in Deutschland im Doping schon gelaufen ist, letztendlich dazu führt, dass man nicht wirklich erfolgreich Doping bekämpfen kann. Das können Sie an dem Beispiel der Trainer sehen, die schon zu DDR-Zeiten gedopt haben und dann einfach übernommen wurden und jetzt seit vielen Jahren - etwa beim Deutschen Leichtathletikverband, aber auch bei anderen Fachverbänden - noch weiterarbeiten.

Kolkmann: Was wollen Sie da erreichen, dass da Berufsverbote ausgesprochen werden?

Hermann: Was heißt hier Berufsverbote? Solche Leute können weiter arbeiten, aber nicht mit öffentlichen Mitteln. Was wir wirklich sagen: es geht nicht an, dass der Staat mit öffentlichen Mitteln auch nur annähernd im Verruf stehenden Dopingsport finanziert und fördert und dass die Sportverbände ihre sogenannten Zuwendungsbescheide bekommen. Das sind Bescheide, dass sie öffentliche Mittel bekommen unter bestimmten Voraussetzungen, dass sie das auch korrekt tun, und wenn sie das nicht tun, wenn sie dagegen verstoßen, dass sie dann auch Mittel zurückzahlen müssen und gegebenenfalls eben halt auch Trainer absetzen müssen oder Verträge nicht mehr verlängern. Es gibt ja verschiedene Formen, sich von solchen Personen zu trennen. Und wir stellen einfach fest, dass über all die Jahre da nicht wirklich sauber aufgeräumt wurde, dass nicht wirklich kritisch nachgefragt wurde – übrigens nicht nur im Sport selber, sondern genauso in der Administration, etwa im Innenministerium, was die Mittel weiterreicht, die vom Bundestag beschlossen werden.

Kolkmann: Haben Sie den Eindruck, dass sowohl bei den Sportverbänden, aber auch im Innenministerium nicht genug getan wird, um Doping in der Vergangenheit und vor allen Dingen jetzt in der Gegenwart zu bekämpfen?

Hermann: Auf jeden Fall! Man hat so immer mal wieder in einer Kommission oder in Einzelfällen irgendwie was getan, aber man hat es nie systematisch gemacht. Deswegen haben wir in unserem Antrag gefordert, dass es eine systematische Aufarbeitung gibt, dass es dafür eine unabhängige Kommission braucht, die von Wissenschaftlern möglichst besetzt ist und von anderen Experten, die aber weder vom Staat, noch von den Sportverbänden abhängig ist, denn eines ist auch klar, dass in den letzten 20 Jahren sowohl die Politik wie auch der organisierte Sport selber entweder schlafmützig war in dieser Angelegenheit, oder teilweise sogar beteiligt war, wie wir inzwischen etwa von dem absoluten Dopingskandal in Freiburg an der Universität wissen, aber auch von vielen einzelnen Fällen von Bekennern, die inzwischen sagen, sie haben genommen und der und der Trainer und die und die Mediziner waren beteiligt. Das zeigt immer wieder, dass eben viel geschehen ist, und man hat ein bisschen den Eindruck, dass zwar heute alle in der Politik und im Sport sagen, wir müssen alles tun gegen Doping im Sport, aber wenn es ernst wird, wenn man Konsequenzen ziehen muss, dann sagt man, ach, wir brauchen jetzt nicht noch eine Kommission, das haben wir ja alles gemacht. Und tatsächlich ist es nie systematisch aufgearbeitet worden und deswegen wissen wir auch nicht genau, wie die Netzwerke funktionieren, und wir wissen auch nicht genau, warum Kontrollen so versagt haben, wie sie eben vielfach versagt haben.

Kolkmann: Nun fordert ja der Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, Peter Danckert, dass wir gesetzliche Regelungen bei der Dopingbekämpfung brauchen und vor allen Dingen ein eigenes Sportministerium. Kann denn das der Hilflosigkeit der Sportverbände angesichts des systematischen Dopings, das ja wohl auch offenbar den Verfolgern immer wegläuft, etwas ausrichten?

Hermann: Also ich meine, der Herr Danckert fordert viel, wenn der Tag lang ist, und das hat oft keine Konsequenzen. Deswegen: ich halte nichts von dem Vorstoß, wir brauchen ein Sportministerium. Es wäre schon mal gut gewesen, wenn die Große Koalition es geschafft hätte, die gesetzlichen Voraussetzungen im Kampf gegen Doping in Deutschland zu verbessern. Sie haben irgendeine sehr schlappe schlechte Lösung gefunden. Sie haben das Arzneimittelgesetz, was völlig unzulänglich ist zur Bekämpfung von Doping, in Kleinigkeiten novelliert. Richtig ist – und da stimme ich dem Ausschussvorsitzenden Herrn Danckert auf jeden Fall zu -, wir brauchen ein starkes Anti-Doping-Gesetz in Deutschland, was den Betrug im Sport durch Doping unter Strafe stellt. Dagegen wehrt sich bisher in großen Zügen der organisierte Sport, auch große Teile der Politik. Übrigens in der eigenen Fraktion, bei der SPD, wie in der CDU gibt es da Gegner. Auch der Minister Schäuble oder der früher Minister Schily waren gegen so ein Gesetz. Da muss ich nur sagen, offenbar will man nicht scharfe Werkzeuge einsetzen. Man will lieber immer davon reden, dass es wichtig ist, Doping zu bekämpfen, und sagt dann, es ist eigentlich Aufgabe des Sports.

Kolkmann: Das war Winfried Hermann, der sportpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, zum Problem des Dopings und was der Bundestag dagegen ausrichten kann.