Grünen-Politikerin lobt Elterngeld

Krista Sager im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Die Fraktionsvize von Bündnis 90/Die Grünen, Krista Sager, hat eine positive Bilanz des Elterngeldes gezogen. Insgesamt habe das Interesse von Müttern und Vätern, sich um ihre Kinder zu kümmern, seit der Einführung des Elterngeldes zugenommen. Wenn man aber erreichen wolle, dass mehr Väter länger als zwei Monate zu Hause blieben, müsse man dafür sorgen, dass das Gehalt der Frauen steige, betonte Sager.
Die Fraktionsvize von Bündnis 90/Die Grünen, Krista Sager, hat eine positive Bilanz des Elterngeldes gezogen. Insgesamt habe das Interesse von Müttern und Vätern, sich um ihre Kinder zu kümmern, seit der Einführung des Elterngeldes zugenommen. Wenn man aber erreichen wolle, dass mehr Väter länger als zwei Monate zu Hause blieben, müsse man dafür sorgen, dass das Gehalt der Frauen steige, betonte Sager.

Gabi Wuttke: Ursula von der Leyen wird sich heute einmal mehr als erfolgreiche Bundesfamilienministerin präsentieren. Noch bevor die Christdemokratin die offizielle Bilanz von 18 Monaten Elterngeld vorlegt, tat sie kund, dass ihre Erwartungen weit übertroffen wurden. Die Fakten: Zwischen Januar 2007 und Juni 2008 sind rund 750.000 Anträge bewilligt worden. Am Erziehungsgeld 2006 waren nur 3 Prozent der Väter interessiert, jetzt sind es 14 Prozent, wobei ein Viertel der Väter in Bremen das Elterngeld für ein Jahr beantragte, während in Bayern sich nur 8 Prozent so lange ihrem Kind widmen wollten. – Am Telefon begrüße ich jetzt die grüne Bundestagsabgeordnete Krista Sager. Guten Morgen, Frau Sager.

Krista Sager: Guten Morgen!

Wuttke: Elterngeld, ist das der Spiegel unserer Gesellschaft?

Sager: Auf jeden Fall können wir feststellen, dass das Interesse der Eltern, dass Väter und Mütter sich um ihre Kinder beide kümmern wollen, zugenommen hat und dass das auch eine Tendenz ist bei den jungen Familien. Aber wir können auch feststellen, dass es nach wie vor doch Baustellen gibt, die wir bearbeiten müssen, damit das auch funktioniert. Eine Baustelle ist mit Sicherheit, dass die Rückkehr in die Erwerbstätigkeit für die Mütter nach wie vor nicht richtig funktioniert – entweder weil die Betreuungsplätze in den westdeutschen Ländern nicht da sind, oder weil sie auch sehr teuer sind (das heißt, dass das Erwerbseinkommen der Mütter sozusagen fast für die Kinderbetreuungskosten aufgeht), oder weil die Qualität auch nicht überzeugt. Das ist sicher eine wichtige Baustelle.

Eine andere wichtige Baustelle ist: Wenn wir wollen, dass die Väter länger als nur zwei Monate zu Hause bleiben oder überhaupt die zwei Monate nutzen, dann muss auch das Gehalt der Frauen, der Mütter steigen, weil da gibt es natürlich einen engen Zusammenhang, dass die Väter nicht zu Hause bleiben, wenn das Familieneinkommen dann nachher nicht stimmt. Wir haben in Deutschland im internationalen Vergleich das Problem, dass die Kluft zwischen Fraueneinkommen und Männereinkommen in Erwerbstätigkeit ganz besonders groß ist, und da müssen wir auch ran.

Wuttke: Aber, Frau Sager, wenn wir jetzt noch mal die Zahlen nehmen, die ich gerade genannt habe, ein Viertel der Väter in Bremen beantragt das Elterngeld für ein Jahr, in Bayern nur acht Prozent, dann könnte man auch sagen, in Bayern sind die Männer emanzipatorisch gesehen aus dem Gröbsten noch nicht raus.

Sager: Das ist schon sehr interessant, wenn man sich diese Zahlen anguckt. Wir haben sehr, sehr große regionale Unterschiede. In Bayern ist es aber nicht so, dass diese zwei Monate von den Vätern nicht genutzt werden, sondern da ist Bayern sogar mit Berlin führend, sondern die Väter bleiben eben nur kurz zu Hause. Im Saarland bleiben sie am liebsten gar nicht zu Hause. In Bremen ist es offensichtlich so, dass dort viele Väter länger zu Hause bleiben, weil sie vorher gar kein Einkommen hatten. In Bremen ist der Anteil derjenigen, die Elterngeld gar nicht als Ersatz für Erwerbseinkommen bekommen, sondern diesen Mindestbeitrag, wenn man gar kein Erwerbseinkommen hat, besonders hoch. Das hängt sicher auch mit der Arbeitslosigkeit zusammen. Das heißt, wir müssen, wenn wir wollen, dass die Väter mehr als zwei Monate zu Hause bleiben, auch daran arbeiten, dass dann das Familieneinkommen stimmt, das heißt, dass die Mütter dann auch wirklich dazuverdienen, und 60 Prozent der Mütter bekommen beim Elterngeld eben nicht mehr als 500 Euro, sondern eher weniger. Das ist in Deutschland wirklich ein besonderes Phänomen. Und wir müssen natürlich auch etwas tun bei der Unternehmenskultur und der gesellschaftlichen Einstellung. Viele Väter haben natürlich nach wie vor große Ängste, dass ihnen das im Betrieb negativ ausgelegt wird, wenn sie länger bleiben, wenn sie überhaupt gehen, und dass das ihre Karriere beeinflusst.

Wuttke: Also Sie stimmen in der Analyse als Oppositionspolitikerin mit der Bundesfamilienministerin überein?

Sager: Ich stimme zumindest darin überein, dass wir hier auf dem richtigen Weg sind, Brücken in die Erwerbstätigkeit zu bauen und die dann auch finanziell etwas abzusichern, aber diese Brücken funktionieren eben noch nicht. Das müssen wir ganz klar sagen. Was ich besonders dösig bei der Familienministerin finde ist, dass sie ein Änderungsgesetz zu diesem Elterngeldgesetz vorgelegt hat, bevor der Bericht vorgelegt wurde, und es zeigt sich jetzt, dass dieses Änderungsgesetz mit heißer Nadel gestrickt ist und wirklich auch zu kurz greift, nämlich zum Beispiel bestimmte Probleme gar nicht löst. Wir haben nämlich das Phänomen, dass Eltern, die Teilzeit arbeiten und Elterngeldzeit teilen, also sich richtig beides teilen, ihre 14 Monate Elterngeldzeit nach 7 Monaten schon verbraucht haben. Das ist natürlich schreiend ungerecht und das wird in dem Änderungsgesetz nicht verändert.

Wuttke: Aber so, wie Sie es auch erklärt haben, wissen selbst nicht Betroffene, dass dieses Gesetz wie so üblich bei deutschen Gesetzen ein äußerst kompliziertes ist. Liegt auch da ein bisschen der Hase im Pfeffer? Sollte es einfach viel einfacher zu berechnen sein, siehe auch das Kleingedruckte, was ist denn nun das vorangegangene Nettoeinkommen? Sollte es nur das Jahr davor sein, oder vielleicht ein bisschen breiter? Ist das alles mal wieder viel zu kompliziert?

Sager: Ich glaube nicht, dass es zu kompliziert ist, weil es liegt natürlich oft auch der Teufel im Detail. Man muss ja lebensweltlich auch sehr unterschiedliche Situationen einbeziehen. Wir haben im bisherigen Gesetz schon die Möglichkeit, dass Verwandte auch einspringen können, wenn ein Elternteil zum Beispiel krank ist oder gestorben ist. Jetzt will man das ausweiten im Änderungsgesetz auf Teenager-Schwangerschaften, hat jetzt eine Möglichkeit, dass ein Großelternteil dann in Elternzeit gehen kann, hat aber nicht geregelt, ob der Großelternteil dann Geld kriegt und das ist natürlich verrückt. Das ist dann entweder nur eine Lösung für reiche Familien, oder was weiß ich, die Großmutter soll dann SGB II beantragen. Das ist aber im Gesetz nicht geregelt. Der Teufel liegt in Gesetzen schon im Detail und deswegen muss man sich natürlich auch um solche Details kümmern.

Wuttke: Aber im Prinzip ist es richtig, das Elterngeld, sagt Krista Sager von den Grünen. Vielen Dank für dieses Gespräch und Ihnen einen schönen Tag.

Sager: Danke schön!

Wuttke: Wir sprachen über Bilanz nach 18 Monaten Elterngeld. Heute stellt die Bundesfamilienministerin ihre Bilanz offiziell vor.


Das Gespräch mit Krista Sager können Sie bis zum 29. März 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio