Grünen-Politiker Trittin: Bündnisse mit der Union derzeit kein Thema
Für den stellvertretenden Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, sind Bündnisse mit der Union derzeit kein Thema. Seine Partei stehe für eine Politik der Modernisierung, für einen Atom-Ausstieg und für mehr Bürgerrechte, sagte Trittin.
Marie Sagenschneider: Schwarz-Grün, Jamaika oder doch noch ganz andere Varianten? In den letzten Tagen konnte man den Eindruck haben, dass sich die Grünen auf die Suche begeben nach neuen möglichen Koalitionspartnern. Ein Jahr Große Koalition, ein Jahr Opposition für die Grünen - und schon denkt man wieder übers Regieren nach. Oder doch nicht? Denn kurz vor dem Parteitag der Grünen, der heute in Köln beginnt, sind doch einige zurückgerudert und wollen diese Debatte erst mal ad acta legen. Ob zu Recht, auch darüber wollen wir nun im Deutschlandradio Kultur mit Jürgen Trittin sprechen, er ist der stellvertretende Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Guten Morgen, Herr Trittin.
Trittin: Guten Morgen.
Sagenschneider: Sie haben ja schon gesagt, die Grünen dürften sich die Union nicht schönreden. Tun einige das?
Trittin: Ich habe das mit Blick gesagt auf die nächsten Aufgaben, die anstehen. Wir haben in Bremen 2007 eine Wahl und dann gibt es eine echte Halbzeitwahl im Jahre 2008, im Frühjahr, wo es um die Mehrheiten in Hessen, in Niedersachsen und in Hamburg geht. Und da stehen drei Ministerpräsidenten beziehungsweise ein Regierender Bürgermeister der CDU einfach zur Abwahl an. Möchte man nicht wirklich schleunigst Herrn Koch, der sich angeblich Wahlkonkurrenten vom Leibe kauft, abwählen? Möchte man nicht Herrn Wulf loswerden, der Niedersachsen nicht nur das Schulsystems kaputtgemacht hat, sondern es gar nicht abwarten kann, bis er Atommüll nach Gorleben kriegt? Das sind die Herausforderungen, vor denen Grüne 2008 stehen. Und da muss man dann auch schon mit einer klaren Ansage rangehen.
Sagenschneider: Aber was ist denn die klare Ansage? Wir können auch mit der CDU? Oder gar nicht?
Trittin: Die Ansage für diese Länder lautet: Wir wollen, dass diese Ministerpräsidenten abgewählt werden. Und das ist die klare Botschaft, mit dem wir in diesen Wahlkampf reingehen.
Sagenschneider: Na ja, die Frage, die dahintersteckt, ist ja, ob es nicht auch vernünftig ist, sich doch mal langsam Gedanken darüber zu machen, ob auch andere Konstellationen denkbar sind. Denn ansonsten heißt es für die Grünen ja immer: Entweder Rot-Grün oder Opposition?
Trittin: Ich glaube, sie gehen immer davon aus, dass es bei Politik auch ein Stück weit um Inhalte geht. Die Grünen sind eine Partei, die steht für eine Politik der ökologischen Modernisierung dieser Gesellschaft, für den Ausstieg aus der Atomenergie, für mehr Bürgerrechte. Da sind die Brücken zu einer Partei, in der sich noch Leute finden, die davor warnen, dass Deutschland nicht von "Multikulti-Schwuchteln" regiert werde, doch noch ziemlich weit zu bauen. Das mag es in dem einen oder anderen Fall geben. Wir haben auch auf kommunaler Ebene da gute Erfahrung gemacht. Aber zunächst muss man festhalten: Wir stehen jetzt vor einer Situation, wo die Grünen darum kämpfen müssen, aus der Opposition rauszukommen. Wenn sie rauskommen wollen, dann werden sie zunächst in diesen Ländern neue Mehrheiten organisieren müssen. Und diese neuen Mehrheiten werden sie nur gegen die CDU und die dortigen Ministerpräsidenten erreichen. Und so stellt sich zurzeit die Problemlage für sie dar. Da nützen alle Spekulationen nichts.
Sagenschneider: Die Grünen sind in der Tat in einer misslichen Situation, jetzt überall, eben auch in den Ländern, in der Opposition zu sein. Damit sind wir vielleicht nun doch schon beim Parteitag der Grünen. Thematischer Schwerpunkt soll ja die Umweltpolitik sein. Und da gibt es doch ein wenig Auseinandersetzungen, welcher Weg einzuschlagen wäre. Wie radikal soll es denn sein?
Trittin: So radikal, dass das eigentliche Ziel erreicht wird, nämlich dass es gelingt zu verhindern, dass sich die Erde um mehr als zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmt. Das ist das alles überbordende Ziel für eine Umwelt- und Klimapolitik auf der Höhe der Zeit. Dieses zu erreichen ist eine ambitionierte Angelegenheit. Dafür muss man in den nächsten Jahren, also bis 2020, in Deutschland rund 40 Prozent der Treibhausgase einsparen, in Europa rund 30 Prozent. Und das bedarf zusätzlicher Anstrengungen. Im Strombereich sind wir ziemlich gut, da haben wir ja in den letzten Jahren unter Rot-Grün für einen riesigen Boom erneuerbarer Energien gesorgt. Das allein spart uns jährlich 80 Millionen Tonnen Treibhausgase. Aber wir müssen die Bereiche angehen, wo es Nachholbedarf und zusätzlichen Senkungsbedarf gibt. Das gilt für den Stromverbrauch der Industrie und der privaten Haushalte. Wir brauchen also einen Klimaschutzfonds. Das gilt auch für den Verbrauch unserer privaten Elektrogeräte. Also brauchten wir effizientere Computer, effizientere Fernseher und DVDs haben. Dafür bedarf es politischer Impulse und nicht ein permanentes Wegducken vor der Elektronikindustrie. Und wir müssen den Verkehr angehen. Wir haben in den schnellst wachsenden Teil des Verkehrs übrigens gar nicht am Boden, sondern in der Luft. Das ist der Grund, warum wir sagen, in das europäische Immissionshandelssystem müssen zum Beispiel der Flugverkehr einbezogen werden.
Sagenschneider: Das heißt, Sie setzen auf Technologie - und setzen Sie dabei auf Anreize oder setzen Sie auch auf Druck? Also dass der Bürger tatsächlich auch spüren muss: Hier, ich werde jetzt zur Kasse gebeten für den Ressourcenverbrauch, den ich betreibe.
Trittin: Wenn Sie so etwas sehen wie effizientere Elektrogeräte, da gibt es eine ganz einfache Methode, die kann man aus Japan lernen: Da sagt man einfach, das effizienteste Gerät heute setzt den Standard für in fünf Jahren. Das müssen dann alle erreichen. Das ist eine sehr einfache Methode. Im Flugverkehr wäre die Einbeziehung in den Immissionshandel natürlich ein limitierender Deckel für den Ausstoß von Treibhausgasen, unter dem sich dann wiederum der Wettbewerb entfalten könnte. Und schließlich gibt es Bereiche, in denen dann tatsächlich mit klassischem Ordnungsrecht agiert werden muss. Wir stellen fest, die deutsche Automobilindustrie hat eine Selbstverpflichtung übernommen, bis zum Jahre 2008 Fahrzeuge nur noch auf den Markt zu bringen, neu, die im Durchschnitt sechs beziehungsweise fünfeinhalb Liter, wenn es sich um Diesel handelt, ausstoßen. Das ist krachend verfehlt worden, diese Selbstverpflichtung. Die Automobilindustrie hat die deutsche Gesellschaft, Europa hinters Licht geführt. Das kann man nicht hinnehmen als Gesellschaft. Dann muss man zu anderen Maßnahmen greifen. Und das nahe liegende Instrument sind gesetzliche Verbrauchsobergrenzen, die, wie in China oder wie in Kalifornien jetzt vorgesehen, einfach sagen: Ein Auto mit dem und dem Gewicht darf nicht mehr als einen bestimmten Wert verbrauchen. Und anzustreben, dass wir im Jahr 2012 im Durchschnitt bei Neufahrzeugen nicht mehr als fünf Liter zu brauchen, das ist ein richtiges Ziel, und das ist ein erster Schritt.
Sagenschneider: Jürgen Trittin, der stellvertretende Fraktionschef der Grünen im Bundestag im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen.
Trittin: Guten Morgen.
Sagenschneider: Sie haben ja schon gesagt, die Grünen dürften sich die Union nicht schönreden. Tun einige das?
Trittin: Ich habe das mit Blick gesagt auf die nächsten Aufgaben, die anstehen. Wir haben in Bremen 2007 eine Wahl und dann gibt es eine echte Halbzeitwahl im Jahre 2008, im Frühjahr, wo es um die Mehrheiten in Hessen, in Niedersachsen und in Hamburg geht. Und da stehen drei Ministerpräsidenten beziehungsweise ein Regierender Bürgermeister der CDU einfach zur Abwahl an. Möchte man nicht wirklich schleunigst Herrn Koch, der sich angeblich Wahlkonkurrenten vom Leibe kauft, abwählen? Möchte man nicht Herrn Wulf loswerden, der Niedersachsen nicht nur das Schulsystems kaputtgemacht hat, sondern es gar nicht abwarten kann, bis er Atommüll nach Gorleben kriegt? Das sind die Herausforderungen, vor denen Grüne 2008 stehen. Und da muss man dann auch schon mit einer klaren Ansage rangehen.
Sagenschneider: Aber was ist denn die klare Ansage? Wir können auch mit der CDU? Oder gar nicht?
Trittin: Die Ansage für diese Länder lautet: Wir wollen, dass diese Ministerpräsidenten abgewählt werden. Und das ist die klare Botschaft, mit dem wir in diesen Wahlkampf reingehen.
Sagenschneider: Na ja, die Frage, die dahintersteckt, ist ja, ob es nicht auch vernünftig ist, sich doch mal langsam Gedanken darüber zu machen, ob auch andere Konstellationen denkbar sind. Denn ansonsten heißt es für die Grünen ja immer: Entweder Rot-Grün oder Opposition?
Trittin: Ich glaube, sie gehen immer davon aus, dass es bei Politik auch ein Stück weit um Inhalte geht. Die Grünen sind eine Partei, die steht für eine Politik der ökologischen Modernisierung dieser Gesellschaft, für den Ausstieg aus der Atomenergie, für mehr Bürgerrechte. Da sind die Brücken zu einer Partei, in der sich noch Leute finden, die davor warnen, dass Deutschland nicht von "Multikulti-Schwuchteln" regiert werde, doch noch ziemlich weit zu bauen. Das mag es in dem einen oder anderen Fall geben. Wir haben auch auf kommunaler Ebene da gute Erfahrung gemacht. Aber zunächst muss man festhalten: Wir stehen jetzt vor einer Situation, wo die Grünen darum kämpfen müssen, aus der Opposition rauszukommen. Wenn sie rauskommen wollen, dann werden sie zunächst in diesen Ländern neue Mehrheiten organisieren müssen. Und diese neuen Mehrheiten werden sie nur gegen die CDU und die dortigen Ministerpräsidenten erreichen. Und so stellt sich zurzeit die Problemlage für sie dar. Da nützen alle Spekulationen nichts.
Sagenschneider: Die Grünen sind in der Tat in einer misslichen Situation, jetzt überall, eben auch in den Ländern, in der Opposition zu sein. Damit sind wir vielleicht nun doch schon beim Parteitag der Grünen. Thematischer Schwerpunkt soll ja die Umweltpolitik sein. Und da gibt es doch ein wenig Auseinandersetzungen, welcher Weg einzuschlagen wäre. Wie radikal soll es denn sein?
Trittin: So radikal, dass das eigentliche Ziel erreicht wird, nämlich dass es gelingt zu verhindern, dass sich die Erde um mehr als zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmt. Das ist das alles überbordende Ziel für eine Umwelt- und Klimapolitik auf der Höhe der Zeit. Dieses zu erreichen ist eine ambitionierte Angelegenheit. Dafür muss man in den nächsten Jahren, also bis 2020, in Deutschland rund 40 Prozent der Treibhausgase einsparen, in Europa rund 30 Prozent. Und das bedarf zusätzlicher Anstrengungen. Im Strombereich sind wir ziemlich gut, da haben wir ja in den letzten Jahren unter Rot-Grün für einen riesigen Boom erneuerbarer Energien gesorgt. Das allein spart uns jährlich 80 Millionen Tonnen Treibhausgase. Aber wir müssen die Bereiche angehen, wo es Nachholbedarf und zusätzlichen Senkungsbedarf gibt. Das gilt für den Stromverbrauch der Industrie und der privaten Haushalte. Wir brauchen also einen Klimaschutzfonds. Das gilt auch für den Verbrauch unserer privaten Elektrogeräte. Also brauchten wir effizientere Computer, effizientere Fernseher und DVDs haben. Dafür bedarf es politischer Impulse und nicht ein permanentes Wegducken vor der Elektronikindustrie. Und wir müssen den Verkehr angehen. Wir haben in den schnellst wachsenden Teil des Verkehrs übrigens gar nicht am Boden, sondern in der Luft. Das ist der Grund, warum wir sagen, in das europäische Immissionshandelssystem müssen zum Beispiel der Flugverkehr einbezogen werden.
Sagenschneider: Das heißt, Sie setzen auf Technologie - und setzen Sie dabei auf Anreize oder setzen Sie auch auf Druck? Also dass der Bürger tatsächlich auch spüren muss: Hier, ich werde jetzt zur Kasse gebeten für den Ressourcenverbrauch, den ich betreibe.
Trittin: Wenn Sie so etwas sehen wie effizientere Elektrogeräte, da gibt es eine ganz einfache Methode, die kann man aus Japan lernen: Da sagt man einfach, das effizienteste Gerät heute setzt den Standard für in fünf Jahren. Das müssen dann alle erreichen. Das ist eine sehr einfache Methode. Im Flugverkehr wäre die Einbeziehung in den Immissionshandel natürlich ein limitierender Deckel für den Ausstoß von Treibhausgasen, unter dem sich dann wiederum der Wettbewerb entfalten könnte. Und schließlich gibt es Bereiche, in denen dann tatsächlich mit klassischem Ordnungsrecht agiert werden muss. Wir stellen fest, die deutsche Automobilindustrie hat eine Selbstverpflichtung übernommen, bis zum Jahre 2008 Fahrzeuge nur noch auf den Markt zu bringen, neu, die im Durchschnitt sechs beziehungsweise fünfeinhalb Liter, wenn es sich um Diesel handelt, ausstoßen. Das ist krachend verfehlt worden, diese Selbstverpflichtung. Die Automobilindustrie hat die deutsche Gesellschaft, Europa hinters Licht geführt. Das kann man nicht hinnehmen als Gesellschaft. Dann muss man zu anderen Maßnahmen greifen. Und das nahe liegende Instrument sind gesetzliche Verbrauchsobergrenzen, die, wie in China oder wie in Kalifornien jetzt vorgesehen, einfach sagen: Ein Auto mit dem und dem Gewicht darf nicht mehr als einen bestimmten Wert verbrauchen. Und anzustreben, dass wir im Jahr 2012 im Durchschnitt bei Neufahrzeugen nicht mehr als fünf Liter zu brauchen, das ist ein richtiges Ziel, und das ist ein erster Schritt.
Sagenschneider: Jürgen Trittin, der stellvertretende Fraktionschef der Grünen im Bundestag im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen.