Grüne: Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist reine Klientelpolitik
Der finanzpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Gerhard Schick, kritisiert das geplante Wachstumsbeschleunigungsgesetz als "Sammelsurium verschiedener Wahlversprechen". Das Gesetz werde keine wirtschaftlichen Impulse auslösen.
Marcus Pindur: Wir sind jetzt verbunden mit dem finanzpolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, mit Gerhard Schick. Guten Morgen, Herr Schick!
Gerhard Schick: Guten Morgen, Herr Pindur!
Pindur: Ihre Fraktion hat auch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Gesetz. Warum eigentlich?
Schick: Es gibt einen zentralen Punkt bei der Erbschaftssteuer, wo jetzt eben wieder eine größere Begünstigung stattfindet, und in der Sachverständigenanhörung am Montag haben uns Experten gesagt, das ist nicht mehr von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gedeckt. Wir befürchten also, dass man bei diesem Gesetz sehr bald schon wieder korrigieren muss.
Und man sollte jetzt besser gute Gesetze machen, die auch eine Weile Bestand haben. Und da gibt es auch noch in anderen Bereichen Probleme, wo wir sehen, dass da nachkorrigiert werden muss.
Pindur: Sie kritisieren aber auch Sachen wie zum Beispiel Erhöhung des Kindergeldes, und das ist doch eigentlich eine sehr sinnvolle Sache.
Schick: Na ja, es geht nicht darum, dass wir gegen eine Kindergelderhöhung grundsätzlich sind, sondern das Problem ist, dass ausgerechnet die Familien, die es am dringendsten notwendig hätten, Unterstützung zu bekommen, nämlich die Familien im Hartz-IV-Bezug, die also nicht ausreichend eigenes Einkommen haben, von dieser Erhöhung nichts haben, weil das da angerechnet wird auf das ALG 2. Aus unserer Sicht müssten eben zuerst die Kinderregelsätze bei Hartz IV angehoben werden, sonst hat die Sache eine ganz große soziale Schieflage und ist einfach ungerecht.
Pindur: Eine sofortige steuerliche Entlastung der mittleren Einkommen ist doch aber gerade angesichts der Belastungen in diesem Steuerbereich doch geboten?
Schick: Na ja, dieses ganzes Stichwort Wachstumsbeschleunigungsgesetz geht ja davon aus, dass man, wenn man jetzt steuerliche Erleichterungen macht, dass das dem Wachstum hilft. Aber das ist eine Wette auf Wachstum, die nicht aufgehen wird, weil wir jetzt sehen, dass in den Kommunen zum Beispiel schon diskutiert wird, wie man mit diesen Einnahmeausfällen, die viele Kommunen gar nicht verkraften können, umgeht.
Da werden Investitionen gestrichen, werden teilweise Steuern erhöht, in Köln ist eine Kurtaxe zusätzlich vorgeschlagen worden. Das wird insgesamt nicht aufgeben, diese Wette auf Wachstum. Wichtiger wäre jetzt, sinnvolle Investitionen zu machen, die auch eine Rendite in die Zukunft bringen und damit gesamtstaatlich uns voranbringen.
Pindur: Aber ist es nicht besser, das Geld direkt bei den Bürgern zu belassen, als es durch Steuern einzunehmen und dann wieder über den Staat umzuverteilen?
Schick: Das kommt drauf an. Wir wissen zum Beispiel, dass Bildungsinvestitionen eine richtig gute Rendite bringen würden, und wenn man jetzt über Einnahmeausfälle bei den Ländern dafür sorgt, dass auch bei der Bildung wieder gestrichen werden muss in der Zukunft, dann macht man einen richtigen Fehler.
Und wenn man sich mal anguckt, wo diese Steuerentlastungen kommen - nehmen Sie das Beispiel der ermäßigten Mehrwertsteuern für Hotelübernachtungen -, dann ist das nichts anderes als Klientelpolitik und eben keine systematische Förderung einer wirtschaftlichen Entwicklung.
Und da sind wir natürlich richtig dagegen. Wenn man gezielt eine Milliarde Euro nur für das Hotelgewerbe ausgibt - denn das ist das, was jetzt an Steuermindereinnahmen da kommt, und wahrscheinlich wird es sogar noch mehr, weil große Abgrenzungsschwierigkeiten da sind - und damit noch zusätzliche Bürokratie schafft und das Steuerrecht weiter verkompliziert, dann wird das nichts bringen für eine zusätzliche bessere wirtschaftliche Entwicklung.
Pindur: Aber die Entlastung der Bürger ist doch eine Sache, die geboten ist. Man könnte doch auch sagen, das wird gegenfinanziert durch eine Ausgabenkritik, man sagt also, man senkt die Ausgaben des Bundes an anderer Stelle.
Schick: Das ist natürlich richtig, dass es eine Reihe von Maßnahmen gibt, wo man Ausnahmen des Bundes auch einschränken könnte. Es gibt zum Beispiel eine Reihe von ökologisch schädlichen Subventionen, die unbedingt abgebaut werden müssten.
Wenn Sie sich aber dieses Gesetz angucken, das ist ein Sammelsurium von der Einlösung verschiedener Wahlversprechen, und insgesamt - das hat auch die Sachverständigenanhörung gezeigt - wird es eben keinen wirklichen Impuls geben, der jetzt die Wirtschaft voranbringen würde, sondern es ist im Wesentlichen ein Klientelgesetz.
Pindur: Sie wollen also eine große Steuerreform, eine umfassende Steuerreform. In welche Richtung sollte die denn gehen?
Schick: Na an verschiedenen Punkten. Sehen Sie, bei der Mehrwertsteuer ist es richtig, dass man bei diesem Chaos zwischen ermäßigten Mehrwertsteuersätzen und normalen Steuersätzen mal versuchen muss, wieder ein sinnvolles System zu schaffen. Das hat übrigens auch die FDP in den letzten Jahren immer gefordert und teilweise auch die CDU.
Und das Erste, was die neue Regierung jetzt macht, ist eine weitere Verkomplizierung, wo alle Sachverständigen mit Ausnahme eben des Hotelverbandes gesagt haben, das darf man jetzt nicht machen, das ist Irrsinn. Und so wird jetzt Gesetzgebung gemacht.
Ich bin sicher, dass wir bei diesem Gesetz in wenigen Monaten noch mal drangehen müssen, weil eben verschiedene Bereiche aufgemacht werden, wo es entweder verfassungsrechtliche Bedenken gibt oder Abgrenzungsschwierigkeiten oder die Steuersystematik so geändert wird, dass es weitere Bürokratielasten gibt und noch komplizierter für Unternehmen und Bürger.
Pindur: Nehmen wir an, die Koalition, die Regierungskoalition wird sich dann in nächster Zeit, sagen wir in ein, zwei Jahren, dazu durchringen, dann doch eine Steuerreform auf den Weg zu bringen, die die eigenen Voraussetzungen, die eigenen Kriterien erfüllt: Könnten Sie sich eventuell dann sogar dazu einfinden, dem auch zuzustimmen?
Schick: Natürlich werden wir konstruktiv mitwirken an sinnvollen steuerlichen Verbesserungen. Ein wichtiges Kriterium ist für uns natürlich: Wir können nicht einfach weitere Schulden auftürmen. Und das ist das, was Schwarz-Gelb jetzt im Wesentlichen vor hat. Das sind jetzt bei diesem Gesetz 8,5 Milliarden zusätzlich an Steuermindereinnahmen, weshalb ja die Länder auch protestieren, weil sie das nicht mehr tragen können.
Und wir sagen, es ist unverantwortlich, jetzt ständig neue Schulden zu machen. Das muss irgendwann abbezahlt werden, und wir sehen eben unsere Verantwortung für künftige Generationen an der Stelle. Und da, aus dieser Verantwortung können wir uns nicht einfach durch eine Hoffnung auf zusätzliches Wachstum, die sich nicht erfüllen kann, befreien.
Pindur: Herr Schick, vielen Dank für das Gespräch!
Schick: Ja, ich danke!
Pindur: Der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Gerhard Schick!
Gerhard Schick: Guten Morgen, Herr Pindur!
Pindur: Ihre Fraktion hat auch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Gesetz. Warum eigentlich?
Schick: Es gibt einen zentralen Punkt bei der Erbschaftssteuer, wo jetzt eben wieder eine größere Begünstigung stattfindet, und in der Sachverständigenanhörung am Montag haben uns Experten gesagt, das ist nicht mehr von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gedeckt. Wir befürchten also, dass man bei diesem Gesetz sehr bald schon wieder korrigieren muss.
Und man sollte jetzt besser gute Gesetze machen, die auch eine Weile Bestand haben. Und da gibt es auch noch in anderen Bereichen Probleme, wo wir sehen, dass da nachkorrigiert werden muss.
Pindur: Sie kritisieren aber auch Sachen wie zum Beispiel Erhöhung des Kindergeldes, und das ist doch eigentlich eine sehr sinnvolle Sache.
Schick: Na ja, es geht nicht darum, dass wir gegen eine Kindergelderhöhung grundsätzlich sind, sondern das Problem ist, dass ausgerechnet die Familien, die es am dringendsten notwendig hätten, Unterstützung zu bekommen, nämlich die Familien im Hartz-IV-Bezug, die also nicht ausreichend eigenes Einkommen haben, von dieser Erhöhung nichts haben, weil das da angerechnet wird auf das ALG 2. Aus unserer Sicht müssten eben zuerst die Kinderregelsätze bei Hartz IV angehoben werden, sonst hat die Sache eine ganz große soziale Schieflage und ist einfach ungerecht.
Pindur: Eine sofortige steuerliche Entlastung der mittleren Einkommen ist doch aber gerade angesichts der Belastungen in diesem Steuerbereich doch geboten?
Schick: Na ja, dieses ganzes Stichwort Wachstumsbeschleunigungsgesetz geht ja davon aus, dass man, wenn man jetzt steuerliche Erleichterungen macht, dass das dem Wachstum hilft. Aber das ist eine Wette auf Wachstum, die nicht aufgehen wird, weil wir jetzt sehen, dass in den Kommunen zum Beispiel schon diskutiert wird, wie man mit diesen Einnahmeausfällen, die viele Kommunen gar nicht verkraften können, umgeht.
Da werden Investitionen gestrichen, werden teilweise Steuern erhöht, in Köln ist eine Kurtaxe zusätzlich vorgeschlagen worden. Das wird insgesamt nicht aufgeben, diese Wette auf Wachstum. Wichtiger wäre jetzt, sinnvolle Investitionen zu machen, die auch eine Rendite in die Zukunft bringen und damit gesamtstaatlich uns voranbringen.
Pindur: Aber ist es nicht besser, das Geld direkt bei den Bürgern zu belassen, als es durch Steuern einzunehmen und dann wieder über den Staat umzuverteilen?
Schick: Das kommt drauf an. Wir wissen zum Beispiel, dass Bildungsinvestitionen eine richtig gute Rendite bringen würden, und wenn man jetzt über Einnahmeausfälle bei den Ländern dafür sorgt, dass auch bei der Bildung wieder gestrichen werden muss in der Zukunft, dann macht man einen richtigen Fehler.
Und wenn man sich mal anguckt, wo diese Steuerentlastungen kommen - nehmen Sie das Beispiel der ermäßigten Mehrwertsteuern für Hotelübernachtungen -, dann ist das nichts anderes als Klientelpolitik und eben keine systematische Förderung einer wirtschaftlichen Entwicklung.
Und da sind wir natürlich richtig dagegen. Wenn man gezielt eine Milliarde Euro nur für das Hotelgewerbe ausgibt - denn das ist das, was jetzt an Steuermindereinnahmen da kommt, und wahrscheinlich wird es sogar noch mehr, weil große Abgrenzungsschwierigkeiten da sind - und damit noch zusätzliche Bürokratie schafft und das Steuerrecht weiter verkompliziert, dann wird das nichts bringen für eine zusätzliche bessere wirtschaftliche Entwicklung.
Pindur: Aber die Entlastung der Bürger ist doch eine Sache, die geboten ist. Man könnte doch auch sagen, das wird gegenfinanziert durch eine Ausgabenkritik, man sagt also, man senkt die Ausgaben des Bundes an anderer Stelle.
Schick: Das ist natürlich richtig, dass es eine Reihe von Maßnahmen gibt, wo man Ausnahmen des Bundes auch einschränken könnte. Es gibt zum Beispiel eine Reihe von ökologisch schädlichen Subventionen, die unbedingt abgebaut werden müssten.
Wenn Sie sich aber dieses Gesetz angucken, das ist ein Sammelsurium von der Einlösung verschiedener Wahlversprechen, und insgesamt - das hat auch die Sachverständigenanhörung gezeigt - wird es eben keinen wirklichen Impuls geben, der jetzt die Wirtschaft voranbringen würde, sondern es ist im Wesentlichen ein Klientelgesetz.
Pindur: Sie wollen also eine große Steuerreform, eine umfassende Steuerreform. In welche Richtung sollte die denn gehen?
Schick: Na an verschiedenen Punkten. Sehen Sie, bei der Mehrwertsteuer ist es richtig, dass man bei diesem Chaos zwischen ermäßigten Mehrwertsteuersätzen und normalen Steuersätzen mal versuchen muss, wieder ein sinnvolles System zu schaffen. Das hat übrigens auch die FDP in den letzten Jahren immer gefordert und teilweise auch die CDU.
Und das Erste, was die neue Regierung jetzt macht, ist eine weitere Verkomplizierung, wo alle Sachverständigen mit Ausnahme eben des Hotelverbandes gesagt haben, das darf man jetzt nicht machen, das ist Irrsinn. Und so wird jetzt Gesetzgebung gemacht.
Ich bin sicher, dass wir bei diesem Gesetz in wenigen Monaten noch mal drangehen müssen, weil eben verschiedene Bereiche aufgemacht werden, wo es entweder verfassungsrechtliche Bedenken gibt oder Abgrenzungsschwierigkeiten oder die Steuersystematik so geändert wird, dass es weitere Bürokratielasten gibt und noch komplizierter für Unternehmen und Bürger.
Pindur: Nehmen wir an, die Koalition, die Regierungskoalition wird sich dann in nächster Zeit, sagen wir in ein, zwei Jahren, dazu durchringen, dann doch eine Steuerreform auf den Weg zu bringen, die die eigenen Voraussetzungen, die eigenen Kriterien erfüllt: Könnten Sie sich eventuell dann sogar dazu einfinden, dem auch zuzustimmen?
Schick: Natürlich werden wir konstruktiv mitwirken an sinnvollen steuerlichen Verbesserungen. Ein wichtiges Kriterium ist für uns natürlich: Wir können nicht einfach weitere Schulden auftürmen. Und das ist das, was Schwarz-Gelb jetzt im Wesentlichen vor hat. Das sind jetzt bei diesem Gesetz 8,5 Milliarden zusätzlich an Steuermindereinnahmen, weshalb ja die Länder auch protestieren, weil sie das nicht mehr tragen können.
Und wir sagen, es ist unverantwortlich, jetzt ständig neue Schulden zu machen. Das muss irgendwann abbezahlt werden, und wir sehen eben unsere Verantwortung für künftige Generationen an der Stelle. Und da, aus dieser Verantwortung können wir uns nicht einfach durch eine Hoffnung auf zusätzliches Wachstum, die sich nicht erfüllen kann, befreien.
Pindur: Herr Schick, vielen Dank für das Gespräch!
Schick: Ja, ich danke!
Pindur: Der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Gerhard Schick!