Grüne Nächte
Noch vor 30 Jahren war ein grünlich schillernder Himmel für die Menschen am Polarkreis Grund genug, im Haus zu bleiben. Heute kommen Reisende aus aller Welt in die Berge bei Tromsö, um einmal das große Himmelsspektakel zu fotografieren. Manche müssen viele Nächte im norwegischen Spätwinter ausharren, um auch nur einen der flüchtigen Schleier am Himmel zu sehen.
Es sieht aus wie ein flüchtiger grünlicher Schleiertanz am Polarhimmel. Aber hier in Tromsö kann man das Nordlicht nicht nur sehen. Man kann es sogar hören.
So klingt es, wenn sechs Frauen aus Taiwan mitten in der Nacht bei minus 16 Grad auf einer Bergkuppe stehen und das Nordlicht entdecken. So hört es sich an, wenn endlich ein Lebenstraum erfüllt und das Foto vom grünen Himmelszauber im Kasten ist.
Schwierig ist es, den flüchtigen Moment auch einzufangen. Karina Weinschenck, die deutsche Reiseleiterin aus dem norwegischen Tromsö berät ihre Gäste ganz genau, welche Belichtungszeit für welche Kamera die Beste ist. Mit bloßem Auge sieht man in dieser Nacht nämlich nichts. Eine etwas hellere Wolke vielleicht. Aber sonst ... nichts. Der Himmel über dem Polarkreis heute ist dunkel.
„Das menschliche Auge ist nicht perfekt. Wenn man hier in der Dunkelheit umhergeht, man sieht eigentlich nur schwarz und weiß, mal heller weiß und mal dunkler weiß, aber ne Kamera ist eben eine Maschine. Und die kann diese Farben eben finden.“
Ein flackerndes grünes Band ist auf den Bildern dieser Nacht zu sehen. Die Frauen aus dem fernen Taiwan sind glücklich. Denn wer das Nordlicht sieht, so erzählt man sich im fernen Osten bis heute, der bekommt viele glückliche Kinder.
Angst vorm Nordlicht
Der Schleiertanz am Himmel – es ist gar nicht so lange her, da bekamen es die Norweger bei diesem Anblick eher mit der Angst zu tun.
„Je nach Gegend gibt es da verschiedene Mythen und Sagen. Manche sagen, es sind Krieger, die am Himmel sind und ihre Kämpfe durchführen. In Finnland, da ist es ein Fuchs, der über den Himmel rennt und mit seinem Schwanz Funken schlägt. Die Frauen sind auch nicht so gerne rausgegangen. Weil die Männer immer erzählt haben, das Nordlicht verhext alle Frauen.“
Karina Weinschenck hat einen deutschen Vater und eine norwegische Mutter. Und der, erzählt die Reiseleiterin ihren Gästen im Bus, ist das Nordlicht bis heute nicht geheuer.
„Sie sagte mir, dass es früher sehr gefährlich gewesen sei, rauszugehen. Meine Großeltern hatten ihr immer erzählt, dass man bei Nordlicht niemals flüstern sollte und niemals, wirklich niemals, ein weißes Laken schütteln dürfte. Das würde die Nordlichter verrückt machen. Sie würden zu Tanzen anfangen und die Kinder mitnehmen.“
Gruselgeschichten in der stockfinsteren Nacht. Auch die gehören zur Nordlicht-Tour von Tromsö. Karina ist Alleinunterhalterin, Fahrerin und Wirtin in einem. Sie kümmert sich um alles und jeden und fühlt sich hörbar wohl dabei.
„Auch wenn es abends manchmal kalt ist, wenn wir rausgehen, auch wenn das Wetter manchmal nicht so ist, wenn wir Schneesturm haben wie letzte Woche – wenn ich dann aber das Nordlichtfinde und sehe, wie meine Gäste total happy sind, dann glaube ich wirklich, ich habe den besten Job auf der ganzen Welt.“
Rand der bewohnbaren Welt
Der beste Job trotz eisiger Kälte. Hier in Tromsö, 400 Kilometer nördlich des Polarkreises, in der letzten größeren Stadt am Rande der bewohnbaren Welt.
„Ich glaube, wir haben sehr gute Bedingungen. Tromsö ist eine recht große Stadt mit mehr als 70-tausend Einwohnern jetzt. Und da kann man auch andere Sachen machen. Und es ist auch gut zu erreichen.“
Mindestens viermal in der Woche ist Karinas mit ihrem Bus unterwegs. Es gebe nichts Schöneres, sagt sie, als sich im Winter, mitten in der Nacht, ans Steuer zu setzen und loszufahren – auf der Jagd nach den Himmelskriegern.
„Das ist eine offene Suche. Normalerweise habe ich meistens Glück. Manchmal gehe ich auch so ein bisschen nach meinem Bauchgefühl. Man weiß nicht, wo das kommt, man weiß nicht, wann das kommt, man weiß nicht, wie lange das auftaucht. Das geht von fünf Minuten über die ganze Nacht. Wenn wir sehr gutes Nordlicht haben, dann sieht man es natürlich überall. Dann sieht man es auch hier in der Stadt. Zum Beispiel letzte Woche. Das war ein Supertag. Ich habe die Nordlichter schon bei mir vom Balkon aus gesehen, es war sagenhaft und unwahrscheinlich. Das war schön.“
Es gibt auch im äußersten Norden Europas keine Nordlicht-Garantie. Aber so groß waren die Chancen auf den bunten Himmelstanz seit mehr als elf Jahren nicht mehr. Die Nächte im März könnten grün werden hier im Norden, verspricht der Astro-Physiker Filip Nicolaisen:
„Ja. Wir erwarten einen Höchststand an Solar- Eruptionen in diesem und dem kommenden Jahr. Die Intensität verläuft immer in bestimmten Kurven. Wenn die Sonne besonders aktiv ist, dann gibt es entsprechend auch viele Nordlichter. Der Rhythmus wechselt alle elf Jahre ungefähr. Und jetzt erreichen wir einen neuen Höhepunkt. In diesem Jahr und in 2014.“
High Tech am nördlichen Ende der Welt
Nicolaisen ist Wissenschaftler vom Weltrauminstitut Andoya Rocket Range. Er arbeitet weit weg von Tromsö auf einer Insel nördlich der Lofoten. Hier gibt es nichts außer etwas Fischfang in einer spektakulären Landschaft. Genau hier aber (mitten in der Einsamkeit) haben sich die Physiker einen Traum erfüllt. Sie schießen Raketen und Satelliten ins All und studieren das Weltall. High Tech am nördlichen Ende der Welt.
Nicolaisen, der Nordlichtexperte der Rocket Range, ist einer der ersten, der weiß, wann genau das Zauberlicht zum Nordpol kommt. Um das vorherzusagen, guckt er sich jeden Tag die Sonne an. Denn da oben auf der Sonne fängt alles an.
„Die Sonne ist ein sehr aktiver und dynamischer Himmelskörper. Und manchmal gibt es dort eine sogenannte Sonnen-Eruption. Dieser Ausbruch wirft Sonnenteilchen und Plasma in den Weltraum und diese Teile rasen dann auf uns zu. Unsere Erde hat für so etwas einen magnetischen Schutzschild. Der Sonnensturm kann uns aber trotzdem treffen. Die Partikel schleichen sich über eine ganz bestimmte Stelle in der Nähe vom Nord- und vom Südpol bei uns ein. Das sind quasi zwei kleine Löcher in unserer Abwehr. Und dadurch entsteht dann das Nordlicht.“
Der Schleiertanz am Himmel – es sind also weder Krieger noch Füchse. Das, was wir sehen sind geomagnetische Stürme. Ungefährlich für den Menschen, aber manchmal äußerst unangenehm für Satelliten oder GPS-Systeme.
„Wir können oft beobachten, wie so ein geomagnetischer Sturm die genaue Ortung über das GPS-System stören kann. Das ist schon kritisch. Stellen Sie sich vor, Sie müssen ein Flugzeug landen oder ein Schiff anlegen und plötzlich sind die Ortungssysteme völlig ungenau. Dann haben wir schon ein Problem.“
Wichtige Vorhersagen
Genau um so etwas zu verhindern, sind Leute wie Nicolaisen im Einsatz. Ihre Nordlicht-Vorhersagen sind wichtig – nicht nur für die Touristen in Tromsö.
„Als erstes gucken wir uns die Sonne ganz genau an. Und wenn wir da einen Ausbruch in Richtung der Erde beobachten, wenn wir so einen Sonnensturm wahrnehmen, dann wissen wir, dass in drei oder vier Tagen die Aktivität hier unten auf der Erde ankommen wird. Wir sehen also, was da auf uns zukommt. Außerdem haben wir verschiedene Satelliten im All, die uns sagen können, in welcher Intensität das bei uns ankommen wird.“
Die Römer übrigens nannten das Nordlicht „Aurora“ – so wie ihren Morgengott.
„Das liegt daran, dass das Nordlicht in den Gegenden, in denen die Römer waren, eher rot aussieht. Der obere Teil des Nordlichtes ist tatsächlich eher rot. Erst darunter sieht man dann das grüne Licht. Diese Farbspiele entstehen, wenn die Sonnenpartikel in der Erdatmosphäre auf unseren Sauerstoff treffen.“
Man sieht grüne Bänder und manchmal auch rote Kronen. Lichtspiele, die sich wie ein Regenbogen über den Nachthimmel ziehen. Einige Nordlichter sehen aus wie Flammen, andere wie dünne Gardinen. Und nie gleicht eines dem anderem.
„Ich war in Tromsö, mitten in der Stadt. Da sah ich plötzlich dieses wirklich kräftige Nordlicht. Trotzdem die Stadt selber so beleuchtet war. Die Bewegungen sehen aus wie ein Tanz am Himmel. Das ist wirklich magisch.“
Eric, ein Student aus Bergen, ist heute zum zweiten Mal in Tromsö und hofft, diesen Tanz noch einmal zu erleben. Auch wenn heute Nacht die Magie wohl eher hinter dicken Wolken versteckt ist.
Menschen kommen aus aller Welt
Karinas Gäste aus dem Kleinbus trinken Tee und frieren, knirschen durch den Schnee und geben nicht auf. Sie kommen aus Wales, aus Kalifornien und Taiwan.
„Aus Texas sind wir. Wir haben uns zu Hause eine lange Liste von Dingen notiert, die man einmal gesehen haben muss in seinem Leben. Also sind wir los ... Gestern haben wir schon ein bisschen gesehen. Heute wird´s aber hoffentlich mehr.“
Karina sieht am Himmel einen hellen Schatten. Aber kaum stoppt sie den Wagen, ist schon nichts mehr zu sehen. Die Jagd geht weiter.
„Die Leute sind manchmal nur einen Tag hier, die meisten kommen ungefähr für drei Tage. Statistisch gesehen ist das OK, da sieht man auf jeden Fall einmal Nordlichter. Aber das ist schon wirklich frustrierend, wenn man kein Nordlicht sieht. Es gibt keine Garantie aber trotzdem, das ist wirklich frustrierend.“
Es ist weit nach Mitternacht. Karinas Bus war schon unten am Meer und jetzt ganz oben auf dem Bergrücken hinter Tromsö. Immer wieder der hoffnungsvolle Blick in den Himmel. Und immer wieder die Ernüchterung ... Nein, wir müssen weiter. Um kurz vor eins schließlich ist es dann soweit. Was das menschliche Auge kaum wahrnehmen kann, wirkt auf den Fotos „Made in Taiwan“ nur umso imposanter. Karinas lange Jagd hat schließlich doch noch was gebracht. Es lohne immer, sagte sie, sich auf den Weg zu machen.
Filip Nicolaisen, der Astro-Physiker von der Insel Andoya, sieht das übrigens genauso. Auch er ist heute wieder losgezogen. Raus aus dem Büro, weg von den Zahlen und der digitalen Sonnenprojektion. Ganz für sich alleine und ganz ohne Lehrbuch. Einfach nur starrend und staunend, dass es so etwas gibt.
„Das ist auch für mich als Wissenschaftler einer der vielleicht schönsten Naturschauspiele, die es gibt auf der Welt. Wenn man sich hier nachts an den Strand setzt – weit weg von den Menschen und den Lichten, bei einer leichten Brandung und bei klarem Himmel mit etwas Mondschein – und wenn man dann dieses Spektakel am Himmel sieht, dann ist das hier wirklich einer der schönsten Plätze auf dem ganzen Planeten.“
Die Frauen aus Taiwan, die ihren ganzen Urlaub für das Nordlicht geopfert haben, sagt er noch ... er kann ihre Glücksgefühle heute sehr gut verstehen.
So klingt es, wenn sechs Frauen aus Taiwan mitten in der Nacht bei minus 16 Grad auf einer Bergkuppe stehen und das Nordlicht entdecken. So hört es sich an, wenn endlich ein Lebenstraum erfüllt und das Foto vom grünen Himmelszauber im Kasten ist.
Schwierig ist es, den flüchtigen Moment auch einzufangen. Karina Weinschenck, die deutsche Reiseleiterin aus dem norwegischen Tromsö berät ihre Gäste ganz genau, welche Belichtungszeit für welche Kamera die Beste ist. Mit bloßem Auge sieht man in dieser Nacht nämlich nichts. Eine etwas hellere Wolke vielleicht. Aber sonst ... nichts. Der Himmel über dem Polarkreis heute ist dunkel.
„Das menschliche Auge ist nicht perfekt. Wenn man hier in der Dunkelheit umhergeht, man sieht eigentlich nur schwarz und weiß, mal heller weiß und mal dunkler weiß, aber ne Kamera ist eben eine Maschine. Und die kann diese Farben eben finden.“
Ein flackerndes grünes Band ist auf den Bildern dieser Nacht zu sehen. Die Frauen aus dem fernen Taiwan sind glücklich. Denn wer das Nordlicht sieht, so erzählt man sich im fernen Osten bis heute, der bekommt viele glückliche Kinder.
Angst vorm Nordlicht
Der Schleiertanz am Himmel – es ist gar nicht so lange her, da bekamen es die Norweger bei diesem Anblick eher mit der Angst zu tun.
„Je nach Gegend gibt es da verschiedene Mythen und Sagen. Manche sagen, es sind Krieger, die am Himmel sind und ihre Kämpfe durchführen. In Finnland, da ist es ein Fuchs, der über den Himmel rennt und mit seinem Schwanz Funken schlägt. Die Frauen sind auch nicht so gerne rausgegangen. Weil die Männer immer erzählt haben, das Nordlicht verhext alle Frauen.“
Karina Weinschenck hat einen deutschen Vater und eine norwegische Mutter. Und der, erzählt die Reiseleiterin ihren Gästen im Bus, ist das Nordlicht bis heute nicht geheuer.
„Sie sagte mir, dass es früher sehr gefährlich gewesen sei, rauszugehen. Meine Großeltern hatten ihr immer erzählt, dass man bei Nordlicht niemals flüstern sollte und niemals, wirklich niemals, ein weißes Laken schütteln dürfte. Das würde die Nordlichter verrückt machen. Sie würden zu Tanzen anfangen und die Kinder mitnehmen.“
Gruselgeschichten in der stockfinsteren Nacht. Auch die gehören zur Nordlicht-Tour von Tromsö. Karina ist Alleinunterhalterin, Fahrerin und Wirtin in einem. Sie kümmert sich um alles und jeden und fühlt sich hörbar wohl dabei.
„Auch wenn es abends manchmal kalt ist, wenn wir rausgehen, auch wenn das Wetter manchmal nicht so ist, wenn wir Schneesturm haben wie letzte Woche – wenn ich dann aber das Nordlichtfinde und sehe, wie meine Gäste total happy sind, dann glaube ich wirklich, ich habe den besten Job auf der ganzen Welt.“
Rand der bewohnbaren Welt
Der beste Job trotz eisiger Kälte. Hier in Tromsö, 400 Kilometer nördlich des Polarkreises, in der letzten größeren Stadt am Rande der bewohnbaren Welt.
„Ich glaube, wir haben sehr gute Bedingungen. Tromsö ist eine recht große Stadt mit mehr als 70-tausend Einwohnern jetzt. Und da kann man auch andere Sachen machen. Und es ist auch gut zu erreichen.“
Mindestens viermal in der Woche ist Karinas mit ihrem Bus unterwegs. Es gebe nichts Schöneres, sagt sie, als sich im Winter, mitten in der Nacht, ans Steuer zu setzen und loszufahren – auf der Jagd nach den Himmelskriegern.
„Das ist eine offene Suche. Normalerweise habe ich meistens Glück. Manchmal gehe ich auch so ein bisschen nach meinem Bauchgefühl. Man weiß nicht, wo das kommt, man weiß nicht, wann das kommt, man weiß nicht, wie lange das auftaucht. Das geht von fünf Minuten über die ganze Nacht. Wenn wir sehr gutes Nordlicht haben, dann sieht man es natürlich überall. Dann sieht man es auch hier in der Stadt. Zum Beispiel letzte Woche. Das war ein Supertag. Ich habe die Nordlichter schon bei mir vom Balkon aus gesehen, es war sagenhaft und unwahrscheinlich. Das war schön.“
Es gibt auch im äußersten Norden Europas keine Nordlicht-Garantie. Aber so groß waren die Chancen auf den bunten Himmelstanz seit mehr als elf Jahren nicht mehr. Die Nächte im März könnten grün werden hier im Norden, verspricht der Astro-Physiker Filip Nicolaisen:
„Ja. Wir erwarten einen Höchststand an Solar- Eruptionen in diesem und dem kommenden Jahr. Die Intensität verläuft immer in bestimmten Kurven. Wenn die Sonne besonders aktiv ist, dann gibt es entsprechend auch viele Nordlichter. Der Rhythmus wechselt alle elf Jahre ungefähr. Und jetzt erreichen wir einen neuen Höhepunkt. In diesem Jahr und in 2014.“
High Tech am nördlichen Ende der Welt
Nicolaisen ist Wissenschaftler vom Weltrauminstitut Andoya Rocket Range. Er arbeitet weit weg von Tromsö auf einer Insel nördlich der Lofoten. Hier gibt es nichts außer etwas Fischfang in einer spektakulären Landschaft. Genau hier aber (mitten in der Einsamkeit) haben sich die Physiker einen Traum erfüllt. Sie schießen Raketen und Satelliten ins All und studieren das Weltall. High Tech am nördlichen Ende der Welt.
Nicolaisen, der Nordlichtexperte der Rocket Range, ist einer der ersten, der weiß, wann genau das Zauberlicht zum Nordpol kommt. Um das vorherzusagen, guckt er sich jeden Tag die Sonne an. Denn da oben auf der Sonne fängt alles an.
„Die Sonne ist ein sehr aktiver und dynamischer Himmelskörper. Und manchmal gibt es dort eine sogenannte Sonnen-Eruption. Dieser Ausbruch wirft Sonnenteilchen und Plasma in den Weltraum und diese Teile rasen dann auf uns zu. Unsere Erde hat für so etwas einen magnetischen Schutzschild. Der Sonnensturm kann uns aber trotzdem treffen. Die Partikel schleichen sich über eine ganz bestimmte Stelle in der Nähe vom Nord- und vom Südpol bei uns ein. Das sind quasi zwei kleine Löcher in unserer Abwehr. Und dadurch entsteht dann das Nordlicht.“
Der Schleiertanz am Himmel – es sind also weder Krieger noch Füchse. Das, was wir sehen sind geomagnetische Stürme. Ungefährlich für den Menschen, aber manchmal äußerst unangenehm für Satelliten oder GPS-Systeme.
„Wir können oft beobachten, wie so ein geomagnetischer Sturm die genaue Ortung über das GPS-System stören kann. Das ist schon kritisch. Stellen Sie sich vor, Sie müssen ein Flugzeug landen oder ein Schiff anlegen und plötzlich sind die Ortungssysteme völlig ungenau. Dann haben wir schon ein Problem.“
Wichtige Vorhersagen
Genau um so etwas zu verhindern, sind Leute wie Nicolaisen im Einsatz. Ihre Nordlicht-Vorhersagen sind wichtig – nicht nur für die Touristen in Tromsö.
„Als erstes gucken wir uns die Sonne ganz genau an. Und wenn wir da einen Ausbruch in Richtung der Erde beobachten, wenn wir so einen Sonnensturm wahrnehmen, dann wissen wir, dass in drei oder vier Tagen die Aktivität hier unten auf der Erde ankommen wird. Wir sehen also, was da auf uns zukommt. Außerdem haben wir verschiedene Satelliten im All, die uns sagen können, in welcher Intensität das bei uns ankommen wird.“
Die Römer übrigens nannten das Nordlicht „Aurora“ – so wie ihren Morgengott.
„Das liegt daran, dass das Nordlicht in den Gegenden, in denen die Römer waren, eher rot aussieht. Der obere Teil des Nordlichtes ist tatsächlich eher rot. Erst darunter sieht man dann das grüne Licht. Diese Farbspiele entstehen, wenn die Sonnenpartikel in der Erdatmosphäre auf unseren Sauerstoff treffen.“
Man sieht grüne Bänder und manchmal auch rote Kronen. Lichtspiele, die sich wie ein Regenbogen über den Nachthimmel ziehen. Einige Nordlichter sehen aus wie Flammen, andere wie dünne Gardinen. Und nie gleicht eines dem anderem.
„Ich war in Tromsö, mitten in der Stadt. Da sah ich plötzlich dieses wirklich kräftige Nordlicht. Trotzdem die Stadt selber so beleuchtet war. Die Bewegungen sehen aus wie ein Tanz am Himmel. Das ist wirklich magisch.“
Eric, ein Student aus Bergen, ist heute zum zweiten Mal in Tromsö und hofft, diesen Tanz noch einmal zu erleben. Auch wenn heute Nacht die Magie wohl eher hinter dicken Wolken versteckt ist.
Menschen kommen aus aller Welt
Karinas Gäste aus dem Kleinbus trinken Tee und frieren, knirschen durch den Schnee und geben nicht auf. Sie kommen aus Wales, aus Kalifornien und Taiwan.
„Aus Texas sind wir. Wir haben uns zu Hause eine lange Liste von Dingen notiert, die man einmal gesehen haben muss in seinem Leben. Also sind wir los ... Gestern haben wir schon ein bisschen gesehen. Heute wird´s aber hoffentlich mehr.“
Karina sieht am Himmel einen hellen Schatten. Aber kaum stoppt sie den Wagen, ist schon nichts mehr zu sehen. Die Jagd geht weiter.
„Die Leute sind manchmal nur einen Tag hier, die meisten kommen ungefähr für drei Tage. Statistisch gesehen ist das OK, da sieht man auf jeden Fall einmal Nordlichter. Aber das ist schon wirklich frustrierend, wenn man kein Nordlicht sieht. Es gibt keine Garantie aber trotzdem, das ist wirklich frustrierend.“
Es ist weit nach Mitternacht. Karinas Bus war schon unten am Meer und jetzt ganz oben auf dem Bergrücken hinter Tromsö. Immer wieder der hoffnungsvolle Blick in den Himmel. Und immer wieder die Ernüchterung ... Nein, wir müssen weiter. Um kurz vor eins schließlich ist es dann soweit. Was das menschliche Auge kaum wahrnehmen kann, wirkt auf den Fotos „Made in Taiwan“ nur umso imposanter. Karinas lange Jagd hat schließlich doch noch was gebracht. Es lohne immer, sagte sie, sich auf den Weg zu machen.
Filip Nicolaisen, der Astro-Physiker von der Insel Andoya, sieht das übrigens genauso. Auch er ist heute wieder losgezogen. Raus aus dem Büro, weg von den Zahlen und der digitalen Sonnenprojektion. Ganz für sich alleine und ganz ohne Lehrbuch. Einfach nur starrend und staunend, dass es so etwas gibt.
„Das ist auch für mich als Wissenschaftler einer der vielleicht schönsten Naturschauspiele, die es gibt auf der Welt. Wenn man sich hier nachts an den Strand setzt – weit weg von den Menschen und den Lichten, bei einer leichten Brandung und bei klarem Himmel mit etwas Mondschein – und wenn man dann dieses Spektakel am Himmel sieht, dann ist das hier wirklich einer der schönsten Plätze auf dem ganzen Planeten.“
Die Frauen aus Taiwan, die ihren ganzen Urlaub für das Nordlicht geopfert haben, sagt er noch ... er kann ihre Glücksgefühle heute sehr gut verstehen.