Grüne kritisieren zu Guttenberg

Christine Scheel im Gespräch mit Hanns Ostermann |
Die Grünen haben ihre Kritik an der Ernennung des CSU-Politikers Karl-Theodor zu Guttenberg zum neuen Wirtschaftsminister bekräftigt. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christine Scheel sagte, man hätte einen Politiker mit wirtschaftspolitischer Erfahrung gebraucht. Es sei befremdlich, dass bei der CSU der Regionalproporz eine größere Rolle spiele als Wirtschaftskompetenz.
Hanns Ostermann: Alexander Dobrindt hat sich viel vorgenommen, der künftige Generalsekretär der CSU will offensichtlich nicht kleckern, sondern klotzen. Anders kann man das wohl nicht verstehen, wenn er mit allen Parteien das Gespräch suchen möchte, sogar mit den Grünen. Die Berührungspunkte etwa beim Klimaschutz seien eine Grundlage, auf der wir unseren Dialog aufbauen können, meinte er gegenüber dem "Handelsblatt". Interessant ist das ja schon, wenn eine Partei einerseits das neue Umweltgesetzbuch verhindert und andererseits das Gespräch gerade mit denen sucht, die es seit Jahren gefordert haben. Christine Scheel ist die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im Bundestag und jetzt am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Frau Scheel!

Christine Scheel: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Die Worte höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. - Sind die Berührungspunkte beim Klimaschutz zwischen CSU und Grünen wirklich so groß?

Scheel: Na, da bin ich auch mal gespannt, wie groß die CSU diese Berührungspunkte einschätzt. Denn es gibt immer wieder die Äußerungen aus der CSU heraus, auch von Herrn Seehofer, die Atomenergie fortzusetzen. Er ist ja wie die Bundeskanzlerin Angela Merkel der Meinung, dass wir die Atompolitik vielleicht sogar noch ausbauen sollten. Und das ist ein Weg, der für die Grünen ja undenkbar ist. Also da trennen uns Welten.

Ostermann: Ja, aber was steckt dann hinter den Worten des künftigen CSU-Generalsekretärs? Warum flirtet er mit ihrer Partei?

Scheel: Ich glaube schon, dass er persönlich auch der Meinung ist, dass der Weg in eine Gesellschaft, die sich unabhängig macht vom Öl, die von regenerativen Energien profitiert, von Sonne, Wind und Erdwärme, dass er demgegenüber sehr aufgeschlossen ist und dass er es vielleicht sogar richtig findet, weil er hat ja auch im Bereich Technologie und Forschung im Ausschuss gearbeitet, er hat im Wirtschaftsausschuss gearbeitet, und da sind ja diese Themen immer wieder auch von den Grünen auf die Agenda gebracht worden. Und es gibt durchaus auch von einigen in der Union dazu Zustimmung, allerdings nicht in der Führung. Und das wird noch sehr schwierig werden für ihn, denn die Führungsspitze der CSU, also Seehofer und auch die Minister, auch Herr Ramsauer beispielsweise als Landesgruppenchef, auch große Teile des Kabinetts in Bayern sind ja einer anderen Meinung, und da wird er sich ganz schön die Zähne noch ausbeißen.

Ostermann: Es gilt, dicke Bretter zu bohren. In einem anderen Punkt könnten Sie ja zufrieden sein, Ihre Partei hat immer wieder die Ablösung des Bundeswirtschaftsministers Michael Glos gefordert. Jetzt geht er, Sie bezeichnen das als verantwortungslos. Wie passt das zusammen?

Scheel: Es ist schon ziemlich verrückt, wie das alles gelaufen ist. Denn man muss sehen, Horst Seehofer hat ja praktisch Angela Merkel am Nasenring durch die politische Arena geführt. Denn er hat an Glos festgehalten, sie hat an Glos festgehalten, und das in der schwersten Wirtschaftskrise, die wir seit Jahrzehnten haben, haben beide einen Minister gestützt, der – wir wissen es ja alle – seit drei Jahren wenig Spaß an diesem Amt hatte. Und Angela Merkel hat ja auch die Krisenbewältigung in den letzten Monaten nicht mit Michael Glos gemeinsam versucht zu bewältigen, sondern mit Herrn Steinbrück. Und da hat natürlich schon diese Position des Wirtschaftsministers insgesamt einen großen Schaden auch erlitten.

Ostermann: Aber bei einer rot-grünen Koalition ließe sich doch auch Ihre Partei nicht das Recht nehmen, eine Frau, einen Mann Ihrer Wahl für ein Ministeramt zu nominieren. Also, hat nicht auch Karl-Theodor zu Guttenberg eine Chance als Wirtschaftsminister verdient?

Scheel: Ja, es ist so, dass Herr Guttenberg ja einen ziemlichen Senkrechtstart gemacht hat als einfacher Bundestagsabgeordneter, wie man das hier so in Berlin sagt, hin zum Generalsekretär der CSU. Das ist er jetzt gerade mal seit gut 100 Tagen und konnte sich da noch gar nicht richtig bewähren. Er ist rhetorisch gut, das muss man wirklich anerkennen.

Ostermann: Er spricht auch mehrere Sprachen, sagte Horst Seehofer.

Scheel: Er spricht mehrere Sprachen, im Gegensatz zu Michael Glos, der sich auch mit Englisch sehr schwergetan hat. Und das war in Wirtschaftskreisen im Ausland nicht immer der große Brüller, wenn er dort aufgetreten ist, um das mal ganz flapsig zu sagen. Und man muss natürlich auf der anderen Seite sehen, dass in so einer schwierigen Zeit jemand, der keine Wirtschaftspolitik bislang gemacht hat, schon auch sich erst mal einarbeiten muss. Und wir haben jetzt Wahlkampf, wir haben aber gleichzeitig auch Riesenprobleme im Land. Wir haben eine zunehmende Arbeitslosigkeit, wir haben die Situation, dass viele Unternehmen, die international aufgestellt sind, aber auch Unternehmen, die nur national produzieren, in große Schwierigkeiten geraten sind, das sieht man ja an der Kurzarbeit. Es ist ja nicht nur die Automobilindustrie, es ist auch der Maschinenbau, es geht auf andere Branchen über. Und dann bräuchte man schon jemand mit Erfahrung. Und ich muss ehrlich sagen, ich bin schon etwas erschrocken, wenn man dann feststellt, dass es bei der CSU letztendlich drum geht, dass der Regionalproporz gehalten wird. Das sieht man ja insgesamt an der Besetzung jetzt auch mit Dorothee Bär, die als Vizegeneralin da aus Unterfranken in Bayern mit bestimmt worden ist, weil die Unterfranken sauer sind über die Kabinettsbesetzung von Seehofer. Also es spielt der Regionalproporz anscheinend eine größere Rolle als die Tatsache, dass jemand mit einer wirtschaftlichen Kompetenz in diese Position berufen wird.

Ostermann: Immerhin wies der neue Wirtschaftsminister zu Recht daraufhin, für die derzeitige Krise gebe es kein Lehrbuch. Er bezweifelte auch, dass ein Übergewicht des Staates derzeit sinnvoll sei. Können Sie ihm wenigstens in diesem Punkt zustimmen?

Scheel: Es ist so, dass die Politik und der Staat natürlich nicht alles retten kann. Es ist schon auch so, dass die Weltkonjunktur und die wirtschaftliche Entwicklung stark geprägt wird von dem Verhalten der Unternehmen selbst, inwieweit sie bereit sind zu investieren. Was der Staat machen kann, ist, vernünftige Rahmenbedingungen zu setzen und dem wirtschaftlich Handelnden auch Vertrauen zu geben, Gesetze zu machen, die Bestand haben, die auch in sich logisch sind, die auch letztendlich, wenn man investieren will, Klarheit schaffen. Und wir haben jetzt festgestellt, dass in den letzten ein, zwei Jahren gerade im Steuerrecht, was unternehmerische Investitionen anbelangt, ein Hü und Hott stattgefunden hat in einer unglaublichen Weise, und das in einer Großen Koalition. Und viel Vertrauen, von dem Glauben, wie es mit Abschreibungsmöglichkeiten, wenn investiert wird, wie ist es mit Investitionen, wenn man Kapital aufnehmen will, also Zinsschranke und all so Sachen, hat die Wirtschaft in der Großen Koalition ganz schön zu schlucken gehabt. Und bin jetzt mal gespannt, wie das weitergeht, weil die Union hat ja angekündigt, dass es jetzt da keine Veränderungen mehr gibt. Aber es braucht natürlich auch sehr viel Vertrauen in die politisch Handelnden. Und wenn das Hü und Hott so weitergeht, dann wird das sehr schwierig für die Wirtschaft.

Ostermann: Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im Bundestag Christine Scheel. Frau Scheel, danke für das Gespräch heute früh!

Scheel: Schönen Tag noch!

Ostermann: Ihnen auch.


Das Gespräch mit Christine Scheel können Sie bis zum 10. Juli 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio