Grüne Filmproduktion

Die Filmbranche entdeckt das Energiesparen

05:58 Minuten
Die Silhouette einer Person und mehrerer Scheinwerfer ist vor orangenem Licht zu sehen.
Die Silhouette einer Person und mehrerer Scheinwerfer ist vor orangenem Licht zu sehen. © picture alliance / Sodapix AG
Von Christian Berndt · 15.01.2022
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Grüne Filmproduktion? Was vor zehn Jahren noch ein Außenseiterthema war, wird immer wichtiger in der Branche. Zum einen kommen Druck und Anreize von außen, zum anderen scheint die Branche bereit: Sie begrüßt einhellig den Wink mit dem Zaunpfahl.
„Fast & Furious 9“ lässt es richtig krachen: 200 Wagen gingen beim Dreh zu Bruch. Aus ökologischer Sicht ist der US-Action-Reißer eine Katastrophe. Aber auch ein normaler deutscher „Tatort“ verbraucht etwa 140 Tonnen CO2 – fast das Drittel eines Hollywoodfilms.

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Noch vor zehn Jahren wäre das Vorhaben, einen Film ökologisch zu drehen, in großen Teilen der Filmbranche wohl als Spinnerei abgetan worden. Die Berlinale ließ zwar schon 2010 ihren CO2-Verbrauch ermitteln, aber an Filmhochschulen wird das sogenannte Green Shooting erst seit wenigen Jahren gelehrt.

Schwung für Grünes Filmemachen

Seit dem Neujahrstag macht die deutsche Filmförderungsanstalt finanzielle Hilfen von Maßnahmen zur Nachhaltigkeit beim Filmdreh abhängig. Die Branche für ökologisches Filmen zu interessieren, sei Schwerstarbeit gewesen, meint Birgit Heidsiek, die das Magazin „Green Film Shooting“ initiiert hat:
„Es ist eigentlich das gleiche Bild in Deutschland wie in Europa: Dass sich immer die üblichen Verdächtigen für das Thema sehr interessiert haben, aber die breite Masse von Produzenten und Fernsehsendern über viele Jahre leider überhaupt nicht. Das hat sich relativ rasant verändert mit der Ankündigung vom europäischen grünen Deal.“
2019 machte die Europäische Kommission die Vergabe ihrer Projektgelder von nachhaltiger Produktion abhängig.

Selbstverpflichtungen in Deutschland

Der deutsche Produzentenverband reagierte mit einer Selbstverpflichtung zur Nachhaltigkeit und am 1. Januar dieses Jahres hat ein breites Bündnis aus der Film- und Fernsehbranche ebenfalls eine Selbstverpflichtung für ökologische Produktionsstandards in Kraft gesetzt.
„Diese ökologischen Mindeststandards sehen 21 Muss-Kriterien vor, von denen 18 erfüllt werden müssen, um als ökologisch produziert angesehen zu werden", erklärt Matthias Schwarz von der Allianz Deutscher Produzenten. "Das beginnt mit Änderungen im Catering über die Verwendung von Ökostrom und von Autos mit alternativem Antrieb. Das sind nicht so grundstürzende Änderungen, dass man sagen könnte, die Produktion muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden.“
Schwarz glaubt auch nicht, dass deshalb Filmproduktionen automatisch teurer werden.

Filmförderung soll Öko-Bonus ausschütten

Dass sich in der Branche etwas getan hat, erkennt auch die Filmpolitikerin der Grünen, Tabea Rößner, an: „Es gibt schon Standards für mehr Nachhaltigkeit in der Filmproduktion. Insofern glaube ich, dass gerade in diesem Bereich die Produzentinnen und Produzenten, die Filmschaffenden schon viel weiter sind als andere Wirtschaftsbereiche.“
2020 verzichtete der Hamburger Tatort „Die goldene Zeit“ auf Autos. Der Ermittler flitzt zu Fuß über die Reeperbahn.
Im novellierten Filmförderungsgesetz soll es auch zusätzliche Gelder für besondere ökologische Produktionsleistungen geben. Allerdings fehlen noch die Details.

Europäischer Standard gewünscht

In einem sogenannten Reallabor werden seit Juli 2021 am Beispiel mehrerer Filmproduktionen die Nachhaltigkeitskriterien auf ihre Praxistauglichkeit geprüft. Vieles ist unklar, zum Beispiel der CO2-Rechner, der verpflichtend für Produktionen wird, um den Energieverbrauch zu kalkulieren.
Den gibt es auch in anderen europäischen Ländern, aber mit unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen – für die international agierende Filmbranche ein Problem. „Es fängt schon damit an, dass es Rechner gibt, da wird zum Beispiel Catering nicht berücksichtigt", sagt Birgit Heidsiek. "Oder man hat einen unterschiedlichen Strommix oder, oder, oder. Es gibt also keine Einheitlichkeit. Deshalb ist es wichtig, dass auf einen europäischen Standard hingearbeitet wird, weil sonst die Produzenten verzweifeln würden.

Rucksackproduzenten auf Reisen

Ein weiteres Problem sind die regionalen Filmförderungen, von denen es fast ein Dutzend in Deutschland gibt: „Als dieses System kreiert in den 80er-Jahren wurde, ging es einfach um Strukturförderung. Das ist auch sehr gut gelungen. Nur daraus resultiert, dass die Produzenten – man nennt sie auch Rucksackproduzenten – von Land zu Land reisen, um Fördermittel zu beschaffen.“
„Berlin Alexanderplatz“ von Regisseur Burhan Qurbani spielt in Berlin, aber um Fördermittel aus NRW zu bekommen, wurden einzelne Szenen auch dort gedreht. Für diesen ressourcenverschwendenden sogenannten Fördertourismus gibt es erst in Ansätzen Lösungen, etwa mit dem Austausch von Fördermitteln zwischen Regionen.
Ein weiteres gewaltiges Energieproblem ist das Streaming: „Ich habe mal mit Leuten aus der Flugbranche gesprochen", berichtet Tabea Rößner. "Die haben mir gesagt: Wissen Sie was der höchste Energieverbrauch eines Fluges ist? Das ist neben der Küche das Streaming.“

Studiotechnik und virtuelle Welten

Da sich der Streaming-Verbrauch kaum zurückfahren lassen wird, setzt man hier auf erneuerbare Energien. Das gilt auch für neue Studiotechniken wie in Babelsberg, mit denen virtuelle Realität aufwendige Kulissenbauten und den Reiseverkehr von Filmcrews ersetzen soll.
Forciert wird die Idee des Green Storytelling - Film-Geschichten zu erzählen, deren Dreh umweltschonend ist: „Das gab es in der Vergangenheit auch schon: Verfolgungsjagden mit dem Fahrrad", nennt die Grünen-Politikerin ein Beispiel. "Dass das nicht immer mit dem Auto passieren muss, zeigen einige Filme ganz gut.“

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Zum Beispiel bei der ikonischsten Verfolgungsjagd der Filmgeschichte in „E.T“, wo die Helden auf dem Fahrrad in den Himmel fliegen.

Kein Traumschiff-Verbot

Trotzdem ist man sich einig, dass es auf keinen Fall inhaltliche Vorgaben für Filmproduktionen geben wird. Also wird man auch Autokarambolagen genauso weiter sehen können wie das „Traumschiff“, obwohl die Serie immer wieder als extremer Klimasünder angeprangert wird. Aber auch hier werden steigende Energiepreise vielleicht irgendwann zum Umdenken führen und die exotischen „Traumschiff“-Kulissen nicht in der Karibik, sondern in Babelsberg entstehen.

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