Grüne drohen mit Verfassungsklage
Der Parteivorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Reinhard Bütikofer, hat angesichts des Koalitionsvertrags die Prüfung einer Verfassungsklage angekündigt. Man dürfe nicht zulassen, dass die große Koalition von vornherein auf einem offenen Verfassungsbruch gegründet werde, sagte Bütikofer.
Sagenschneider: Dabei wollen wir nun im Deutschlandradio Kultur mit dem Parteichef sprechen. Was halten Sie denn von einer Klage in Karlsruhe? Würden Sie sich dem unter Umständen anschließen?
Bütikofer: Ich glaube, das muss man sehr ernsthaft erwägen. Ich war völlig platt, als ich das gehört habe, wie die Frau Merkel und der Herr Steinbrück das so vorgetragen haben, so als wären sie stolz darauf. Als wäre das irgendwie was besonders Positives, wenn man jetzt einfach sagt: Ja, wir wissen zwar, es passt nicht zur Verfassung, aber weil wir es gut meinen, müssen wir uns daran nicht halten. Ich glaube, das kann man nicht durchgehen lassen.
Sagenschneider: Und Sie glauben, eine Klage hätte auch eine Chance?
Bütikofer: Ich sage: Das muss man prüfen, das müssen die Juristen prüfen. So wie es die FDP auch gesagt hat. Aber ich glaube, man darf nicht zulassen, dass die große Koalition von vornherein auf einen offenen Verfassungsbruch gegründet wird.
Sagenschneider: Nun argumentieren ja diejenigen, die diesen Verfassungsbruch begehen wollen, nach dem Motto: Uns bleibt gar nichts anderes übrig, weil die Haushaltslage eben so desaströs ist, und würden wir sofort mehr einsparen, dann würden wir die Konjunktur endgültig abwürgen.
Bütikofer: Nun, dafür spricht ja auch vieles. Nur muss man dann die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen. Das lässt ja das Grundgesetz zu. Aber ohne das geht es nicht.
Sagenschneider: Und das Konjunkturprogramm, das SPD und Union auflegen wollen und für das sie ja auch Geld brauchen, ist das für Sie ein Argument für einen Verfassungsbruch?
Bütikofer: Ich glaube, man muss vor die Klammer ziehen, dass es politisch einfach nicht akzeptabel ist, dass man die Verfassung, weil man eine große Koalition ist, behandeln möchte wie einen Fetzen Papier. Und noch so schöne Begründungen und noch so wunderbare Ziele tragen das nicht. Der Weg zur Hölle ist immer mit guten Vorsätzen gepflastert. Ich glaube, man sollte sich auf diesen Weg nicht begeben.
Sagenschneider: Aber man ahnt jetzt schon, Herr Bütikofer, wie schwierig Opposition in Zeiten einer großen Koalition werden wird, oder?
Bütikofer: In der Tat.
Sagenschneider: Ein weiterer Kritikpunkt, auch der Grünen, das ist die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer. Sie, Herr Bütikofer, haben schon von einem „doppelten Wortbruch“ gesprochen, weil die SPD das im Wahlkampf ja auch noch ganz abgelehnt hatte und die Union von zwei Prozent Erhöhung gesprochen hatte – jetzt sollen es eben doch drei werden, und nur ein Prozent davon will man zur Senkung der Lohnnebenkosten verwenden. Gesetzt den Fall, man hätte die drei Prozent vollständig für die Senkung der Lohnnebenkosten eingeplant, hätten Sie sich dann damit anfreunden können?
Bütikofer: Auch dann hätte die Erhöhung der Mehrwertsteuer den großen Nachteil gehabt – und ich glaube, das ist nicht nur eine beiläufige Sache –, da sie droht, dramatisch die ohnehin schwächelnde Konjunktur zu ersticken. Trotzdem hätte man dann noch sagen können: Immerhin hat das Ganze eine gewisse Richtung. Weil, dass wir in der Tat dazu kommen müssen, die Lohnnebenkosten deutlich runterzubringen und eher umzusteigen, teilweise jedenfalls, auf eine Steuerfinanzierung, darüber kann man ja vernünftig reden. Nur, in diesem Moment drei Prozent Mehrwertsteuer anzukündigen und das Ganze unter die Überschrift „Mut und Menschlichkeit“ zu stellen, das hat auch irgendwie was Lächerliches. Es ist aber gefährlich. Eine gefährliche Lächerlichkeit. Und wenn man dann hinguckt, ein Prozent wollen die Länder sich nehmen, für ihre Haushalte, da frage ich mich dann schon, warum man eigentlich bestimmte Vorschläge, wie sie seit langem in der Öffentlichkeit diskutiert werden, wie man auch den Länderhaushalten aufhelfen kann, ganz ausklammert. Warum? Man hat doch geredet über die Erbschaftssteuer und will für betriebliche Erbschaften nach einem Übergang von zehn Jahren die Erbschaftssteuer fallen lassen – warum redet man nicht gleichzeitig über die hohen privaten Erbschaften, die in diesen Jahrzehnten gemacht werden, und redet darüber und legt fest, dass man die Steuersätze da angemessen nach oben anpasst?
Sagenschneider: Aber wird sich die Mehrwertsteuer, die Erhöhung, konjunkturell wirklich so negativ auswirken? Denn die bisherigen Erfahrungen mit Mehrwertsteuererhöhungen – liegen auch schon ein bisschen zurück, okay. –, aber die beweisen doch eher, dass es kaum Auswirkungen hat.
Bütikofer: Na, es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder das wird von den Unternehmen tatsächlich durchgesetzt am Markt, dann führt das zu einer massiven Beschneidung der Nachfragekraft der Abnehmer, der Kunden. Oder es lässt sich am Markt nicht durchsetzen, wie bei der letzten Mehrwertsteuererhöhung, die nur teilweise durchgesetzt werden konnte, weil einfach die Konkurrenzsituation es nicht zuließ, dann führt es zu einer deutlichen Beschneidung der Ertragskraft der Unternehmen. Ich glaube, das Hauptproblem liegt da bei den kleinen Mittelständlern, liegt bei den Handwerkern. Stellen Sie sich vor, wie oft in Zukunft die Frage gestellt werden wird: Mit oder ohne Rechnung? Wenn man nicht 16 Prozent dazufügen muss, sondern 19.
Bütikofer: Ich glaube, das muss man sehr ernsthaft erwägen. Ich war völlig platt, als ich das gehört habe, wie die Frau Merkel und der Herr Steinbrück das so vorgetragen haben, so als wären sie stolz darauf. Als wäre das irgendwie was besonders Positives, wenn man jetzt einfach sagt: Ja, wir wissen zwar, es passt nicht zur Verfassung, aber weil wir es gut meinen, müssen wir uns daran nicht halten. Ich glaube, das kann man nicht durchgehen lassen.
Sagenschneider: Und Sie glauben, eine Klage hätte auch eine Chance?
Bütikofer: Ich sage: Das muss man prüfen, das müssen die Juristen prüfen. So wie es die FDP auch gesagt hat. Aber ich glaube, man darf nicht zulassen, dass die große Koalition von vornherein auf einen offenen Verfassungsbruch gegründet wird.
Sagenschneider: Nun argumentieren ja diejenigen, die diesen Verfassungsbruch begehen wollen, nach dem Motto: Uns bleibt gar nichts anderes übrig, weil die Haushaltslage eben so desaströs ist, und würden wir sofort mehr einsparen, dann würden wir die Konjunktur endgültig abwürgen.
Bütikofer: Nun, dafür spricht ja auch vieles. Nur muss man dann die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen. Das lässt ja das Grundgesetz zu. Aber ohne das geht es nicht.
Sagenschneider: Und das Konjunkturprogramm, das SPD und Union auflegen wollen und für das sie ja auch Geld brauchen, ist das für Sie ein Argument für einen Verfassungsbruch?
Bütikofer: Ich glaube, man muss vor die Klammer ziehen, dass es politisch einfach nicht akzeptabel ist, dass man die Verfassung, weil man eine große Koalition ist, behandeln möchte wie einen Fetzen Papier. Und noch so schöne Begründungen und noch so wunderbare Ziele tragen das nicht. Der Weg zur Hölle ist immer mit guten Vorsätzen gepflastert. Ich glaube, man sollte sich auf diesen Weg nicht begeben.
Sagenschneider: Aber man ahnt jetzt schon, Herr Bütikofer, wie schwierig Opposition in Zeiten einer großen Koalition werden wird, oder?
Bütikofer: In der Tat.
Sagenschneider: Ein weiterer Kritikpunkt, auch der Grünen, das ist die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer. Sie, Herr Bütikofer, haben schon von einem „doppelten Wortbruch“ gesprochen, weil die SPD das im Wahlkampf ja auch noch ganz abgelehnt hatte und die Union von zwei Prozent Erhöhung gesprochen hatte – jetzt sollen es eben doch drei werden, und nur ein Prozent davon will man zur Senkung der Lohnnebenkosten verwenden. Gesetzt den Fall, man hätte die drei Prozent vollständig für die Senkung der Lohnnebenkosten eingeplant, hätten Sie sich dann damit anfreunden können?
Bütikofer: Auch dann hätte die Erhöhung der Mehrwertsteuer den großen Nachteil gehabt – und ich glaube, das ist nicht nur eine beiläufige Sache –, da sie droht, dramatisch die ohnehin schwächelnde Konjunktur zu ersticken. Trotzdem hätte man dann noch sagen können: Immerhin hat das Ganze eine gewisse Richtung. Weil, dass wir in der Tat dazu kommen müssen, die Lohnnebenkosten deutlich runterzubringen und eher umzusteigen, teilweise jedenfalls, auf eine Steuerfinanzierung, darüber kann man ja vernünftig reden. Nur, in diesem Moment drei Prozent Mehrwertsteuer anzukündigen und das Ganze unter die Überschrift „Mut und Menschlichkeit“ zu stellen, das hat auch irgendwie was Lächerliches. Es ist aber gefährlich. Eine gefährliche Lächerlichkeit. Und wenn man dann hinguckt, ein Prozent wollen die Länder sich nehmen, für ihre Haushalte, da frage ich mich dann schon, warum man eigentlich bestimmte Vorschläge, wie sie seit langem in der Öffentlichkeit diskutiert werden, wie man auch den Länderhaushalten aufhelfen kann, ganz ausklammert. Warum? Man hat doch geredet über die Erbschaftssteuer und will für betriebliche Erbschaften nach einem Übergang von zehn Jahren die Erbschaftssteuer fallen lassen – warum redet man nicht gleichzeitig über die hohen privaten Erbschaften, die in diesen Jahrzehnten gemacht werden, und redet darüber und legt fest, dass man die Steuersätze da angemessen nach oben anpasst?
Sagenschneider: Aber wird sich die Mehrwertsteuer, die Erhöhung, konjunkturell wirklich so negativ auswirken? Denn die bisherigen Erfahrungen mit Mehrwertsteuererhöhungen – liegen auch schon ein bisschen zurück, okay. –, aber die beweisen doch eher, dass es kaum Auswirkungen hat.
Bütikofer: Na, es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder das wird von den Unternehmen tatsächlich durchgesetzt am Markt, dann führt das zu einer massiven Beschneidung der Nachfragekraft der Abnehmer, der Kunden. Oder es lässt sich am Markt nicht durchsetzen, wie bei der letzten Mehrwertsteuererhöhung, die nur teilweise durchgesetzt werden konnte, weil einfach die Konkurrenzsituation es nicht zuließ, dann führt es zu einer deutlichen Beschneidung der Ertragskraft der Unternehmen. Ich glaube, das Hauptproblem liegt da bei den kleinen Mittelständlern, liegt bei den Handwerkern. Stellen Sie sich vor, wie oft in Zukunft die Frage gestellt werden wird: Mit oder ohne Rechnung? Wenn man nicht 16 Prozent dazufügen muss, sondern 19.