Grüne Aufbruchstimmung

Von Jürgen Webermann · 25.08.2011
Obwohl in Indien an 300 Tagen im Jahr die Sonne scheint, basiert die Stromerzeugung vor allem auf Kohle und Öl - bislang jedenfalls. Doch jetzt hat die Regierung die erneuerbaren Energien für sich entdeckt.
Die Hallen auf Neu Delhis Messegelände sind ausgebucht. In den kühlen Konferenzsälen wechseln ständig Themen und Redner. Firmenvertreter aus aller Welt bummeln über die Stände. Die India Renewables Expo ist die bedeutenste Messe für erneuerbare Energien im Land.

Um Madhusudan Khemka bildet sich eine kleine Menschentraube. Junge Ingenieure sind darunter, in ihren Augen spiegeln sich Ehrgeiz, Unternehmergeist, Neugierde – sie bitten Firmenchef Khemka um nützliche Tipps. Khemka hat eine Firma für Windturbinen aufgebaut, Regen Powertech heißt sie. Vier Jahre ist ihre Gründung her, und ihre Wachstumsraten verdeutlichen, wie sehr Indien auch nach erneuerbaren Energien giert:

"Es gibt zwar bereits einen Wettbewerb, aber genug Platz für Firmen wie uns. Wir sehen ein großes Potenzial. Im Moment wachsen wir jährlich um 100 Prozent, und das wird noch etwas so weiter gehen. Aber selbst mittelfristig rechne ich mit Raten von 50 bis 60 Prozent."

Es herrsche Aufbruchstimmung, fügt Khemka hinzu. Denn um sein enormes Wirtschaftswachstum von derzeit mehr als acht Prozent aufrecht zu erhalten, muss Indien seinen gewaltigen Energiehunger stillen. Ungefähr die Hälfte der Stromproduktion basiert noch auf Kohle. Gas und Öl sind auch in Indien sehr knappe Ressourcen. Derzeit baut der französische Areva-Konzern das größte Kernkraftwerk der Welt in der Nähe von Mumbai. Und die Regierung hat die Erneuerbaren Energien für sich entdeckt. 50.000 Megawatt allein an Windenergie in den kommenden zehn Jahren, damit rechnen die Behörden – das wäre ein Drittel der gesamten derzeitigen Stromproduktion Indiens. Doch diese Zahl sei immer noch viel zu konservativ, sagt DV Giri, Vizepräsident des Welt-Windenergie-Rates.

"Die aktuellen Studien sprechen von einem Potenzial von 250.000 Megawatt in Indien, das sind die Zahlen, über die wir sprechen."

Das würde bedeuten, dass allein Windenergie mehr Strom bereit stellen würde als alle Energieträger derzeit zusammen. Der derzeitige mögliche Beitrag der Windenergie liegt bei 15.000 Megawatt, rund zehn Prozent der Gesamtproduktion – und das Zehnfache dessen, was Windräder noch vor zehn Jahren in Indien geleistet haben. Große Konzerne wie Suzlon haben sich längst ein internationales Renommé aufgebaut. In den Wüsten Rajasthans und vor allem in Südindien stehen die meisten Windparks. Ähnlich rasant entwickelt sich die Produktion von Sonnenstrom. Erst Anfang August unterzeichnete die deutsche KfW-Bank einen Darlehensvertrag für das weltgrößte Solarkraftwerk, das in Westindien gebaut werden soll. 400.000 Menschen, so der Plan, sollen den Sonnenstrom nutzen können. DV Giri, eigentlich ein Wind-Mann, sieht auch hier große Chancen:

"Sehen Sie, das Land, das wir für die Windparks nutzen, können wir gleichzeitig auch für Solarzellen nutzen. Diese beiden Energieträger können bei uns wunderbar nebeneinander existieren."

An Ideen mangelt es nicht. Ein wenig mehr Vision erwarten Unternehmer wie Khemka aber schon von ihrer Regierung in Neu Delhi. Denn die setze noch zu sehr auf konventionelle Energien. Dabei, glauben DV Giri und Madhusudan Khemka, gehört auch in Indien den Erneuerbaren Energien die Zukunft.