Grün Bauen

Skandinavien ist der Vorreiter

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Panorama of Nyhavn in Copenhagen, Denmark: Ein Schiff im Vordergrund.
Blick auf den Nyhaven in Kopenhagen: Die Stadt plant CO2 freie Quartiere und bindete die Bevölkerung von Anfang an in Bauprojekte mit ein. © imago images / Panthermedia
Nikolaus Bernau im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 30.12.2019
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In der Architektur spielt Klimapolitik eine immer größere Rolle. Dabei hat Deutschland viel aufzuholen: "Skandinavien ist uns um etwa drei Jahrzehnte voraus", sagt der Architekturkritiker Nikolaus Bernau.
Zumindest in der politischen Rhetorik sei das Thema Klima mit all seinen Aspekten bei Architekten und Investoren in Deutschland angekommen, findet der Architekturkritiker Nikolaus Bernau. Gut beobachten konnte man das bei dem Neubau des Springer-Verlags in Berlin. Die Investoren hätten besonders betont, wie grün das Dach sei sowie "dass man ganz ökologisch gebaut habe und dass eine riesige Fahrradabstellanlage mit eingebaut wurde. Nicht so gerne wurde erwähnt, dass es zwei Tiefgeschosse für Autos gibt", so Bernau.

Nullenergiehaus ist Standard in Skandinavien

Doch Rhetorik alleine macht noch keine effiziente ökologische Bebauung aus. "Man muss ganz klar sagen: Skandinavien ist uns um etwa drei Jahrzehnte mindestens voraus", betont Bernau. "Die haben in den 1990er Jahren das Nullenergiehaus zum Standard für Einfamilienhäuser gemacht. Dort gilt die Sanierung von Sozialbauten aus den 50er- und 60er-Jahren als abgeschlossen. Das heißt, die haben eine riesen Vorleistung gebracht."
In Skandinavien sei Ökologie kein Sahnehäubchen, das oben drauf komme. So werden in Städten wie Kopenhagen selbstverständlich neue Quartiere CO2-frei geplant und die Bevölkerung von Anfang an in den Prozess mit eingebunden, erklärt Bernau. Deutschland hinkt Skandinavien bei solchen Bauprojekten gnadenlos hinterher.
Ein gutes Beispiel sei das Projekt für das Museum der Moderne, das in Berlin auf dem Kulturforum geplant ist. "Da wird von Ökologie überhaupt gar nicht geredet. Das ist eine riesige Betonkiste", so Bernau. Dabei sei Beton einer der schädlichsten Bauträger, was die Energiebilanz angehe. "Neueste Zahlen zeigen, dass alleine der Stahlbeton für so viel CO2-Ausstoß verantwortlich ist, wie die gesamten Volkswirtschaften von Großbritannien und den Niederlanden zusammen", erklärt Bernau. "Und in Berlin wird ein neues Museum für moderne Kunst gebaut, aber über Energie, über Klima, über Ökologie wird da überhaupt nicht debattiert."

Altes erhalten

Dabei seien das Entscheidende gar nicht Neubauten, sondern vor allem, wie man mit bestehenden Bauten umgehe. "Das heißt, wie wir die energetisch angemessen sanieren, wie wir sie überhaupt erhalten und pflegen. Einer der größten Energieverschwender ist Abriss. Das heißt, die Zerstörung von sogenannter grauer Energie dadurch, dass man das Gebäude einfach wegwirft", so Bernau. Bis in die 1850er-Jahre sei es vollkommen normal gewesen, dass Material immer wiederverwendet worden wäre: "Deswegen haben wir beispielsweise im Dachstuhl von Notre-Dame noch gotische Dachgestühle gefunden. Die wurden über alle Modernisierung immer weiter benutzt. Und diese Haltung, die muss im Grunde genommen wiederkommen. Das ist übrigens gar nicht so neu als Erkenntnis. Das weiß man schon seit etwa 40 Jahren."
Auch nicht neu ist die Erkenntnis, dass Baumaterialien anders benutzt werden müssten. "Also nehmen wir zum Beispiel das, was wirklich im Luxus-Wohnungsbau ist: Wir machen überall schönes Holz und wir machen viel Öko und die Wände können atmen und so weiter. Das muss in den ganz normalen Wohnungsbau, in den Massenwohnungsbau hineinkommen, damit es auch wirklich einen klimatechnischen Wert entfalten kann", sagt Bernau.
(nho)
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