Grossprojekt

"Geburt eines Museums"

Der französische Präsident Francois Hollande und Scheich Sultan bin Tahnoon Al Nahyan, Vorsitzender der Abu Dhabi Authority For Culture & Heritage (ADACH), bei der Eröffnung der Ausstellung "Geburt eines Museums" in Paris.
Der französische Präsident Francois Hollande und Scheich Sultan bin Tahnoon Al Nahyan, Vorsitzender der Abu Dhabi Authority For Culture & Heritage (ADACH), bei der Ausstellungseröffnung in Paris. © picture alliance / dpa
Von Kathrin Hondl · 01.05.2014
Es ist ein weltweit einmaliges Projekt und Frankreichs größte Kulturbaustelle: Der Louvre Abu Dhabi. Im Dezember 2015 soll Eröffnung sein, was dort dann zu sehen sein wird, zeigt nun eine Ausstellung im Pariser Louvre.
Ein monumentales Architekturmodell präsentiert im Pariser Louvre Jean Nouvels Entwurf für den sogenannten "Wüstenlouvre“: Ein sagenhafte 64.000 Quadratmeter großes Areal, gekrönt von einem riesigen weißen Kuppeldach. Vor ziemlich genau sieben Jahren, im März 2007 leitete ein Staatsvertrag zwischen dem Emirat Abu Dhabi und der französischen Republik diese "Geburt eines Museums“ ein.
Eine Geburt mit Komplikationen: Das Projekt "Louvre Abu Dhabi“ war in Frankreich heftig umstritten. Es gab Petitionen und Polemik, von "Kommerzialisierung und Ausverkauf der nationalen Museen“ war die Rede. Und auch in Abu Dhabi lief längst nicht alles rund. Verspätungen auf der Baustelle, langwierige Diskussionen über Ankäufe für die Sammlung, unzufriedene Scheichs – viel Sand knirschte da im Getriebe des "Wüstenlouvre“, der eigentlich schon 2012 eröffnen sollte.
Laurence des Cars, Direktorin des Pariser Orangerie-Museums hat bis vor kurzem als wissenschaftliche Leiterin die Arbeit der französischen Museen für den Louvre Abu Dhabi koordiniert – ein, wie sie sagt, "sehr komplexes Großprojekt“.
"Wir hatten wahnwitzige Ambitionen und zwei Länder mit völlig unterschiedlichen Kulturen. Für unsere Freunde in Abu Dhabi war das eine völlig neue Erfahrung – es gibt dort kein Museum. Da muss man viel erklären, was Ankaufspolitik für ein Museum bedeutet, was überhaupt ein Museum ist. In den Emiraten kennen sie sich mit großen Bauprojekten aus, aber es fehlt an kultureller Expertise. Deshalb wurden wir ja auch engagiert."
Kunstgeschichte anders erzählt
Mit dem Know-how der französischen Museumsleute wurden in den vergangenen Jahren an die 400 Kunstwerke für den Louvre Abu Dhabi gekauft. Darunter sind einige echte Meisterwerke, die jetzt im Pariser Louvre zu sehen sind. Ein Bild von Piet Mondrian zum Beispiel – die "Komposition mit blau, rot, gelb und schwarz“ aus dem Jahr 1922. Eine wunderbare "Madonna mit Kind“ des venezianischen Renaissance-Malers Giovanni Bellini oder – damit beginnt die Ausstellung – ein sehr schönes Exemplar aus der Serie der "baktrischen Prinzessinnen“, kleinen Figurinen aus dem Zentralasien des späten dritten und frühen zweiten Jahrtausends vor Christus.
Asiatische Kunst ist einer der Schwerpunkte der Sammlung – sie macht ein Drittel der bisher gekauften Werke aus. Das hat zum einen damit zu tun, dass der internationale Kunstmarkt in diesem Segment deutlich mehr zu bieten hat als etwa Gemälde der Renaissance. Aber im Louvre Abu Dhabi gehe es auch darum, die Kunstgeschichte anders zu erzählen als gewohnt, sagt Laurence des Cars.
"Ziel ist eine möglichst vollständige Sammlung, die alle Kulturen einbeziehen will und nicht nur Europa und Amerika im Blick hat. Die Kunstgeschichte hat sich da lange sehr beschränkt, und es fällt uns immer noch schwer, Bezüge zwischen der westlichen Welt und der asiatischen oder der muslimischen Welt herzustellen. Der Louvre Abu Dhabi wird das versuchen. Es ist ein neuer dezentralisierter Blick. Europa ist weit weg, wenn man in Abu Dhabi ist. Daraus ergeben sich andere Schwerpunkte für die Präsentation der Kunst."
Keinerlei Zensur ausgeübt
Der universelle Geist des neuen Museums wird in der Pariser Ausstellung besonders betont. Eine Christusfigur aus dem 16. Jahrhundert ist da neben einer afrikanischen Holzskulptur und einer tanzenden indischen Shiva aus Bronze zu sehen - gegenüber einer mittelalterlichen Koranhandschrift aus Syrien und einer Thora aus dem Jemen.
Anders als von vielen befürchtet habe das streng muslimische Abu Dhabi beim Ankauf der Sammlung keinerlei Zensur ausgeübt, sagt Laurence des Cars. Weder bei religiösen Objekten noch bei Werken, die nackte Körper zeigen, habe es Einschränkungen gegeben.
"Die Sammlung spiegelt unsere Ansprüche – hohe Qualität, Offenheit, keine Zensur. Davon können sich jetzt endlich auch die Franzosen überzeugen, die das Projekt am Anfang so scharf kritisiert hatten. Und ich hoffe, dass jetzt auch Schluss ist mit Polemik und Fehlinformationen."
Der Anspruch, quasi aus dem Nichts im Wüstensand ein "universelles Museum“ mit Kunst aller Epochen, Kontinente und Kulturen zu schaffen ist allerdings enorm, um nicht zu sagen: utopisch. Trotz des beachtlichen Ankaufetats von jährlich 40 Millionen Euro wird die Sammlung des Louvre Abu Dhabi wohl lückenhaft bleiben.
Die meisten Meisterwerke hängen eben schon in den großen Museen dieser Welt. Viele davon in Frankreich. 300 Werke aus französischen Museen, so sieht es der eine Milliarde schwere Staatsvertrag vor, sollen deshalb in den ersten Jahren als Leihgaben die junge Sammlung in Abu Dhabi ergänzen. Welche Schätze Frankreich dann verlassen werden, darüber wird bereits heftig spekuliert.