Großes Misstrauen

Von Gesine Dornblüth · 09.10.2013
Ilham Alijew regiert Aserbaidschan seit zehn Jahren - und autoritär. Vor einigen Jahren hat er die Verfassung ändern lassen. Erst so wurde eine dritte Amtszeit möglich, über die nun abgestimmt wird. Wir haben uns am Wahltag in Baku umgesehen.
Ein Wahllokal in einer Schule im Zentrum von Baku. Links im Eingang hängt ein Porträt von Heydar Alijew, Präsident Aserbaidschans bis 2003. Daneben weitere Fotos von Heydar Alijew im Kreise von Schülern. Und ein Zitat Heydar Alijews: "Unser Volk ist berühmt durch seine Intellektuellen, seine Kultur und seine Wissenschaft." Gegenüber, rechts im Eingang zum Wahllokal, hängen leere Bilderrahmen.

Gewöhnlich sind dort Fotos des Sohnes zu sehen, von Ilham Alijew, dem derzeitigen Präsidenten Aserbaidschans und erneutem Kandidaten. Für den Wahltag wurden sie abgenommen. Ein Zitat Ilham Alijews allerdings ist geblieben: "Wir wollen, dass unsere Jugend gebildet und patriotisch ist."

Ein Mann holt seine Wahlbenachrichtigung und seinen Pass aus der Jackentasche. Schamil Samedow ist pensionierter Offizier.

"Ich werde unseren Präsidenten Ilham Alijew wählen. Denn unter ihm geht es bergauf. Nehmen Sie die Straße hier. Alle Fassaden wurden neu gemacht. Einige alte Häuser werden abgerissen. Meines auch, aber dafür bekomme ich eine Entschädigung. Alles wird besser. Unser Wirtschaftswachstum ist weltspitze. Dank unserem viel verehrten Präsidenten Ilham Alijew."

Der Ölboom brachte Aserbaidschan zeitweise ein Wirtschafswachstum von rund 36 Prozent. Kritiker sagen: Der Großteil der Einnahmen fließt in die Taschen weniger einflussreicher Clans. Eine Straßenecke weiter wäscht Rafael sein Auto. Seinen Nachnamen möchte er lieber nicht sagen. Er arbeitet als Taxifahrer und hat seine Stimme bereits am frühen Morgen abgegeben, für den Kandidaten der vereinigten demokratischen Opposition.

"Für Professor Dschamil Hasanli. Wenn er nur die Hälfte dessen einhält, was er verspricht, wird unser Leben besser. Er will dafür sorgen, dass die Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport endlich dem Staat zugute kommen und nicht verschwinden. Die Korruption muss ein Ende haben, und dass die Macht vererbt wird, auch."

Zahlreiche Wahlbeobachter im Land
Rafael glaubt allerdings nicht, dass der Kandidat der Opposition eine Chance hat. Notfalls werde das Präsidentenlager das Ergebnis zu Gunsten Alijews fälschen. Dass Misstrauen gegenüber den Behörden ist groß. Aus gutem Grund. Bisher galt keine Wahl in Aserbaidschan als fair und frei.

Und auch dieses Mal haben einheimische Wahlbeobachter und Menschenrechtler bereits im Vorfeld zahlreiche Mängel festgestellt: Druck auf unabhängige Medien sowie Einschränkungen der Versammlungsfreiheit.

Der "Human Rights Club" Aserbaidschan hat 142 politische Gefangene im Land gezählt. Auch seien administrative Ressourcen zugunsten des Amtsinhabers eingesetzt worden, sagt Anar Mammadli, Leiter der lokalen Wahlbeobachterorganisation EMDS. Die EMDS hat etwa tausend Freiwillige rekrutiert, die heute die Wahl beobachten.

"Wir sind aber nicht in der Lage, Fälschungen am Wahltag flächendeckend zu bekämpfen. Die Regierung hat 40.000 Beobachter organisiert, dazu haben sie noch 10 bis 20.000 Leute in den Wahlkommissionen. Die können machen, was sie wollen. Wir sind machtlos."

Auch internationale Beobachter sind da, 270 von der OSZE und etwa drei Dutzend vom Europarat. Ihr Ansehen in der Bevölkerung ist allerdings gering. Denn in der Vergangenheit fiel die Kritik der Internationalen an den Wahlen in Aserbaidschan trotz offensichtlicher Mängel recht verhalten aus. Anfang des Jahres lehnte es die Parlamentarische Versammlung des Europarates sogar ab, Aserbaidschan zur Freilassung seiner politischen Gefangenen aufzufordern.

Wahlbeobachter Anar Mammadli: "Wir fürchten, dass einige politische Gruppen aus europäischen Ländern hier eher die politischen Interessen ihrer Regierungen vertreten und deshalb eher das Regime unterstützen. Das bereitet uns Sorge. Und ich rufe sie dazu auf, den Wahltag neutral und objektiv zu verfolgen."

Die Wahllokale schließen um 16 Uhr deutscher Zeit. Mit ersten Ergebnissen wird am späten Abend gerechnet.
Wahlurne in Baku, Aserbaidschan
Wahlurne in Baku© Deutschlandradio / Gesine Dornblüth
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