Großer Kämpfer mit kleinen Mitteln

Von Susanne Luerweg · 26.09.2011
Szenen aus dem Spanischen Bürgerkrieg, eine Straßenschlacht in Berlin-Kreuzberg, eine Hausbesetzung in Köln – das alles im Maßstab von 1:35. Der Kölner Geschichtslehrer Matthias Schmeier baut in seiner Freizeit historische Ereignisse als Modelle nach: Dioramen, so nennt man diese naturgetreuen Darstellungen der Wirklichkeit.
"Ja, das ist er der Keller. Und im Moment renoviere ich ein Altes von mir und das ist Beirut, bzw Sabra und Schatilla soll das darstellen.".

Der Nahostkonflikt im Keller: In den Modellbauten von Matthias Schmeier wird gestorben, geschrieen und getobt.

"Das ist jetzt so ein Vorentwurf von dem Osteraufstand in Dublin, wo die Iren gegen die Engländer den Aufstand gemacht haben. Die Figuren sind fertig, die Autos sind fertig. Jetzt fehlen nur noch die Häuser und die Grundplatte. Das dauert bestimmt noch ein Jahr, wieder."

Diese Dioramen haben nichts mit der üblichen heilen Modellbauwelt zu tun. Der 46-jährige Kölner lässt keine Eisenbahnen durch idyllische Landschaften fahren. Hier herrschen Revolution und Bürgerkrieg. Trotzdem blickt der groß gewachsene Mann fast liebevoll auf seine kunstvoll gestalteten Autos, Demonstranten und Häuser. Er schwelgt in Erinnerungen. Denkt an die Zeit, als er mithilfe eines Austauschprogramms für junge Arbeitnehmer in Irland war, um sein Englisch aufzubessern.

"Ich hab da so meine Kneipe in Belfast, in die ich da immer rein gegangen bin, die habe ich da verewigt. Und vorne auf der Straße ist wieder so eine kleine Hausdurchsuchung. Polizei sperrt ab, da geht es auch direkt rund. So habe ich es auch erlebt."

Matthias Schmeier ist damals viel in der Welt herumgekommen. Hat Krisengebiete wie Nordirland, Vietnam und Nicaragua bereist. Überall hat er eine Zeit lang gelebt, Geschichte geatmet, Eindrücke gesammelt, die später in seine künstlichen Welten eingeflossen sind.

"'"Ich habe auch immer eine Seite, wo ich dahinter stehe. Ich könnte jetzt nicht irgendeine Revolution bauen, wo ich nicht hinter stehe. Zum Beispiel die Revolution im Iran damals - Ayatolla Khomeini - kann ich mich nicht mit identifizieren, also es ist völlig fremd, hätte ich kein Zugang zu. Da muss ein Funke überspringen.""

Angefangen hat alles Mitte der 80er. Damals war Matthias Schmeier weit von einem bürgerlichen Leben entfernt. Er lebte in einer WG in Köln, war aktiv in der Hausbesetzerszene und mischte im schwarzen Block mit. So war denn auch sein erstes Werk ein Wasserwerfer.

"Wenn ihr angegriffen werdet, ruft diese Nummer an!"

Wenn man den sympathischen Geschichtslehrer heute sieht, kann man sich seine Vergangenheit als Hausbesetzer kaum vorstellen. Dezente Brille, halblanges Haar steht er die meiste Zeit lächelnd zwischen seinen Modellen. Matthias Schmeier lebt mit seiner Frau, einer katholischen Theologin, und zwei kleinen Kindern am Stadtrand von Köln. Ein erster Schritt in Richtung bürgerliche Normalität: Eine Buchhändlerlehre mit Mitte zwanzig. In einem linken Buchladen, versteht sich.

"Ja, aber Buchhändler ist ein brotloses Geschäft, man ist hoch qualifiziert, verdient aber weniger als bei Aldi an der Kasse. Und von daher hatte es keinen Sinn gehabt. Und in der Zeit habe ich mein Abitur gemacht an der Abendschule und hab dann anschließend ein Studium drangehängt."

Studiert hat er dann Volkswirtschaftslehre und Politik. Matthias Schmeier wollte verstehen, wie die Wirtschaft das Weltgeschehen bestimmt. Und warum so viele Revolutionen gescheitert sind. Doch schon damals beschäftigte er sich mit diesen Fragen am liebsten anhand seiner Modelle. Seine Werke bevölkern inzwischen das ganze Haus. Der Spanische Bürgerkrieg wird hier genauso lebendig wie der Prager Frühling.

"August, kurz nach Mitternacht. Panzer rollen durch Prag. Invasion der Bruderstaaten."

"Da vorne ist der Mann der die Brust vor dem Panzer entblößt. Das war einfach nur ein Bürger von Prag."

In der Regel dauert es mehrere Monate bis ein Diorama fertig ist; oft arbeitet Matthias Schmeier parallel an zwei Werken. Da es im klassischen Modellbau nur männliche Figuren zu kaufen gibt, schafft er seine Frauen und Kinder selbst. Sein Keller gleicht Frankensteins Labor. Arme, Beine, Köpfe – alles einzeln zu haben.

"Ich habe schon ein gewisses Bild. Wenn ich die Figuren auf das Bild einpflanze und festklebe, dann sprechen die irgendwann miteinander."

Noch hat Matthias Schmeier Schwierigkeiten seine Werke auszustellen. Modellbauer winken sofort ab, wenn er von Sarajewo, Sabra und Schatila oder der Münchener Räterepublik spricht. Kürzlich hatte er eine kleine Ausstellung im Rahmen des Kölner Popdesignfestivals.

Gerade kam ein Anruf aus Berlin. Es soll eine Schau zu 30 Jahre Hausbesetzung geben. Matthias Schmeier weiß auch schon, welches Diorama er den Berlinern auf jeden Fall schicken will.

"Das ist hier ein altes heruntergekommenes Haus, das ist besetzt und die Polizei versucht zu räumen und die Demonstranten wehren sich recht militant gegen diese Räumung von der Polizei."