Großer Geist oder Vordenker der Nazis

Von Annette Wilmes · 11.07.2013
Aus einfachen Verhältnissen erkämpfte sich Carl Schmitt den Weg bis an die Spitze der Rechtswissenschaft. Mit seinen Schriften bahnte er den Nationalsozialisten den Weg - wovon er sich nie distanzierte. Später in der Bundesrepublik baute er an seinem Mythos, der bis heute nachwirkt.
An Carl Schmitt scheiden sich bis heute die Geister. Die einen sehen in dem berühmten Staatsrechtler den Totengräber der Weimarer Republik und ideologischen Vordenker der Nazis; die anderen schwärmen von ihm als einen großen Geist und brillanten Autor.

Anfang der 30er-Jahre gehörte Carl Schmitt zum engeren Berater- und Freundeskreis des Reichskanzlers Kurt von Schleicher. Der war seit Dezember 1932 der letzte Reichskanzler vor Hitler. An die Ereignisse im Januar 1933 erinnerte sich Carl Schmitt 40 Jahre später in einer Rundfunksendung:

"Die Situation für mich war die, ich war aus dem Rennen ausgeschieden, soweit ich überhaupt im Rennen war, als hintergründiger Berater. Schleicher war am 28., also Samstagmittag, entlassen worden, auf eine für unseren Geschmack, also für die Freunde Schleichers, schmähliche und schändliche Weise."

Schmitt war am Untergang der Weimarer Republik nicht unschuldig. Als Reichskanzler von Papen im Juli 1932 die preußische Regierung stürzte, bestätigte Schmitt die Rechtmäßigkeit des Putsches in einem Gutachten. Mehr noch: Seine Schriften trugen während der ganzen Weimarer Zeit dazu bei, die demokratische Verfassung zu untergraben. Am 30. Januar 1933 dann war das Ende der Weimarer Republik besiegelt. An diesem Tag ging Carl Schmitt, so erinnerte er sich später, ins Café Kutschera:

"Wo ich hörte, dass Hitler zum Reichskanzler und Papen also zum Vizekanzler ernannt ist. Aufgeregt und irgendwie erleichtert, wenigstens eine Entscheidung."

Das war das, was Carl Schmitt immer wollte: eine klare Entscheidung. Auch deswegen war er ein Gegner der parlamentarischen Demokratie, die ja vom Kompromiss lebt.

Carl Schmitt, am 11. Juli 1888 als Sohn eines katholischen Kaufmanns geboren, genoss eine humanistische Bildung. Er studierte Jura in Berlin, München, Straßburg, wurde Professor zunächst in Greifswald, dann in Bonn, später in Berlin. Ende der 20er-Jahre war er bereits einer der führenden Staatsrechtler. Der erste Satz in seiner "Politischen Theologie" lautet:

"Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet."

Dieser Satz wird auch heute noch gern von autoritär denkenden Politikern zitiert. Berühmt wurde Carl Schmitt mit seiner 1932 erschienen Schrift "Der Begriff des Politischen", in der er Politik definierte als Kampf zwischen Freund und Feind. Warum sich der Staatsrechtler Carl Schmitt den Nationalsozialisten andiente, erklärte er später so:

"Ich war kein Eremit, ich interessiere mich auch für die Gespräche, die kamen ja immer, jeden Tag gelaufen. Wusste ja keiner, um die schöne Redensart zu gebrauchen, wohin der Hase lief. Und Hitler gab sich von der nettesten Seite, alles war entzückt. Wir waren alle beeindruckt."

1934 rechtfertigte er mit seinem Artikel in der Deutschen Juristenzeitung "Der Führer schützt das Recht" die von Hitler angezettelten Morde nach dem sogenannten Röhmputsch. Er tat dies, obwohl auch sein Freund Kurt von Schleicher und dessen Frau den Mördern zum Opfer gefallen waren.

"Der wahre Führer ist immer auch Richter. Aus dem Führertum fließt das Richtertum."

Schmitt hetzte offen gegen die Juden. Im Oktober 1936 organisierte er eine Fachkonferenz über "Das Judentum in Rechts- und Wirtschaftswissenschaft". Er bezeichnete die jüdischen Kollegen als Parasiten. Antisemitische Äußerungen finden sich auch in seinen Schriften nach dem Krieg.

1947 zog sich Carl Schmitt in seine Heimatstadt Plettenberg im Sauerland zurück. Er ging nicht mehr an eine Universität, schrieb und publizierte aber weiter. Wichtige Werke entstanden, wie "Der Nomos der Erde" und "Die Theorie des Partisanen". Plettenberg wurde zu einem Wallfahrtsort. Schmitt empfing Freunde und Bewunderer, darunter den Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde, den Publizisten Johannes Gross, aber auch Ernst Jünger und Nicolaus Sombart. Schmitt starb im April 1985 im Alter von fast 97 Jahren. Zu seinen schärfsten Kritikern gehörte der Politologe Kurt Sontheimer, der in der Wochenzeitung "Die Zeit" schrieb:

"Recht war für ihn primär ein Instrument von Macht, das er kalt analysierte und für Machtzwecke funktionalisierte. Wem die liberale, das heißt, die freiheitliche Demokratie am Herzen liegt, der braucht Carl Schmitt nicht."
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