Großer Affe, großes Herz, doch wenig Neues
Rolf Giesen, Experte für den fantastischen Film vom Filmmuseum Berlin, sieht den Film "King Kong" von Peter Jackson als überflüssig an. Die Geschichte des Films sei nicht mehr zeitgemäß, es gäbe heute andere Themen, so Giesen. Faszinierend sei allein die Fülle der Spezialeffekte.
Nessler: Der Mythos King Kong. Was macht den alten Gorilla so interessant? Darüber wollen wir reden mit Rolf Giesen vom Filmmuseum Berlin. Herr Giesen, Ihr Spezialgebiet ist der fantastische Film, der Monster- und der Horrorstreifen. Sie haben den neuen "King Kong" gesehen. Funktioniert die Neuauflage denn?
Giesen: An der Kinokasse vielleicht, obwohl Break Even wird etwa über 500 Millionen Dollar sein müssen. Erst ab dem Moment wird der Film wirklich für die Produzenten einspielen. Man sagt aber, ja, als Blockbuster kann er einige Wochen funktionieren, aber ich las heute, ich glaube, in der Frankfurter Rundschau, das sei schon ein Klassiker, dieser neue Film sei ein Klassiker, und ich habe den Kopf geschüttelt und sage, nein, dieser Film wird in spätestens einem halben Jahr vergessen sein.
Nessler: Was hat Ihnen denn missfallen?
Giesen: Nun, diese Geschichte, ich frage mich die ganze Zeit, ich habe mich Jahrzehnte mit dieser Geschichte des alten Films beschäftigt, aber ich frage mich, was sucht das heute, was sucht diese Geschichte von einem großen Gorilla, der mit einer weißen Frau zusammenkommt und in New York zusammengeschossen wird wie ein übergroßer Terrorist, was hat das in der heutigen Zeit zu suchen? Haben wir nicht andere Themen, haben wir heute nicht größere Geschichten?
1933 war es noch eine Geschichte der Unschuld, das Tonfilmkino war noch in den Kindertagen, die Leute waren, ja, sie waren nicht so sophistiziert wie heute. Worüber wir staunen, wenn wir Peter Jacksons Film sehen, das sind die großen Effekte. Es sind Tausende von Szenen mit Computeranimation. Der Film hat einen langen Prolog, etwa 80 bis 90 Minuten, aber dann kommt es knüppeldick, eine Sensation jagt die nächste.
Nessler: Sie haben es gerade gesagt. Peter Jackson sagt, es gibt nichts auf der Welt, was den Mythos des Originalfilms zerstören könnte. Da fragt man sich natürlich, warum er ein Remake dreht. Was meinen Sie?
Giesen: Er ist besessen von dem Thema gewesen, seitdem er ihn im Fernsehen als Kind gesehen hat, und immer wieder hat er probiert, auch an Relikte aus dem Film heranzukommen. Es war eine quasi religiöse Verehrung, und durch den "Herrn der Ringe" konnte er sich erlauben, alles durchzusetzen, also auch die Neuverfilmung. Die Neuverfilmungsrechte lagen bei Universal, die sind schon einmal gescheitert daran in den siebziger Jahren, da gab es einen Krieg mit dem Produzenten Dino de Laurentiis. Laurentiis hat gewonnen; diesmal hat Universal gewonnen, hoffen die zumindest. Es gibt ein Bedenken: Man hat bei Tests herausgefunden, dass Frauen auf diesen Mythos nicht so sehr reagieren, spricht wohl eher Männer an.
Nessler: Dabei ist das Monster, das große, hässliche, ja durchaus charmant.
Giesen: Ja, es sind sehr viele Szenen in diesem Film, der zwar auf dem alten Drehbuch basiert, aber den Mythos neuinterpretiert. Es sind sehr viele romantische Szenen in dem Film. Etwas, was ich nie gesehen habe, ist: New York ist in Eis und Schnee und King Kong tanzt mit Ann Darrow, der Protagonistin, auf dem Eis. Das ist eine wunderschöne Szene, wie sie fast aus einem Walt-Disney-Film kommt. Es ist also ein Film zwischen Splatter, zwischen "Heart of darkness" von Joseph Conrad, zwischen "Jurassic Park", "Godzilla", und Walt Disney, der "Samson und Delilah", "Die Schöne und das Biest" thematisiert, aber keine dieser Kritiken hat jemals erwähnt, woher dieser Film überhaupt kommt. Er kommt nämlich, die Geschichte von King Kong ist auch geklaut, das hat leider Gottes, ich habe es in keinem Artikel gelesen, vielleicht sind Sie interessiert, woher das kommt.
Nessler: Ja, jetzt sind wir aber gespannt, Herr Giesen.
Giesen: 1931 gab es einen winzigen Exploitation-Film, der hieß "Ingarki" (Anm.d.R: geschrieben wie gehört). Der ist für ein paar Zehntausend Dollar gedreht worden und auch bei RKO, dem Verleih des späteren "King Kong" herausgekommen. Da ging es darum, das ist ein Eingeborenenstamm, der wird von wilden Gorillas bedroht, und so jeden Monat opfert er ihm eine Jungfrau, also die haben wohl sehr viele Jungfrauen zur Verfügung, und diese Gorillas, vor allem der Hauptgorilla wurde von einem Menschen im Affenkostüm gespielt, und die Leute, dieser Verleih war erstaunt, dass dieser ganz billige, kleine Film irrsinnig viel Geld einspielte und sagten, an dieser Geschichte - 1931 war das - ist etwas dran.
Zur selben Zeit wurde in dem Studio ein Dinosaurierstoff vorbereitet, er hieß "Creation", Dinosaurier vor der chilenischen Küste, und nun hat man sich entschieden, wie wäre es, wenn wir beides zusammenpacken. Da sie nun diesen Dinosaurier hatten, konnte sie es sich nicht leisten, einen kleinen Affen zu nehmen, also machen wir ihn ein bisschen höher, so sieben, acht Meter, und plötzlich war diese Geschichte wie ein Synkretismus zusammengekommen.
Es ist also kein Original, dieser angebliche Mythos King Kong ist aus vielen Facetten zusammengesetzt worden, und darum wirkt er auch heute nicht wie aus einem Guss. Form und Inhalt klaffen diametral auseinander. Peter Jackson ist die schöne Form gelungen, bei dem Inhalt bin ich weiter, gelinde gesagt, skeptisch, aber wahrscheinlich werde ich durch die Kinokasse eines besseren belehrt werden.
Nessler: Ich vermute auch. Wie sähe denn der Stoff King Kong Ihrer Meinung nach heute zeitgemäß aus? Was müsste man hinzusetzen?
Giesen: Diesen Stoff kann man nicht übernehmen. Ich denke, heute ist nicht, es sollte nicht Eskapismus angesagt sein. Wir haben so viele Probleme auf der Welt. Wir haben auch so viele große Geschichten auf der Welt, die wir auch mit großer Einbildungskraft erzählen könnten. Stattdessen wird uns Eskapismus vorgesetzt. Ich weiß, wohin das führen wird. Das wird in irgendwelche schönen, neuen Traumwelten führen. Die Technik, die King Kong mobilisiert hat, die Computertechnik, ist noch lange nicht am Ende. Ich bin der Meinung, dass das, was dort gezeigt wird, erst der Anfang ist, und dass wir im interaktiven Computerbereich in den nächsten Jahren noch sehr viel zulegen werden. Dann wird King Kong, dieser King-Kong-Film Peter Jacksons fast schon steinzeitlich wirken gegenüber der Technik, die auf uns zurollen wird.
Nessler: Das Kino wird immer digitaler.
Giesen: Nein, nicht das Kino. Das Kino spielt keine große Rolle mehr in Zukunft, sondern die interaktiven Medien. Die Kinos, die dieses Jahr mit so vielen Blockbustern sich überhaupt noch behaupten müssen, die haben Schwierigkeiten, strukturelle Krisen. Das Kino wird in näherer Zukunft nicht mehr die große Rolle spielen. Es sind ganz andere Medienzweige, die da kommen. Das wird noch sehr interessant werden.
Nessler: Vielen herzlichen Dank.
Giesen: An der Kinokasse vielleicht, obwohl Break Even wird etwa über 500 Millionen Dollar sein müssen. Erst ab dem Moment wird der Film wirklich für die Produzenten einspielen. Man sagt aber, ja, als Blockbuster kann er einige Wochen funktionieren, aber ich las heute, ich glaube, in der Frankfurter Rundschau, das sei schon ein Klassiker, dieser neue Film sei ein Klassiker, und ich habe den Kopf geschüttelt und sage, nein, dieser Film wird in spätestens einem halben Jahr vergessen sein.
Nessler: Was hat Ihnen denn missfallen?
Giesen: Nun, diese Geschichte, ich frage mich die ganze Zeit, ich habe mich Jahrzehnte mit dieser Geschichte des alten Films beschäftigt, aber ich frage mich, was sucht das heute, was sucht diese Geschichte von einem großen Gorilla, der mit einer weißen Frau zusammenkommt und in New York zusammengeschossen wird wie ein übergroßer Terrorist, was hat das in der heutigen Zeit zu suchen? Haben wir nicht andere Themen, haben wir heute nicht größere Geschichten?
1933 war es noch eine Geschichte der Unschuld, das Tonfilmkino war noch in den Kindertagen, die Leute waren, ja, sie waren nicht so sophistiziert wie heute. Worüber wir staunen, wenn wir Peter Jacksons Film sehen, das sind die großen Effekte. Es sind Tausende von Szenen mit Computeranimation. Der Film hat einen langen Prolog, etwa 80 bis 90 Minuten, aber dann kommt es knüppeldick, eine Sensation jagt die nächste.
Nessler: Sie haben es gerade gesagt. Peter Jackson sagt, es gibt nichts auf der Welt, was den Mythos des Originalfilms zerstören könnte. Da fragt man sich natürlich, warum er ein Remake dreht. Was meinen Sie?
Giesen: Er ist besessen von dem Thema gewesen, seitdem er ihn im Fernsehen als Kind gesehen hat, und immer wieder hat er probiert, auch an Relikte aus dem Film heranzukommen. Es war eine quasi religiöse Verehrung, und durch den "Herrn der Ringe" konnte er sich erlauben, alles durchzusetzen, also auch die Neuverfilmung. Die Neuverfilmungsrechte lagen bei Universal, die sind schon einmal gescheitert daran in den siebziger Jahren, da gab es einen Krieg mit dem Produzenten Dino de Laurentiis. Laurentiis hat gewonnen; diesmal hat Universal gewonnen, hoffen die zumindest. Es gibt ein Bedenken: Man hat bei Tests herausgefunden, dass Frauen auf diesen Mythos nicht so sehr reagieren, spricht wohl eher Männer an.
Nessler: Dabei ist das Monster, das große, hässliche, ja durchaus charmant.
Giesen: Ja, es sind sehr viele Szenen in diesem Film, der zwar auf dem alten Drehbuch basiert, aber den Mythos neuinterpretiert. Es sind sehr viele romantische Szenen in dem Film. Etwas, was ich nie gesehen habe, ist: New York ist in Eis und Schnee und King Kong tanzt mit Ann Darrow, der Protagonistin, auf dem Eis. Das ist eine wunderschöne Szene, wie sie fast aus einem Walt-Disney-Film kommt. Es ist also ein Film zwischen Splatter, zwischen "Heart of darkness" von Joseph Conrad, zwischen "Jurassic Park", "Godzilla", und Walt Disney, der "Samson und Delilah", "Die Schöne und das Biest" thematisiert, aber keine dieser Kritiken hat jemals erwähnt, woher dieser Film überhaupt kommt. Er kommt nämlich, die Geschichte von King Kong ist auch geklaut, das hat leider Gottes, ich habe es in keinem Artikel gelesen, vielleicht sind Sie interessiert, woher das kommt.
Nessler: Ja, jetzt sind wir aber gespannt, Herr Giesen.
Giesen: 1931 gab es einen winzigen Exploitation-Film, der hieß "Ingarki" (Anm.d.R: geschrieben wie gehört). Der ist für ein paar Zehntausend Dollar gedreht worden und auch bei RKO, dem Verleih des späteren "King Kong" herausgekommen. Da ging es darum, das ist ein Eingeborenenstamm, der wird von wilden Gorillas bedroht, und so jeden Monat opfert er ihm eine Jungfrau, also die haben wohl sehr viele Jungfrauen zur Verfügung, und diese Gorillas, vor allem der Hauptgorilla wurde von einem Menschen im Affenkostüm gespielt, und die Leute, dieser Verleih war erstaunt, dass dieser ganz billige, kleine Film irrsinnig viel Geld einspielte und sagten, an dieser Geschichte - 1931 war das - ist etwas dran.
Zur selben Zeit wurde in dem Studio ein Dinosaurierstoff vorbereitet, er hieß "Creation", Dinosaurier vor der chilenischen Küste, und nun hat man sich entschieden, wie wäre es, wenn wir beides zusammenpacken. Da sie nun diesen Dinosaurier hatten, konnte sie es sich nicht leisten, einen kleinen Affen zu nehmen, also machen wir ihn ein bisschen höher, so sieben, acht Meter, und plötzlich war diese Geschichte wie ein Synkretismus zusammengekommen.
Es ist also kein Original, dieser angebliche Mythos King Kong ist aus vielen Facetten zusammengesetzt worden, und darum wirkt er auch heute nicht wie aus einem Guss. Form und Inhalt klaffen diametral auseinander. Peter Jackson ist die schöne Form gelungen, bei dem Inhalt bin ich weiter, gelinde gesagt, skeptisch, aber wahrscheinlich werde ich durch die Kinokasse eines besseren belehrt werden.
Nessler: Ich vermute auch. Wie sähe denn der Stoff King Kong Ihrer Meinung nach heute zeitgemäß aus? Was müsste man hinzusetzen?
Giesen: Diesen Stoff kann man nicht übernehmen. Ich denke, heute ist nicht, es sollte nicht Eskapismus angesagt sein. Wir haben so viele Probleme auf der Welt. Wir haben auch so viele große Geschichten auf der Welt, die wir auch mit großer Einbildungskraft erzählen könnten. Stattdessen wird uns Eskapismus vorgesetzt. Ich weiß, wohin das führen wird. Das wird in irgendwelche schönen, neuen Traumwelten führen. Die Technik, die King Kong mobilisiert hat, die Computertechnik, ist noch lange nicht am Ende. Ich bin der Meinung, dass das, was dort gezeigt wird, erst der Anfang ist, und dass wir im interaktiven Computerbereich in den nächsten Jahren noch sehr viel zulegen werden. Dann wird King Kong, dieser King-Kong-Film Peter Jacksons fast schon steinzeitlich wirken gegenüber der Technik, die auf uns zurollen wird.
Nessler: Das Kino wird immer digitaler.
Giesen: Nein, nicht das Kino. Das Kino spielt keine große Rolle mehr in Zukunft, sondern die interaktiven Medien. Die Kinos, die dieses Jahr mit so vielen Blockbustern sich überhaupt noch behaupten müssen, die haben Schwierigkeiten, strukturelle Krisen. Das Kino wird in näherer Zukunft nicht mehr die große Rolle spielen. Es sind ganz andere Medienzweige, die da kommen. Das wird noch sehr interessant werden.
Nessler: Vielen herzlichen Dank.