"Große Messe" in Stuttgart

29.04.2010
Sie ist niemals auf Tonträger dokumentiert worden, seit vielen Jahren war sie in keinem Konzertsaal mehr zu hören: Die "Große Messe" von Walter Braunfels stellt eine Besonderheit in der Konzertsaison 2009/2010 des Staatsorchesters Stuttgart in der Stuttgarter Liederhalle dar.
Mit diesem Chor- und Orchesterwerk widmet sich Manfred Honeck einmal mehr dem Komponisten Walter Braunfels und der kontinuierlichen Aufführung von dessen Œuvre. Geplant ist eine CD-Ersteinspielung der "Großen Messe".

Walter Braunfels, als jüngster Sohn einer kunstinteressierten Familie 1882 in Frankfurt a.M. geboren, erhielt seinen ersten musikalischen Unterricht von der Mutter, den er mit 12 Jahren Hochschen Konservatorium seiner Heimatstadt fortsetze. Nach einem kurzen Interregnum als Student der Rechtswissenschaften und Wirtschaft wandte sich Braunfels 1902 ganz der Musik zu und studierte Klavier und Komposition in Wien und München. Nach der Uraufführung seiner fantastischen Oper "Prinzessin Brambilla" 1909 lobte man Braunfels als zukunftsweisenden Vertreter der Neuen Musik. Im Ersten Weltkrieg wurde er 1917 verwundet und konvertierte nach seiner Heimkehr zum Katholizismus. Dieses religiöse Bekenntnis schlug sich in zahlreichen seiner Kompositionen nieder wie dem Te Deum op. 32 und der Großen Messe op. 37. Nach einigen erfolgreichen Jahren als Pianist wurde Braunfels 1925 gemeinsam mit Hermann Abendroth zum Direktor der neu gegründeten Hochschule für Musik in Köln berufen, von den Nazis aber 1938 als "Halbjude" dieses Amtes wieder enthoben. Seine Werke durften nicht mehr aufgeführt werden. Braunfels ging in die innere Emigration und komponierte die Oper "Szene aus dem Leben der Heiligen Johanna" und zwei Streichquartette und ein Streichquintett. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er wieder als Direktor der Kölner Musikhochschule eingesetzt. 1950 ging Walter Braunfels in den Ruhestand und starb 1954 in Köln.

Das kompositorische Schaffen von Walter Braunfels ist umfangreich und sehr vielfältig (zahlreiche Opern, Orchesterwerke, Chöre, Lieder, Kammermusik, Werke für Klavier). Mit seiner Oper "Die Vögel” nach Aristophanes erlebte er in den 1920er Jahren den Durchbruch und zählte neben Franz Schreker und Richard Strauss zu den herausragenden und meistgespielten deutschen Opernkomponisten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sein Kompositionsstil von der musikalischen Avantgarde als nicht mehr zeitgemäß empfunden, und seine Werke gerieten in Vergessenheit. Seit den 1990er Jahren setzte eine Wiederentdeckung seiner Werke ein, wobei sich Manfred Honeck und auch das Deutschlandradio Kultur besonders engagieren.



Beethovensaal der Liederhalle in Stuttgart
Aufzeichnung vom 18.4.2010


Walter Braunfels
Große Messe g-Moll op. 37

Simone Schneider, Sopran
Gerhild Romberger, Alt
Matthias Klink, Tenor
Attila Jun, Bass
Knabenchor collegium invenum
Staatsopernchor Stuttgart
Staatsorchester Stuttgart
Leitung: Manfred Honeck

ca. 20:50 Uhr Konzertpause mit Nachrichten