Große Gefühle

Von Johannes Halder · 08.03.2013
Mit Promi-Bildern wurde die New Yorker Malerin Elizabeth Peyton berühmt und teuer. In Baden-Baden zeigt sie nun erstmals eine thematische Auswahl ihrer Musikerporträts - darunter David Bowie oder Kurt Cobain, aber auch Opernstars wie Jessye Norman oder Jonas Kaufmann.
Das schaffen nicht viele Künstler: drei kleine Bildchen, kaum 30 mal 40 Zentimeter, eins an jeder Wand, im riesigen Oberlichtsaal der Baden-Badener Kunsthalle – und dennoch wirkt der Raum nicht leer, so stark ziehen die Bilder von Elizabeth Peyton den Betrachter in ihren Bann. Links hängt David Bowie, an der Stirnwand der Punk-Sänger Julian Casablancas, und zur Rechten der Star-Tenor Jonas Kaufmann.

Die extrem sparsame Hängung ist ein Statement, das vor Selbstbewusstsein strotzt. "Here She Comes Now" – da ist sie also: Elizabeth Peyton, als Malerin selbst ein Star, ein bisschen scheu und sehr sympathisch.

Wie kostbare Juwelen, ja wie Ikonen reihen sich ihre Bilder mit den Porträtierten an den Wänden: David Bowie, Kurt Cobain, John Lennon, Jarvis Cocker, aber auch die Wagner-Interpretin Waltraud Meier oder die historische Opernsopranistin Malvina Schnorr von Carolsfeld, alles Stars auf ihre Art. Doch ein Missverständnis stellt Peyton gleich mal klar:

"Ich male die Leute nicht, weil sie berühmt sind, sondern für das, was sie tun. Und weil sie darin sehr gut sind, sind sie wahrscheinlich prominent. Aber ich bin nicht generell an Stars oder Berühmtheiten interessiert, auch wenn mir das von Kritikern immer wieder vorgeworfen wird. Mein Interesse gilt Leuten, die Kunst machen. Es ist doch toll, dass Leute etwas ganz aus sich selbst heraus machen. Das ist außergewöhnlich. Und ich denke, Kunst zu machen ist etwas Außergewöhnliches. Es verwandelt die Leute und auch uns, wenn wir dabei zusehen. Und dem gilt mein Interesse."

Es geht nicht um die Stars, sondern um die ganz großen Gefühle, die sie erwecken, mit ihrer Stimme, ihrem Auftritt, ihrer körperlichen Präsenz. Peyton, die stets nach Fotos malt, geht ganz nah ran, taucht die Gesichter in das unwirkliche Bühnenlicht und konzentriert sich auf das Wesentliche: den Mund, den Blick, eine Geste, die Aura eben.

Da wirkt ein Bildnis des Schmuddelsängers Pete Doherty wie der Heilige Sebastian, den Kopf melancholisch zur Seite geneigt – die Pose eines Märtyrers, der sich völlig hingibt in Ekstase. Ach ja, der Alkohol, die Drogen. Mit ihrem Pinsel vergibt Peyton ihm alle Exzesse, denn es geht um die Musik.

"Musik rettet mich über jeden Tag. Ich fühle mich so gut damit. Und damit bin ich nicht allein. Musik ist ein universelles Gefühl, sehr direkt und emotional. Sie hilft uns, unsere Gefühle zu leben. Und mit der Malerei ist das genauso. Malerei ist sehr meditativ und irgendwie geheimnisvoll. Aber Musik ist sehr unmittelbar. Sie kann die Menschen völlig verwandeln. Das ist ein Wunder."

Vom "Klang des Malens" spricht ein Text im Katalog, doch die Ausstellung klingt keineswegs. Es herrschen eher Stille und Konzentration, die Versenkung in Augenblicke voller Anmut. Die Hängung, manchmal nur ein Bild in einem Raum, hat etwas von einer Kapelle, und wie Peyton ihren Idolen huldigt, von Malerin zu Musiker, ist kongenial. Von breiten Pinselspuren abgeklatschte Monotypien, mit dem Kohlestift in dramatisches Helldunkel getriebene Szenen oder virtuose Malereien - technisch ist die Frau brillant. Und die etwas bizarr erscheinende Mischung von Punk und Oper, sagt Peyton, sei doch wirklich kein Problem. In beiden Fällen gehe es um Emotionen und um die Kunst, das Publikum zu verzaubern. Man muss keine Punk-Musik mögen und auch kein Fan der Oper sein, um Gefallen an Peytons Bildern zu finden.

Den Stars auf ihren Bildern ist sie übrigens persönlich nie begegnet, sagt sie, und einen wie David Bowie mal zu treffen, wäre schon etwas.

"Ja klar. Aber eigentlich ist das nicht nötig. Ich habe ja seine Musik. Und die ist zauberhaft."

Zauberhaft ist diese ganze Schau. So pur, so schön und reduziert hat man die Baden-Badener Kunsthalle schon lange nicht mehr erlebt. Gerade mal 30 Bilder sind zu sehen. Und die lichte Hängung ist ein Luxus, den Peyton ihren Bildern gerne gönnt.

"Meine Bilder haben eine große Kraft und ich glaube, sie vertragen eine Menge Raum. Und hier ist die Gelegenheit. Und wissen Sie was? Ich glaube, es hängen noch immer zu viele hier." (lacht)


Mehr Infos im Netz:

Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
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