Größenwahn und Machtanspruch
Die Ausstellung „Das Gelände“ in der Kunsthalle Nürnberg bezieht sich auf das frühere Reichsparteitagsgelände in der Stadt. Es verdeutlicht mit einem Ensemble von Bauten den Größenwahn und Machtanspruch des NS-Regimes.
Bob Dylan war da, die Rolling Stones waren da, und natürlich war auch er da, mit dem das Unheil einst begonnen hatte: Adolf Hitler.
Doch der „Führer“ spielt bei dieser Ausstellung direkt keine Rolle, sondern fungiert gewissermaßen nur im Hintergrund als historische Figur, die dem Reichsparteitagsgelände ihren dämonischen Stempel aufgedrückt hat. Heute wird „das Gelände“ in der Freizeit zum Tennisspielen ganz selbstverständlich ebenso verwendet wie für Autorennen, klassische Konzerte oder Pop-Events, während die Mauern des Stein gewordenen Größenwahns allmählich zu bröckeln anfangen und sich Denkmalschützer über den Zustand des von Unkraut überwucherten architektonischen NS-Erbes ernste Gedanken machen. Gerade diese Ambivalenz ist es, die Kunsthallenchefin Ellen Seifermann in ihrer Ausstellung dokumentieren will.
„Insgesamt ist es natürlich so, dass das Reichsparteitagsgelände ein Thema ist, wenn man in dieser Stadt lebt. Was einem immer wieder sehr stark bewusst macht, dass man mit Spuren der Geschichte, die im Grunde ja aber kein wirkliches Memorial sind, sondern eine ganz eigenartige Spur der Geschichte, nämlich die Tätergeschichte. Damit umzugehen ist einfach immer wieder ne Riesenherausforderung. Man sieht das ja auch an den Nutzungen, also – kulturelle Nutzung. Aber es gibt auch riesige kommerzielle Nutzungen. Es sind viele Nutzungen, etwa 200 im Jahr, ganz unterschiedliche, große und kleine und eben auch der Versuch, durch so einen pluralistischen Ansatz des Benutzens eben auch eine Normalität herzustellen. Und gleichzeitig ist es eben auch trotzdem ein Lernort der Geschichte, wenn man so will".“
Ein Lernort der Geschichte, der heute nicht von jedem als solcher begriffen wird, worauf die in Rotterdam lebende Susanne Kriemann in ihrer Arbeit „Looping Star“ aufmerksam macht. Im Mittelpunkt steht die Fotografie einer wild geschwungenen Achterbahn, einer grellfarbigen Metallkonstruktion, die auf dem Bild fast die unvollendet gebliebene Nazi-Kongresshalle verdeckt, in der einst die NSDAP-Parteitage stattfinden sollten. Zitate aus Zeitschriften, Büchern und dem Internet über das Reichsparteitagsgelände hat die Künstlerin zusätzlich mit einem goldenen Folienschriftband spiralförmig auf die Wände geklebt: die Banalität des Bösen im 21. Jahrhundert.
„Ich zeig ’ne neue Arbeit und die versammelt alle Nutzungen des Reichsparteitagsgeländes außer die Nazi-Benutzung. Von 1920, als der Plan entstanden ist, dass es ein Landschaftspark wird bis 2008. Es sind halt verschiedenste Dinge, wie zum Beispiel Großgottesdienste wie das Christival oder eben die erste Maschinenfabrik Bayerns. Oder: Illegale Autorennen, Polizeidepot für beschlagnahmte Fahrzeuge, also alles hab ich eigentlich relativ unchronologisch nebeneinander her vergleichend geordnet und da kriegt man eigentlich so mit, dass dieses ganze Gelände eigentlich ziemlich oft für so Massenveranstaltungen einfach weiterbenutzt wurde und dass man ganz oft sich fragt: War das jetzt während der Nazizeit? Aber es ist auszuschleißen, dass es während der Nazizeit ist. Manchmal ist es so absurd die Nutzung, dass man denkt, das kann gar nicht anders sein eigentlich.“
Einer, der dieses Areal schon von Kindheit an kennt, ist der heute in London wohnende, weltberühmte Starfotograf Juergen Teller. Seine Großmutter lebte früher in unmittelbarer Nachbarschaft des mit Nazi-Ideologie kontaminierten Geländes.
„Ich war da immer schon als Kleinkind irgendwie fasziniert oder mit den Eltern halt da spazieren gegangen. Und wenn du ein bisschen älter wurdest, bis du da zum Dutzendteich Fußballspielen gegangen. Meiner Oma war das überhaupt nicht recht, da zu diesem Gelände da zu gehen, zu diesem Reichsparteitagsgelände. Aber du gehst natürlich als Kind sowieso dort auch immer hin, wo du nicht hingehen sollst und was mich schon angezogen hat, war da schon die ganze Geschichte mit Hitler und das ganze Zeug. Und da waren denn auch so Teenagers, die da auch Fußball gespielt haben und irgendwelche Mopeds gehabt haben und irgendwie rumgeschmust haben und Drogen genommen haben. War immer so ganz interessant eigentlich, was da so immer abgelaufen ist – ein bisschen fragwürdig.“
Teller interessiert sich in seinen Arbeiten nicht für den Gesamteindruck des Geländes, sondern für die kleinen Details. Er präsentiert Bilder von Pflanzen, die Steinstufen überwuchern und kontrastiert diese Farbbilder dann mit Fotos des – wie er sagt – deutschstämmigen Models Gisele Bündchen sowie mit privaten Aufnahmen von seinem kleinen Sohn oder einer Figur aus Meißner Porzellan – ein Erinnerungsstück an seine Großmutter. Eine fotografische Melange, die versucht, die Balance zu halten zwischen persönlicher und öffentlicher Geschichte, eine Gratwanderung einerseits zwischen dem historisch belasteten Ort und andererseits der Hoffnung, dass die Natur und eine jüngere Generation die Wunden der Vergangenheit letztlich überwinden werden.
Während Patrick Ruckdeschel in seiner 2008 entstandenen Animation „Drum haltet zusammen“ Elemente des Videospiels „Super Mario“ verfremdet, sie ironisch mit Durchhalteparolen von Goebbels und winkenden Soldaten aus einem Bundeswehrlehrbuch vermischt, hat Wolf Sakowski Hitlers Redekanzel der Zeppelintribüne en miniature nachgebaut und umgibt das hölzerne Modell mit Wortmüll, mit weißen Blättern, auf denen schwarze Lettern gedruckt sind. Die Bronzeskulptur „Totaladler“ des in Tokio geborenen Jonathan Meese ist ein Fantasy-Drache, ein metallener Abgesang auf hohles Pathos, diskreditierte deutsche Symbole und Mythen.
Beeindruckend: Die Installation „RPG-Archiv“ des in Nürnberg arbeitenden Winfried Baumann. Er hat einen Raum geschaffen, vollgestopft mit Luftaufnahmen, Plänen, Modellen, Skizzen, Granitplatten und Aktenordnern in Regalen: der Blick in die fiktive Werkstatt der Bauherren des Reichparteitagsgeländes. Ein Ort menschenverachtender Ideologie, durch diese Ausstellung aber auch ein spannender Bezugspunkt für ästhetisch-politische Reflexionen.
Doch der „Führer“ spielt bei dieser Ausstellung direkt keine Rolle, sondern fungiert gewissermaßen nur im Hintergrund als historische Figur, die dem Reichsparteitagsgelände ihren dämonischen Stempel aufgedrückt hat. Heute wird „das Gelände“ in der Freizeit zum Tennisspielen ganz selbstverständlich ebenso verwendet wie für Autorennen, klassische Konzerte oder Pop-Events, während die Mauern des Stein gewordenen Größenwahns allmählich zu bröckeln anfangen und sich Denkmalschützer über den Zustand des von Unkraut überwucherten architektonischen NS-Erbes ernste Gedanken machen. Gerade diese Ambivalenz ist es, die Kunsthallenchefin Ellen Seifermann in ihrer Ausstellung dokumentieren will.
„Insgesamt ist es natürlich so, dass das Reichsparteitagsgelände ein Thema ist, wenn man in dieser Stadt lebt. Was einem immer wieder sehr stark bewusst macht, dass man mit Spuren der Geschichte, die im Grunde ja aber kein wirkliches Memorial sind, sondern eine ganz eigenartige Spur der Geschichte, nämlich die Tätergeschichte. Damit umzugehen ist einfach immer wieder ne Riesenherausforderung. Man sieht das ja auch an den Nutzungen, also – kulturelle Nutzung. Aber es gibt auch riesige kommerzielle Nutzungen. Es sind viele Nutzungen, etwa 200 im Jahr, ganz unterschiedliche, große und kleine und eben auch der Versuch, durch so einen pluralistischen Ansatz des Benutzens eben auch eine Normalität herzustellen. Und gleichzeitig ist es eben auch trotzdem ein Lernort der Geschichte, wenn man so will".“
Ein Lernort der Geschichte, der heute nicht von jedem als solcher begriffen wird, worauf die in Rotterdam lebende Susanne Kriemann in ihrer Arbeit „Looping Star“ aufmerksam macht. Im Mittelpunkt steht die Fotografie einer wild geschwungenen Achterbahn, einer grellfarbigen Metallkonstruktion, die auf dem Bild fast die unvollendet gebliebene Nazi-Kongresshalle verdeckt, in der einst die NSDAP-Parteitage stattfinden sollten. Zitate aus Zeitschriften, Büchern und dem Internet über das Reichsparteitagsgelände hat die Künstlerin zusätzlich mit einem goldenen Folienschriftband spiralförmig auf die Wände geklebt: die Banalität des Bösen im 21. Jahrhundert.
„Ich zeig ’ne neue Arbeit und die versammelt alle Nutzungen des Reichsparteitagsgeländes außer die Nazi-Benutzung. Von 1920, als der Plan entstanden ist, dass es ein Landschaftspark wird bis 2008. Es sind halt verschiedenste Dinge, wie zum Beispiel Großgottesdienste wie das Christival oder eben die erste Maschinenfabrik Bayerns. Oder: Illegale Autorennen, Polizeidepot für beschlagnahmte Fahrzeuge, also alles hab ich eigentlich relativ unchronologisch nebeneinander her vergleichend geordnet und da kriegt man eigentlich so mit, dass dieses ganze Gelände eigentlich ziemlich oft für so Massenveranstaltungen einfach weiterbenutzt wurde und dass man ganz oft sich fragt: War das jetzt während der Nazizeit? Aber es ist auszuschleißen, dass es während der Nazizeit ist. Manchmal ist es so absurd die Nutzung, dass man denkt, das kann gar nicht anders sein eigentlich.“
Einer, der dieses Areal schon von Kindheit an kennt, ist der heute in London wohnende, weltberühmte Starfotograf Juergen Teller. Seine Großmutter lebte früher in unmittelbarer Nachbarschaft des mit Nazi-Ideologie kontaminierten Geländes.
„Ich war da immer schon als Kleinkind irgendwie fasziniert oder mit den Eltern halt da spazieren gegangen. Und wenn du ein bisschen älter wurdest, bis du da zum Dutzendteich Fußballspielen gegangen. Meiner Oma war das überhaupt nicht recht, da zu diesem Gelände da zu gehen, zu diesem Reichsparteitagsgelände. Aber du gehst natürlich als Kind sowieso dort auch immer hin, wo du nicht hingehen sollst und was mich schon angezogen hat, war da schon die ganze Geschichte mit Hitler und das ganze Zeug. Und da waren denn auch so Teenagers, die da auch Fußball gespielt haben und irgendwelche Mopeds gehabt haben und irgendwie rumgeschmust haben und Drogen genommen haben. War immer so ganz interessant eigentlich, was da so immer abgelaufen ist – ein bisschen fragwürdig.“
Teller interessiert sich in seinen Arbeiten nicht für den Gesamteindruck des Geländes, sondern für die kleinen Details. Er präsentiert Bilder von Pflanzen, die Steinstufen überwuchern und kontrastiert diese Farbbilder dann mit Fotos des – wie er sagt – deutschstämmigen Models Gisele Bündchen sowie mit privaten Aufnahmen von seinem kleinen Sohn oder einer Figur aus Meißner Porzellan – ein Erinnerungsstück an seine Großmutter. Eine fotografische Melange, die versucht, die Balance zu halten zwischen persönlicher und öffentlicher Geschichte, eine Gratwanderung einerseits zwischen dem historisch belasteten Ort und andererseits der Hoffnung, dass die Natur und eine jüngere Generation die Wunden der Vergangenheit letztlich überwinden werden.
Während Patrick Ruckdeschel in seiner 2008 entstandenen Animation „Drum haltet zusammen“ Elemente des Videospiels „Super Mario“ verfremdet, sie ironisch mit Durchhalteparolen von Goebbels und winkenden Soldaten aus einem Bundeswehrlehrbuch vermischt, hat Wolf Sakowski Hitlers Redekanzel der Zeppelintribüne en miniature nachgebaut und umgibt das hölzerne Modell mit Wortmüll, mit weißen Blättern, auf denen schwarze Lettern gedruckt sind. Die Bronzeskulptur „Totaladler“ des in Tokio geborenen Jonathan Meese ist ein Fantasy-Drache, ein metallener Abgesang auf hohles Pathos, diskreditierte deutsche Symbole und Mythen.
Beeindruckend: Die Installation „RPG-Archiv“ des in Nürnberg arbeitenden Winfried Baumann. Er hat einen Raum geschaffen, vollgestopft mit Luftaufnahmen, Plänen, Modellen, Skizzen, Granitplatten und Aktenordnern in Regalen: der Blick in die fiktive Werkstatt der Bauherren des Reichparteitagsgeländes. Ein Ort menschenverachtender Ideologie, durch diese Ausstellung aber auch ein spannender Bezugspunkt für ästhetisch-politische Reflexionen.