"Gritik, Grafik und Gomik"

Von Volkhard App · 01.10.2008
Das Museum "Caricatura" präsentiert die Spötter der "Neuen Frankfurter Schule". Diese Gruppe von Frankfurter Karikaturisten, zu der Robert Gernhardt, Chlodwig Poth, F. W. Bernstein, F.K. Waechter und Hans Traxler gehören, entstand im Umfeld der Satirezeitschrift "Pardon" und zeichnete später für die "Titanic".
Bundesdeutsche Humorgeschichte auf 650 Quadratmetern: im historischen "Leinwandhaus”, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dom, residieren nun die Spötter der Neuen Frankfurter Schule - die "großen 5”, wie man sie in dem neuen Museum nennt. Hans Traxlers berühmte Zeichnung empfängt - stark vergrößert - denn auch den Besucher des Sammlungssaals: "die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche”.

Von Traxler sind weitere schön kolorierte Blätter zu sehen: zum Beispiel die charakterstarke Katze, die es sich im großen Bett bequem macht und das Herrchen auf den Kratz- und Kletterbaum daneben verwiesen hat. Alle drei Monate werden hier die Exponate ausgetauscht, sie stammen größtenteils aus der Tausende Blätter umfassenden eigenen Sammlung. Hans Traxler:

"Beispielsweise gibt es von mir 1100 Bilder hier in den Schränken, 1000 davon sind bezahlt worden (Gelächter). Nein, die anderen habe ich freiwillig rausgerückt, man will sich ja dankbar zeigen."

Chlodwig Poth erzählt detailliert, mit furiosem Strich, aus seinem vermeintlich progressiven Alltag - und in farbigen Sittenbildern vom Charme Frankfurter Randsiedlungen. Er habe den ganzen Tag noch kein Auge zugetan, versichert ein Büroangestellter bei F.W. Bernstein. Und Friedrich Karl Waechters Schweine haben sich auf einem seiner bekanntesten Blätter akrobatisch zum "Schweineberg” formiert. Robert Gernhardt wiederum glänzt mit seinen markant gestrichelten Bildergeschichten. Da lesen wir: ”Der Mantelpavian, der hat seine ganzen Weiber satt. Und was trägt schuld an dem Gegrantel? Nicht eine hilft ihm in den Mantel.” Was also macht den Geist der Neuen Frankfurter Schule aus? F.W.Bernstein:

"Dieser Geist lässt sich ganz bestimmt nicht auf einen einzigen Begriff bringen, eher auf eine Geschichte. Man kann ihn nicht erklären, aber erzählen. Ich war mit Waechter mal in München in einem der großen Parks. Und der war mit seinem Rasen sehr rechtwinklig angelegt, hatte aber einen Trampelpfad. Wir gingen den richtigen Weg, und dann sagte Waechter, es müsse hier irgendwo eine Abkürzung geben. Es stimmte, und wir gingen dann diesen Trampelpfad lang, der die eine Ecke abschnitt. Und solche Trampelpfade in den rechtwinkligen Geistesgeschichten sind uns gelegentlich gelungen."

Unverzichtbar sind die zeithistorischen Hintergründe, entstand doch diese lockere Gruppe, die im Namen frech auf Adorno & Co anspielt, einst im Umfeld der Satirezeitschrift "Pardon” und setzte ihre Arbeit dann Ende der Siebziger in dem Magazin "Titanic” fort. Hans Traxler:

"Der Ursprung liegt für mich in den sechziger Jahren, bei den Spontis in der antiautoritären Bewegung. Von der haben wir teilweise profitiert, aber teils haben wir ihr auch zugeliefert."

Nun hängen die Blätter in einem eigenen Museum - in einem großen lichten Saal mit fünf Kabinetten. Solch eine offiziöse Präsentation widerspricht eigentlich dem subversiven Geist dieser Satiriker. Bernstein:

"Das glaube ich nicht, das dient unserer weiteren Verherrlichung. Und meine drei Prinzipien werden dadurch nicht ungültig. Das sind die drei ‚G’s’ unseres Geschäfts: Gritik, Grafik und Gomik."

Traxler: "Ganz viele Leute haben nun die Möglichkeit, sich das, was wir gezeichnet haben, im Original anzuschauen und auf Augenhöhe. Und das ist was ganz Anderes, als wenn man in Büchern blättert. Ich hoffe, man bemerkt, dass sich Karikatur in nächster Nähe zur Kunst bewegt. Und das haben wir immer angestrebt. Wir waren ja keine Witzzeichner, wir haben unser Handwerk gelernt und versucht, es im Laufe der Jahre und Jahrzehnte zu veredeln."

Ausgerechnet bei Friedrich Karl Waechter aber kann das neue Museum nicht aus eigener Sammlung schöpfen, denn die Erben des Spötters haben den umfangreichen Nachlaß nicht nach Frankfurt, sondern nach Hannover, ans Wilhelm Busch Museum gegeben. Dieses stellt dem Frankfurter Haus zwar vertragsgemäß Blätter zur Verfügung - aber es wurmt denn doch, dass ausgerechnet Waechter seine Heimat woanders gefunden hat. Jan Gerchow, in der Mainmetropole Direktor des Historischen Museums, dem das neue "Museum für Komische Kunst” zugeordnet ist:

"Das ist natürlich traurig - es belastet uns aber nicht, wie Sie sehen können. Die großen Vier haben wir hier im Haus, und wir werden auch die Jüngeren sammeln. Wir stehen in enger Kooperation mit Hannover, für die Besucher werden die Details nicht sichtbar. Und das Potenzial dieser Schule ist groß, wir werden keinen Mangel haben."

Und für diesen Blick ins bedeutende Umfeld der Neuen Frankfurter Schule ist der Raum für Wechselausstellungen im Erdgeschoss gedacht, wo mit Bernd Pfarrs farbkräftigen Tafelbildern ein idealer Auftakt gelungen ist: groteske Szenen mit witzigen Begleittexten - da erfahren wir, dass eine vom Schrank todesmutig auf einen Apfel herunterspringende Frau auf ungewöhnliche Art Mus herstellt. Und dass der Arzt, der seinem Patienten schöne Urlaubsdias zeigt, mit ihm lieber nicht über dessen Röntgenfotos sprechen will. Und auch Herr Sondermann, die skurrile Jedermanns-Figur des 2004 verstorbenen Pfarr, hat seine verstörenden Auftritte.

Und anschaulich wird, wie sehr dieser Künstler seinen schrägen Malstil immer mal variiert hat.
Diese Fläche für Sonderausstellungen im Erdgeschoß ist etwas enger und erscheint verwinkelt - verglichen mit der Sammlungspräsentation im oberen Stockwerk. Und in der Ausleuchtung der wunderbaren Bilder Pfarrs wird man sicher noch nachbessern. Auch eine Bühne steht hier im Eingangsbereich zur Verfügung, und eine Galerie beherbergt Skizzen und lichtempfindliche Blätter. Während im 2. Stock in der "Medienlounge” ein Archiv dieser Neuen Frankfurter Schule entstehen soll, wo man gerade die multimedialen Formate berücksichtigt - von den Hörspielen bis zu den "Otto”-Filmen.

Eigene Sammlung, Wechselausstellungen und Medienlounge: von einem kulturhistorisch bedeutenden Tag spricht man in der doch so profanen Bankenstadt. Achim Frenz, der Leiter des neuen Museums, ist sichtlich stolz - ein Lebenstraum sei in Erfüllung gegangen:

"Ich habe in Kassel Kunst studiert und bin 1982 F. K. Waechter begegnet, der mein Zeichenlehrer war. Und diese Begegnung hat mein Leben verändert. Ich habe mich nur noch dieser komischen Kunst gewidmet. Und irgendwann ist dann das Ziel formuliert worden, dass wir ein Museum brauchen. Und dafür habe ich ungefähr 15 Jahre benötigt und bin ganz stolz darauf, dass wir heute dieses Museum für komische Kunst / Caricatura in Frankfurt eröffnen können."

Umstritten ist noch der überlieferte Name "Caricatura” - die Bezeichnung "Museum für komische Kunst” trifft schon eher den erhofften künstlerischen Facettenreichtum. Bernstein und Traxler jedenfalls sind von dem Haus beeindruckt und erhoffen sich freien Eintritt auf Lebenszeit. Sie haben aber doch eine kritische Anmerkung auf Lager:

Bernstein: "Natürlich wären wir viel lieber im Dom untergebracht gewesen. Das hat wohl nicht ganz geklappt mit dem Klerus."
Traxler: "Moment, wir könnten ja rüber gehen und ein Tedeum singen."
Bernstein (lacht): "Ein Te Traxler"