Griechenland und die EU

Tsipras endlich auf Kompromisssuche

Alexis Tsipras im Elysee-Palast in Paris. Er blickt ernst.
"Je länger die Roadshow durch Europa dauert, desto offenkundiger wird die Wandlung von Alexis Tsipras", meint Jörg Münchenberg. © Xavier De Torres, dpa picture-alliance
Von Jörg Münchenberg · 04.02.2015
Tagelang hat die neue griechische Regierung die Eurogruppe vor den Kopf gestoßen, doch diese hielt an dem vereinbarten Spar- und Reformkurs fest. Jetzt schwenkt Alexis Tsipras offenbar endlich vom Wahlkampfmodus in die Regierungsverantwortung, meint Jörg Münchenberg.
Der Kursschwenk war überfällig. Tagelang hatte die neue griechische Regierung die EU und insbesondere die Eurogruppe vor den Kopf gestoßen. Mit verbalen Rundumschlägen und breiter Brust präsentierten sich die neuen Machthaber, als habe Griechenland mit dem Regierungswechsel auch alle Probleme einfach abgeschüttelt.
Doch je länger jetzt die Roadshow durch Europa dauert, desto offenkundiger wird die Wandlung. Alexis Tsipras ist offenbar endlich dabei, vom Wahlkampfmodus in die Regierungsverantwortung umzuschalten. Die ersten Anzeichen dafür waren auch in Brüssel unübersehbar. Von Schuldenschnitt ist längst keine Rede mehr, weil Athen endlich eingesehen hat, dass dies weder mit der EU-Kommission noch den Euroländern zu machen ist.
Aber auch die Tonlage ist endlich deutlich freundlicher geworden. Da geht es plötzlich um Kompromisse und Dialog – Begriffe, die gerade in Brüssel zum Inbegriff der Politikgestaltung geworden sind. Angesichts der Herkulesaufgabe, ständig die Interessen von 28 Mitgliedsländern unter einen Hut bringen zu müssen. Mit einer solchen Haltung also werden Tsipras und sein streitbarer Finanzminister Yanis Varoufakis viel eher auf Zugeständnisse hoffen können als mit markigen Sprüchen, die lediglich die Wähler zuhause beeindrucken.
Chance für einen Kompromiss
Jetzt also hat die Kompromisssuche begonnen. Die schwierig genug sein wird, denn Athen ist in erster Linie auf das Wohlwollen der Eurogruppe angewiesen. EU-Kommission und EU-Parlament sind lediglich Zaungäste, die in der Sache selbst kaum etwas zu entscheiden haben.
Doch gerade von den 18 Partnern kann Athen nur bedingt mit Entgegenkommen rechnen, trotz der knappen Zeit. Das liegt zum einen an den schlechten Erfahrungen in den letzten Jahren. Auch wenn die Reform- und Sparauflagen bisweilen einseitig waren, hat Athen doch wiederholt den notwendigen Ehrgeiz für Veränderungen vermissen lassen. Auch bei so notwendigen Projekten wie den Aufbau einer funktionierenden Steuerverwaltung oder eines Katasteramtes. Insofern wird die Eurogruppe auch neuen Reformversprechen der Linksregierung erst einmal skeptisch gegenüberstehen.
Gleichzeitig sind die Gläubiger aber auch finanziell Griechenland weit entgegengekommen. Zinsen und Tilgung für gewährte Finanzhilfen entsprechen faktisch einem heimlichen Schuldenschnitt. Zu noch mehr Verzicht dürften die meisten Euroländer kaum bereit sein. Deshalb wird es jetzt um kleinere oder auch symbolische Korrekturen gehen. Dazu könnte mittelfristig auch eine Neustrukturierung der umstrittenen Troika gehören.
Von einem Durchbruch sind beide Seiten zwar noch weit entfernt und selbst ein Scheitern der Gespräche kann nicht ausgeschlossen werden. Doch erstmals gibt es jetzt mit der neuen Tonlage überhaupt die Chance für einen Kompromiss, bevor Griechenland finanziell abzustürzen droht.
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