Griechenland-Nothilfe verlängert

Die zweifelhafte Macht der EZB

Das Eingangsschild der neuen Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main.
Das Eingangsschild der neuen Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main. © picture alliance/dpa/Fredrik von Erichsen
Von Klemens Kindermann · 28.06.2015
Mit ihrer Entscheidung für die Verlängerung der Notkredite an Griechenland riskiere die Europäische Zentralbank ihre Glaubwürdigkeit, meint Klemens Kindermann. Sie habe sich längst zu einer politischen Institution gewandelt - und setze falsche Akzente.
Mit dem heutigen Tag ist das Ringen um die Zukunft des Euros in eine neue Phase getreten. War das gestrige Nein der Euro-Finanzminister zu einer Verlängerung des Hilfsprogramms für Athen schon ein Paukenschlag, so ist es die Entscheidung der Europäischen Zentralbank heute nicht weniger. Denn die EZB will die Notkredite für Griechenland verlängern, obwohl das Hilfsprogramm ausläuft. Obwohl also damit zu rechnen ist, dass Griechenland in Kürze pleite sein wird. Mit diesem Schritt verlässt die EZB endgültig ihr Mandat als Hüterin der Geldwertstabilität. Sie zeigt ihr inzwischen wahres Gesicht: das einer politisch agierenden Institution, an der das Schicksal der Eurozone und damit Europas hängt.
ELA-Hilfen sind Notfallhilfen - für solvente Banken
Von der Sache her und gemäß den eigenen Regularien hätte der EZB-Rat sich daran orientieren müssen, dass die sogenannten ELA-Hilfen sich als Notfallinstrument des europäischen Zentralbanksystems nur an Banken richten, die zeitweise in einer außergewöhnlichen Lage sind, die aber grundsätzlich solvent sind. Schon die Zypern-Krise hat gezeigt, ein welch schwieriges Instrument diese Nothilfen sind: Die ELA-Kredite wurden in Milliardenhöhe gewährt, aber die Laiki Bank wurde hinterher trotzdem zerschlagen.
Allein die Tatsache, dass die griechische Notenbank diese Hilfen den Banken - mit Genehmigung der EZB - inzwischen seit mehreren Monaten gewährt, hatte ihren Sinn infrage gestellt. Nun aber, nachdem die Euro-Finanzminister Athen das milliardenschwere Hilfsprogramm verweigern, ist diesen Krediten jegliche Legitimations-Grundlage entzogen. Denn: Es ist nun mit einer Staatspleite und mit einem Zusammenbruch der griechischen Banken zu rechnen.
Indem sich die EZB über diese Bedenken hinwegsetzt, riskiert sie nicht nur erneute Verfassungsklagen wegen Überschreitung ihres Mandats, sondern letztlich ihre eigene Glaubwürdigkeit. Wenn es nicht mehr auf die reale Lage von Banken im Eurosystem ankommt, sondern auf Appelle wie die des französischen Premiers Valls, den Griechen nicht "die Lebensader" zu kappen, macht sich die EZB zur politischen Handlangerin. Einige behaupten, das habe sie mit dem massenhaften Kauf von Staatsanleihen, mit der Politik des billigen Geldes zur Entschuldung der Staatshaushalte insbesondere der südeuropäischen Länder schon längst getan.
Tsipras führt die griechische Bevölkerung ins Elend
Heute aber, an diesem neuralgischen Punkt, wo Athens Regierung in einer bizarren Weise pokert, zuletzt mit dem plötzlich angekündigten Referendum, hätte die EZB ebenso konsequent sein müssen wie die Euro-Finanzminister gestern. Die Regierung Tsipras muss verstehen, wie ernst die Lage ist, dass nicht Ideologie, sondern Fakten entscheidend sind. Und dass sie es ist und niemand sonst, die die griechische Bevölkerung ins Elend führt – und zwar zuerst die Schwachen und Hilfsbedürftigen im Land.
Am Ende könnte die griechische Regierung diese weiter offen gehaltene Geldschleuse der EZB als Aufforderung verstehen, weiter zu pokern. Damit hätte die EZB der Rettung Griechenlands und am Ende der Stabilisierung des Euro-Systems einen Bärendienst erwiesen.
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