Griechenland

Leben in Athen - mit 60 Euro und ohne Medikamente

Blick auf das Schaufenster einer Apotheke in Athen.
Nicht alle bestellten Medikamente sind der Apotheke geliefert worden. © Deutschlandradio/Panajotis Gavrilis
Von Panajotis Gavrilis · 08.07.2015
Der Alltag in Athen wird für die Griechen zunehmend angespannter. Das Geld wird knapp. Die 60 Euro, die jeder täglich abheben kann, teilen sich viele genau ein. Und so bleiben zahlreiche Geschäfte und Cafés leer. Zwar sind die Supermarktregale noch gut gefüllt, aber der Medikamenten-Import kommt bereits ins Stocken.
Es ist die Begleitmusik in diesen Tagen. Das mobile Kurbel-Piano ist verstimmt, doch dem Besitzer ist das egal. Er dreht und schiebt es durch die Gassen Athens. Zwischen wartenden Menschen vor Bankautomaten, Eis-essenden Passantinnen, Obdachlosen und zeitungslesenden Ladenbesitzern, zieht Voula ihren schweren Einkaufs-Rollwagen hinter sich her. Seit die Banken geschlossen sind gibt sie nur noch Geld fürs Nötigste aus.
"Ich geh nichts ins Theater oder ins Kino. Ich muss meine Rechnungen bezahlen. Und dann gebe ich noch meiner Tochter etwas Taschengeld. Also die Rente geht weg für Medikamente, für Blutuntersuchungen und für etwas zu essen."
Familien rücken näher zusammen
Die 63-jährige Voula lebt mit ihrer Mutter und ihrer Tochter in einem Haus. Das Geld ist knapp, die Familie rückt näher zusammen. In Griechenland ist das häufig die einzige Überlebenschance. Die 60 Euro, die Voula täglich abhebt, werden penibel aufgeteilt. 20 Euro für Lebensmittel, 20 für die studierende Tochter, den Rest legt sie im besten Fall zur Seite.
"Ich sehe die anderen jeden Tag, wie sie die Cent-Stücke zählen und sagen: Gib mir ein Kilo Fisch für einen Euro. Oder sie kaufen Brot für 60 Cent. Noch kann ich mir Brot für 2,20 Euro leisten - Luxus. "
Neben Voula steht Argiris, der versucht, zwei Sonnenbrillen auf der Straße zu verkaufen. Das ist verboten, sagt er. Aber ihm bleibt nichts anderes übrig.
"Diese Tage sind sehr eng für mich. Alles ist auf Kante genäht. Wenn ich zehn Euro in der Tasche habe, dann bringe ich sie nach Hause und verschwende sie nicht zum Kaffee-Trinken."
Die umliegenden Cafés am Kotzia-Platz im Zentrum Athens sind leer. Die Geschäfte wirken wie ausgestorben. Kaum jemand flaniert durch die Einkaufsstraße in der Nähe des Syndagma-Platzes. Außer Eleni, die sich mit vollgepackten Einkaufstüten unter den Armen, im Schatten eine Pause gönnt. Sie hat mit EC-Karte bezahlt, das geht noch, meint sie. Und mit den 60 Euro in bar? Sie kommt gut damit klar.
"Ich nehme das, was mir der Bankautomat gibt. Ich gebe nicht alles aus und verschwende nichts. Im Supermarkt kaufe ich eben etwas weniger ein, ich helfe meiner Schwester und ihrem Mann. So machen wir das."
In Supermärkten noch keine Engpässe
Für Reisen könnte Eleni problemlos ihre Kreditkarte benutzen, behauptet sie. Leergeräumte Supermarkt-Regale hat sie noch nicht gesehen. Tatsächlich sind zumindest im benachbarten Supermarkt die Regale noch gefüllt, ein Mitarbeiter bekräftigt: Nein, hier gibt es noch keinen Lieferengpass. Ein anderes Bild ergibt sich in der Apotheke von Yanis Karamanolis. Er zeigt auf eine Liste mit Medikamenten.
"Medikamente gegen Bluthochdruck, Antibiotika, Krebsmedikamente, neurologische Arzneimittel. Und so weiter. 20 wurden nicht geliefert und das geschieht gerade in fast allen Apotheken."
30 Prozent seiner Bestellungen kommen nicht an oder verspäten sich um Tage. Das liegt laut dem 65-jährigen Apotheker an den geschlossenen Banken. Griechische Pharma-Händler können nichts importieren, sein "Farmakeio" - seine Apotheke - bekommt keinen Nachschub, Kunden können nicht bezahlen. Ein Teufelskreis. Und häufig bleiben die offenen Rechnungen bei ihm liegen.
"Je nach dem: für ein paar Tage oder für ein paar Wochen. In den letzten Jahren haben wir gelernt: Je nachdem wann die Menschen ihre Rente ausgezahlt bekommen, können sie uns erst nach einem Monat bezahlen. Und die Apotheker geben dann einfach so die nötigen Medikamente aus, um zu helfen."
Angespannte Situation
Seit über 40 Jahren ist Yanis Apotheker. So eine angespannte Situation hat er in dieser Zeit noch nicht erlebt.
"Es gibt Menschen, die einfach nicht mehr können. Es wird immer schlimmer. Andere müssen sogar beim Essen sparen für lebensnotwendige Tabletten, die nicht ersetzt werden können. Der Zugang zu Medikamenten hat doch etwas mit einem würdevollen Leben zu tun, mit einem guten, richtigen Leben."
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