Griechenland

"Die Krise kann auch schnell zu Ende sein"

Theodorus Daskarolis im Gespräch mit Dieter Kassel  · 08.01.2016
Die Berichterstattung über Griechenland hat zwar abgenommen, doch der Kampf gegen die Krise geht weiter. Griechenlands Botschafter in Berlin, Theodorus Daskarolis, gibt sich dennoch optimistisch: "Es kann auch schnell gehen."
In den Medien ist es ruhiger geworden um Griechenlands Schuldenkrise. Was nicht heißt, dass sich die Lage dort merklich entspannt hätte. Noch immer ringt Athen mit den Spar- und Reformauflagen der internationalen Geldgeber, die Stimmung bleibt angespannt. Griechenlands Botschafter in Berlin, Theodorus Daskarolis, will sein Land trotzdem nicht abgeschrieben wissen.
"Es kann auch schnell gehen", sagte Daskarolis im Deutschlandradio Kultur mit Blick auf die Bewältigung der Krise. "Es ist eine Frage des politischen Willens." Im Zentrum stehe die Bereitschaft die griechischen Regierung umzusetzen, was mit den Kreditgebern vereinbart ist. Schon jetzt seien zahlreiche Reformen umgesetzt worden. Gleichzeitig müssten sich auch die internationalen Partner an ihre Versprechen halten: "Das heißt, so schnell wie möglich eine Diskussion eröffnen über die Regelung der griechischen Schulden." Auch dies sei im Juli zwischen beiden Seiten vereinbart worden.
Theodoros Daskarolis, griechischer Botschafter in Deutschland, hat sich ins Gästebuch von Deutschlandradio Kultur eingetragen
Theodoros Daskarolis, griechischer Botschafter in Deutschland, hat sich ins Gästebuch von Deutschlandradio Kultur eingetragen© Deutschlandradio / Cornelia Sachse
Das deutsch-griechische Verhältnis ist nach Ansicht des Botschafters wieder besser geworden: "Man spürt es." Bei den meisten seiner Gesprächspartner aus Politik und Diplomatie nehme er klar war, "dass Deutschland ein ehrliches Interesse hat, das Griechenland so schnell wie möglich aus der Krise kommt und dass sich die Wirtschaft auch erholt - und ich finde das positiv."

Das Interview im Wortlaut

Dieter Kassel: Bei mir im Studio zu Gast ist jetzt ein Mann, den schon sein ganzes Leben lang ziemlich viel mit Deutschland verbindet, er ist als Kind in den frühen 60er-Jahren mit seinen Eltern nach Bonn gekommen, hat da ein paar Jahre gelebt, ist dann später in den diplomatischen Dienst seines Heimatlandes Griechenlands eingetreten, hat verschiedene Funktionen ausgeübt, war zum Beispiel in der Vertretung Griechenlands in Ostberlin, als die Mauer fiel, da war er zweiter Botschaftssekretär gerade, hat sich auch mit deutscher Literatur beschäftigt, und er ist seit September des vergangenen Jahres der Botschafter Griechenlands in Berlin. Herzlich Willkommen bei uns, Theodorus Daskarolis! Schönen guten Morgen!
Theodorus Daskarolis: Schönen guten Morgen, vielen Dank für Ihre Einladung!
Kassel: Ich habe das ganz am Rande jetzt erwähnt, Sie haben Jura studiert unter anderem, Sie haben sich aber auch viel mit deutscher Literatur beschäftigt, Heinrich von Kleist ins Deutsche übersetzt, seit Sie jetzt wieder umgeben sind von dieser deutschen Literatur, seit Sie wieder in Berlin leben, haben Sie überhaupt noch Zeit, sich auch damit zu beschäftigen, mit dem Kulturleben?
Daskarolis: Eigentlich keine. Also ehrlich gesagt, ich bin erst vier Monate hier, ich hoffe, ich werde die Zeit finden, mich auch ein bisschen weiter mit der deutschen Literatur und Übersetzungen auch der deutschen Literatur ins Griechische zu finden, aber das ist ein Wunsch.

In Griechenland werden deutsche Klassiker gelesen

Kassel: Aber ist denn das Interesse an deutscher Literatur in Griechenland im Moment überhaupt vorhanden?
Daskarolis: Es ist, es ist. Besonders bei den deutschen Klassikern, aber auch bei moderner Literatur. Zum Beispiel deutsche Klassiker wie Goethe, Heinrich von Kleist und andere, die liest man häufig in Griechenland, und man diskutiert darüber. Thomas Mann ist auch beliebt, Heinrich Mann auch, Franz Kafka, Walter Benjamin, das ist immer ein ständiges Thema, zwischen den Intellektuellen ein sehr beliebtes Thema. Günter Grass natürlich und andere. Ja, das Interesse, das gibt es.
Kassel: Wie war das eigentlich, als Sie – ich formuliere das mal so – den Auftrag bekamen vom Außenministerium, griechischer Botschafter in Deutschland zu werden im September? Sie kennen das Land, Sie kannten aber damals natürlich auch das gerade zu dem Zeitpunkt schwierige Verhältnis. Haben Sie sofort gesagt, ja, das ist eine Traumaufgabe oder haben Sie gezögert?
Daskarolis: Keines von beiden. Es ist eine Ehre, sowieso, und ich habe mich bedankt für das Vertrauen der Regierung in meine Person, und dann habe ich gesagt, jetzt kommen die schwierigen Aufgaben. Aber ich bin zurzeit sehr zufrieden, sehr begeistert von der Arbeit – die ist ziemlich viel, aber ich glaube, es ist kreativ. In der Diplomatie, das ist auch eine Kunst, da übersetzt man auch den Willen beider Seiten. Das ist sehr interessant, zuweilen auch ganz schwierig, aber ja, das ist eine Aufgabe.
Kassel: Ist denn das Übersetzen jetzt, im Januar 2016, im Vergleich zu vor ungefähr vier, fünf Monaten, als Sie kamen, wieder einfacher geworden oder – konkreter – ist das deutsch-griechische Verhältnis jetzt wieder etwas besser geworden?
Daskarolis: Ja, man spürt es. Hier in Deutschland kann ich das sehen – von den meisten Schichten der Politik und der Diplomatie, mit denen ich mich treffe und begegne, nehme ich das klare Signal an, dass Deutschland ein ehrliches Interesse hat, dass Griechenland aus der Krise so schnell wie möglich kommt und dass sich die Wirtschaft auch erholt, und ich finde das positiv.

Debatte über Schuldenschnitt

Kassel: Aber so schnell wie möglich aus der Krise kommen heißt realistisch gesehen, nicht schnell, das wird nicht gehen, oder?
Daskarolis: Es kann auch schnell gehen. Es ist eine Frage des politischen Willens, weil Finanzpolitik und Wachstum ist eine sehr wichtige Sache. Es ist eine Sache des politischen Willens, es ist eine Sache der Bereitschaft und der Entscheidung der griechischen Regierung, umzusetzen, was mit den Institutionen, mit den Partnern, den Kreditgebern vereinbart ist. Diese Entscheidung, die besteht, und die Regierung, die ehrt ihre Verpflichtungen, es haben zahlreiche Reformen in Griechenland seit dem letzten September stattgefunden, es hängt auch von der Bereitschaft unserer Partner und Kreditgeber ab, auch ihre eigenen Versprechen zu ehren. Das heißt, so schnell wie möglich, auch eine Diskussion zu eröffnen über die Regelung der griechischen Schulden. Das ist auch vereinbart im letzten Juli.
Kassel: Das heißt, Sie spielen gerade an auf die Frage des Schuldenschnitts, also auf den Verzicht auf einen Teil der Schulden?
Daskarolis: Wie gesagt, die griechische Seite setzt um, was umzusetzen ist, was vereinbart war, und natürlich, sie tut ihr Bestes, was vereinbart ist und entschieden ist, zu tun. Es ist, glaube ich, wirklich nicht ganz bedeutsam, ob man es so nennt oder so nennt, Hauptsache ist, dass die griechischen Schulden wirklich umfassend geregelt werden, weil das ist auch eine Voraussetzung für die Erholung der Wirtschaft.
Kassel: Damit überhaupt für die Zukunft, an die wir natürlich denken müssen. Was Sie meinen, ist auch sicherlich, so habe ich es auch immer empfunden, gerade im letzten Sommer, kurz bevor Sie dann als Botschafter kamen, dieses Klein-Klein, dass auch in den Medien alle 24 Stunden ein neues Thema diskutiert werden musste. Hat das vielleicht jetzt der Entwicklung der letzten Monate gut getan, dass das nachgelassen hat? Zumindest in Deutschland hat die Berichterstattung über die griechische Schuldenkrise ja deutlich nachgelassen, was, glaube ich, eher mit der weltpolitischen Lage zu tun als mit der konkreten Entwicklung in Ihrem Land, aber hat diese Ruhe in der Öffentlichkeit der Entwicklung gut getan ein bisschen?

Nachbar einer "unstabilen Zone"

Daskarolis: Ja, das können Sie auch so interpretieren. Es gab andere Sachen über Griechenland, die man in der Vergangenheit, also vor vier Monaten eigentlich, sagen wir, vor fünf Monaten, die hat man wirklich in Deutschland unterschätzt, wenn ich es so ausdrücken darf. Und zwar, war man zu viel fokussiert auf die Schuldenfrage und auf das Verhältnis der neuen Regierung. Es gab auch – das kann man leicht verstehen – ideologische Gründe vielleicht dafür, dass man zu viel fokussiert hat auf das Verhältnis der neuen Regierung mit der Bundesrepublik und so weiter. Aber dabei hat man unterschätzt andere Dimensionen auch der Krise, aber auch der Politik. Das heißt, man hat unterschätzt die geopolitische Dimension, man hat unterschätzt die bestimmte Rolle, die geopolitisch Griechenland ... Griechenland ist doch genau an einem Dreieck und Nachbar von sehr unstabilen Zonen. Im Norden, das ist die Ukraine, im Osten, das ist die syrische Krise, und im Süden, das ist Libyen. Griechenland, trotz der finanziellen Schwierigkeiten und der sozialen Konsequenzen – das muss man auch dabei sagen –, ist ein stabiles Land. Natürlich, die Rolle Griechenlands bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise, das hat man auch gemerkt. Ein bisschen spät, aber nicht zu spät.
Kassel: Das ist doch ein schönes Schlusswort, hoffentlich, aber kein endgültiges Schlusswort. Ich hoffe, dass wir Sie bald wieder, um über weitere Themen zu reden, bei uns begrüßen dürfen. Ich danke Ihnen für heute, Herr Daskarolis!
Daskarolis: Ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Und ich möchte auch ein gutes Wort, ein schönes Wort auch für Ihre Zuhörer und Ihre Mitarbeiter dabei haben. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Jahr 2016 wirklich ein Jahr der Gerechtigkeit sein wird, der Gerechtigkeit für die Griechen, für die Deutschen, für die Flüchtlinge, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, für alle, und ich wünsche Ihnen und Ihren Zuhörern viel Glück. Außerdem, ich glaube, was man hier braucht, in Deutschland auch, ist ein bisschen mehr Europadenken: Wir werden beide Krisen – Finanzkrise und die Flüchtlingskrise, und andere Krisen auch in der Zukunft –, die werden wir nicht alleine in Europa regeln können. Man braucht mehr und nicht weniger Europa. Besten Dank für Ihre Einladung!
Kassel: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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