Griechenland braucht eine zweite Chance

Von Michael Braun, Wirtschaftsstudio Frankfurt/Main · 14.06.2011
Vielleicht haben die Ressortchefs der EU-Staaten heute zum Abendessen – passend zur Tagesordnung - einen Schluck griechischen Weins gereicht bekommen. Dass er in einem Schlager der siebziger Jahre zum "Blut der Erde" gekrönt worden ist, trifft auf viele Sorten zu. Ihn zu pflegen und zu pflücken ist in der Hitze des Landes große Mühsal.
Die ist jetzt gefragt. Denn dass das Land jahrelang über seine Verhältnisse gelebt, muss es selbst auslöffeln.

Mit harter Wirklichkeit müssen auch die Geldgeber der Griechen konfrontiert werden. Das kann letztlich nur bedeuten, dass ein Schuldenschnitt unumgänglich ist. Denn nur mit Sparprogrammen wird Athen seine Staatsschulden von immerhin 160 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung niemals zu marktgerechten Konditionen bedienen, geschweige denn tilgen können.

Das wissen alle Beteiligten, die Banken, die Finanzminister, die Europäische Zentralbanken und ihre nationalen Dependancen einschließlich der Bundesbank. Aber sie stellen sich dem nicht. Statt eine Insolvenz von Griechenland zu managen, reden sie
über weiche, freiwillige oder rein freiwillige Umschuldung. Denn es geht ihnen nicht um Griechenland, sondern nur darum Zeit zu gewinnen: Zeit für Banken, Versicherungen und Pensionskassen, sich langsam auf eine Pleite einzustellen, die dann nicht mehr auf andere Länder und das Finanzsystem ausstrahlt.

Dass das möglich ist, hat der Finanzmarkt heute angedeutet: Der Risikoaufschlag, der heute auf griechische Papiere gezahlt werden musste, stieg. Der für spanische sank. Offenbar wird differenziert, nicht panikartig alles über einen Kamm geschoren.

Das macht Hoffnung. Bundesbank und EZB versuchen dabei, die Verantwortung für Griechenland auf die Finanzminister zu schieben. Es ist ein Versuch, die Zuständigkeiten wieder klar herzustellen: Die EZB hat in Zeiten noch größerer Krise griechische Staatsanleihen gekauft, hat den Staat also finanziert, damit Athen nicht insolvent wird. Diese Verantwortung will sie nun wieder den Finanzministern allein zuordnen. Das ist recht. Aber dann soll sie auch zu den Methoden schweigen und eine Staatspleite nicht kategorisch ablehnen.

Die ist unumgänglich, früher oder später. Dazu braucht die Währungsunion ein Verfahren. Regeln des Maastrichter Vertrag zu dem Thema haben an Vertrauen verloren.

Aber: Wie bei einer privaten Insolvenz braucht auch ein Staat eine zweite Chance. Das gilt auch für Griechenland. Es wird ein Staat mit effizienterer Verwaltung werden müssen, ein schlankerer Staat mit privatisierten Industrien. Vielleicht wird das entschuldete Griechenland beim Exportweltmeister keine Rüstungsgüter mehr kaufen können, vielleicht werden seine Bürger keine Autos aus Deutschland mehr importieren können. Und vielleicht werden sie ihre Reiseziele billiger anbieten müssen, um die Touristen zu locken. Es lohnt, darauf einzugehen, wegen der Freundlichkeit der Menschen dort, wegen der Kultur und nicht zuletzt wegen des Weins.