Grenzkontrollen

Ohne Plan

An der Grenze zu Österreich hat die bayerische Polizei bei Lindau eine Kontrollstelle eingerichtet, um den einreisenden Verkehr zu überwachen.
An der Grenze zu Österreich hat die bayerische Polizei bei Lindau eine Kontrollstelle eingerichtet, um den einreisenden Verkehr zu überwachen. © dpa / picture alliance / Stefan Puchner
Von Klaus Remme · 14.09.2015
Wir schaffen das ... jetzt offenbar doch nicht. Mit der Schließung der Grenze zu Österreich zeigt die Bundesregierung ihre Hilflosigkeit, kommentiert Klaus Remme: Die Signale schwanken in atemberaubender Weise.
Als wäre es von Montag bis Freitag im Moment nicht schon stressig genug, zurzeit wird es erst am Wochenende so richtig spannend. Nebenbei: Auch so eine Parallele zur Bankenkrise, auch damals brütete man am Wochenende, traf dramatische Entscheidungen, um in der anstehenden Woche irgendwie über die Runden zu kommen. Und insofern darf man gespannt sein, was der Bundesregierung am nächsten Wochenende einfällt.
Die Schwankungen der letzten 14 Tage sind, um das Wort von Angela Merkel aufzunehmen, atemberaubend. Da konterkariert ein grimmig klingender Bundesinnenminister gestern Nachmittag die Tonlage, die seine Kanzlerin noch am Wochenende davor ausgegeben hatte – eine Tonlage, die ihr international viel Respekt einbrachte. Und die Bundesregierung will dieses Manöver auch noch als Kontinuität verstanden wissen. Von Signalen ist viel die Rede. Die Einführung der Grenzkontrollen sei ein Signal an Europa, sagt de Maizière, gleich an die ganze Welt, sagt Seehofer. Was soll das?
An Europa? EU-Partner, die sich bisher, selbst unter dem Eindruck der täglichen Bilderflut, einer Aufnahme von Flüchtlingen weitgehend verweigert haben, werden durch Kontrollen an deutschen Grenzen sicherlich keine Einsicht zeigen und plötzlich zur Vernunft kommen.
An die Welt? Wer immer die deutsche Entscheidung in den Flüchtlingslagern oder auf dem langen Weg mitbekommen hat, der weiß wahrscheinlich sowieso nicht mehr, welchen Signalen er glauben soll:
Dublin wird nicht angewendet / Dublin gilt / halt doch nicht, Ausnahmefall, alles geht / halt, jetzt nicht mehr, wir brauchen Zeit, wie lange? Sagen wir nicht.
Ein grundfalscher Satz von Merkel
Alles offizielle deutsche Signale der letzten Tage. Was bleibt bei Flüchtlingen vom formal korrekten Merkel-Satz, das Asylrecht kenne keine Obergrenzen? Richtig, es bleiben die letzten beiden Worte, keine Obergrenzen, die für sich genommen grundfalsch, völlig irreführend und kontraproduktiv sind. Die deutsche Politik zeigt: Wir sind überfordert und keiner hat einen Plan.
De Maizière will Hot Spots, doch bis die funktionieren, herrschen Minusgrade. Alle reden von Quoten, doch selbst wenn sie kommen: Wie man Flüchtlinge an ein Land binden will, in dem sie nicht willkommen sind, weiß niemand zu sagen.
Die Hilflosigkeit ist mit Händen zu greifen und die Bundesregierung wirkt wie eine Gruppe Ehrenamtlicher, die nach einem Kraftakt mal verschnaufen muss. Mit ihrem "Wir schaffen das!" wollte Angela Merkel Mut machen. Inzwischen weckt sie vor allem Zweifel.
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