Grenzkonflikt mit Belarus

Mehr Transparenz an der polnischen EU-Außengrenze nötig

06:50 Minuten
Belarus, Grodno: Auf diesem vom Staatlichen Grenzkomitee Belarus veröffentlichten Foto stehen Migranten mit Kindern vor einem Grenzzaun aus Stacheldraht an der belarussisch-polnischen Grenze.
Migranten an der belarusisch-polnischen Grenze. © dpa / AP / The State Border Committee
Sergey Lagodinsky im Gespräch mit Stephan Karkowsky  · 11.11.2021
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Der grüne Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky fordert freien Zugang für NGO-Vertreter und Journalisten zur polnisch-belarusischen Grenze. Außerdem müsse die EU für die im Grenzgebiet gestrandeten Flüchtlinge geregelte Asylverfahren organisieren.
Angesichts der Flüchtlingskrise im Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus fordert der grüne Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky, dass Polen humanitären NGOs und Journalisten den Zugang zur Grenze erlauben sollte.
"Das bedeutet nicht, dass die Grenze aufgemacht wird, sondern da wird einfach mehr Transparenz und hoffentlich auch mehr Vertrauen gegenüber der polnischen Regierung geschaffen."
Außerdem müssten rechtsstaatliche und asylrechtliche Verfahren organisiert werden, sagt der Parlamentarier. Die EU sollte Aufnahmezentren auf ihrem Territorium aufbauen und nicht etwa in Nachbarländern wie der Ukraine. Dort könne dann geprüft werden, ob die Flüchtlinge Erfolgsaussichten hätten. "Erst danach können wir sie verteilen." Anders komme man aus diesem Dilemma nicht heraus.

Schwierige Mehrheiten in der EU

Es werde zwar schwierig, in der EU dafür Mehrheiten zu finden, so Lagodinsky. Denn bisher hätten gerade Polen, Ungarn und die baltischen Staaten immer blockiert, wenn es darum gegangen sei, so ein Verfahren zu etablieren. Jetzt gehe es aber nicht mehr um Flüchtlingsprobleme in Griechenland oder Italien, sondern nun seien auch Polen und Litauen in der gleichen Situation.
"Ich hoffe, dass es da zu einer Bewegung kommt, hin zu einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Fluchtpolitik", so der Grünen-Politiker. Anders lasse sich das Problem in Zukunft nicht lösen.

Menschen in Belarus nicht vergessen [AUDIO] - Die belarussische Journalistin Katja Artsiomenka hat angesichts der Flüchtlingskrise im polnisch-belarussischen Grenzgebiet an die dramatische Lage in Belarus erinnert. Sie weigere sich, das als Normalität anzunehmen, und sei erschüttert über die vielen Berichte von Verhaftungen und Folter. Die Diktatur lasse sich nicht hinter einem Zaun verstecken. Die Moderatorin des belarussischen Programms der Deutschen Welle zeigt sich zuversichtlich, dass trotz der Blockade ihres Programms viele Menschen in Belarus das Programm weiter nutzen könnten und die Sperre umgingen.

Die belarusische Oppositionsführerin Maria Kolesnikowa vor einem Gericht in Minsk.
© picture alliance / Sputnik / Viktor Tolochko
Da seine Muttersprache russisch ist, verfolgt Lagodinsky intensiv die russischsprachigen Quellen zum Grenzkonflikt. "Ich sehe, wie genüsslich die offiziellen Stellen sowohl in Moskau als auch in Belarus den Europäern das auftischen und zeigen, in welcher schwierigen Situation wir stecken und wie viele Hebel sie angeblich gegenüber der Europäischen Union haben", sagt der Abgeordnete.
Was er lese, auch von belarussischen NGOs, deute darauf hin, dass der Grenzkonflikt von der belarussischen Regierung und vermutlich auch von der russischen gesteuert werde.

Suche nach Anerkennung in Minsk

Der Machthaber Alexander Lukaschenko wolle von der EU als Akteur und Gesprächspartner wahrgenommen werden, erläutert Lagodinsky die Beweggründe. Belarus sei Richtung Westen völlig isoliert und mit EU-Sanktionen belegt. "Das wollen sie natürlich zurückdrehen."
Hinzu kämen Narrative, in denen behauptet werde, dass die Türkei angeblich durch das Flüchtlingsabkommen mit der EU sehr viel Geld bekommen habe.
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