Grenzenlose Enthüllung
In "Weißer Tod" von Liza Marklund stößt die umtriebige Journalistin Annika Bengtzon auf Kollateralschäden der europäischen Flüchtlingspolitik. Auch der neueste Fall von Schwedens erfolgreichster Krimiautorin erfüllt alle Klischees des Genres.
Wie immer beginnt alles mit einer Leiche. In Liza Marklunds neuntem Annika-Bengtzon-Krimi - die Serie begann 1998 mit dem Roman "Sprängaren" (deutsch: "Olympisches Feuer", 2000) - herrscht Winter und auf dem Waldboden, nur wenige Meter von einer Kita entfernt, ragt ein Frauenbein aus einer Schneewehe. Natürlich ist die stets einsatzbereite und umtriebige Journalistin des Stockholmer "Abendblatt", Annika Bengtzon, noch vor der Polizei am Tatort. Die Beamten sind irritiert, denn eigentlich sollte das neue digitale Funksystem RAKEL abhörsicher und auch der Presse unzugänglich sein. Jedoch der Marklund-Fan weiß, dass es für die engagierte Investigativjournalistin Bengtzon keine Grenzen gibt.
Somit kann die erfolgreichste Krimiautorin Schwedens – von ihrem Genrekollegen Henning Mankell als eine "Klasse für sich" gepriesen – erneut ihr bewährtes Netz auswerfen. Und obwohl ihre Protagonistin in acht Romanen etliche Gewalttaten sprichwörtlich am eigenen Leib erfahren hat, Angst kennt sie nicht. Ihr kriminalistisches Gespür sowie ihr Geschick zwischen der schwedischen Boulevard-Presse und dem Stockholmer Polizeiapparat zu lavieren, sind unerreicht.
Die Handlung entfaltet sich in einer spannungsreichen Polarität, denn Annika Bengtzon muss an zwei Tatorten agieren. Während sie in der heimischen Frauenmord-Serie recherchiert, wird ihr Mann, Thomas Samuelsson, in Afrika von Terroristen entführt. Im Justizministerium als Referent für Flüchtlings- und Asylpolitik tätig, ist Thomas im Auftrag von "Frontex" (Frontières extérieures) in Nairobi unterwegs, einer Gemeinschaftsagentur der Europäischen Union mit Sitz in Warschau, die im Begriff ist, einen "neuen eisernen Vorhang" zu schaffen.
Der Plan von Frontex sieht vor, durch Vermittler wie Thomas zu erreichen, dass die Kenianer ihre Grenze nach Somalia schließen: "Gaddafi in Libyen hat von unserem EU-Kommissar eine halbe Million bekommen, damit er Flüchtlinge aus Somalia, Eritrea und Sudan in riesigen Konzentrationslagern unterbringt", heißt es im Roman. Damit Annika Bengtzon mit den Entführern über Lösegeld verhandeln kann, richtet der Staatssekretär Jimmy Halenius in ihrer Wohnung eine Schaltzentrale ein. Gemeinsam fliegen sie nach Afrika, um Thomas zu befreien.
Marklunds schlaue Strategie, einen Thriller hinzuwerfen, der alle Erwartungen (Klischees!) des Genres erfüllt, ist ohne Zweifel erneut aufgegangen. Doch während ihre akribischen Recherchen zu Schwedens Außenpolitik, zu Geiselhaft und Lösegeldforderungen überzeugen, schwächelt der Roman hinsichtlich stereotyper Dialogführung und allzu vorhersehbarer Ereignisverläufe. Das verleiht der Lektüre einen holprigen Verlauf und lässt mitunter sogar Langeweile aufkommen.
Besprochen von Carola Wiemers
Liza Marklund: Weißer Tod
Kriminalroman
Aus dem Schwedischen von Anne Bubenzer und Dagmar Lendt
Ullstein Buchverlage, Berlin 2012
379 Seiten, 19,99 Euro
Somit kann die erfolgreichste Krimiautorin Schwedens – von ihrem Genrekollegen Henning Mankell als eine "Klasse für sich" gepriesen – erneut ihr bewährtes Netz auswerfen. Und obwohl ihre Protagonistin in acht Romanen etliche Gewalttaten sprichwörtlich am eigenen Leib erfahren hat, Angst kennt sie nicht. Ihr kriminalistisches Gespür sowie ihr Geschick zwischen der schwedischen Boulevard-Presse und dem Stockholmer Polizeiapparat zu lavieren, sind unerreicht.
Die Handlung entfaltet sich in einer spannungsreichen Polarität, denn Annika Bengtzon muss an zwei Tatorten agieren. Während sie in der heimischen Frauenmord-Serie recherchiert, wird ihr Mann, Thomas Samuelsson, in Afrika von Terroristen entführt. Im Justizministerium als Referent für Flüchtlings- und Asylpolitik tätig, ist Thomas im Auftrag von "Frontex" (Frontières extérieures) in Nairobi unterwegs, einer Gemeinschaftsagentur der Europäischen Union mit Sitz in Warschau, die im Begriff ist, einen "neuen eisernen Vorhang" zu schaffen.
Der Plan von Frontex sieht vor, durch Vermittler wie Thomas zu erreichen, dass die Kenianer ihre Grenze nach Somalia schließen: "Gaddafi in Libyen hat von unserem EU-Kommissar eine halbe Million bekommen, damit er Flüchtlinge aus Somalia, Eritrea und Sudan in riesigen Konzentrationslagern unterbringt", heißt es im Roman. Damit Annika Bengtzon mit den Entführern über Lösegeld verhandeln kann, richtet der Staatssekretär Jimmy Halenius in ihrer Wohnung eine Schaltzentrale ein. Gemeinsam fliegen sie nach Afrika, um Thomas zu befreien.
Marklunds schlaue Strategie, einen Thriller hinzuwerfen, der alle Erwartungen (Klischees!) des Genres erfüllt, ist ohne Zweifel erneut aufgegangen. Doch während ihre akribischen Recherchen zu Schwedens Außenpolitik, zu Geiselhaft und Lösegeldforderungen überzeugen, schwächelt der Roman hinsichtlich stereotyper Dialogführung und allzu vorhersehbarer Ereignisverläufe. Das verleiht der Lektüre einen holprigen Verlauf und lässt mitunter sogar Langeweile aufkommen.
Besprochen von Carola Wiemers
Liza Marklund: Weißer Tod
Kriminalroman
Aus dem Schwedischen von Anne Bubenzer und Dagmar Lendt
Ullstein Buchverlage, Berlin 2012
379 Seiten, 19,99 Euro