Gregor Gysi über Lafontaines Partei-Austritt

"Linke halten sich für die besseren Menschen"

08:11 Minuten
Oskar Lafontaine (links) und Gregor Gysi auf einem Parteitag 2012 in Göttingen.
Lange waren sie Parteigenossen, jetzt trennen sich ihre Wege: Oskar Lafontaine (links) und Gregor Gysi auf einem Parteitag 2012 in Göttingen. © picture alliance / Sven Simon / Anke Fleig
Gregor Gysi im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 18.03.2022
Audio herunterladen
Gregor Gysi bedauert den Austritt von Oskar Lafontaine aus der Linken. Er appelliert an seine Genossen, politische Auseinandersetzungen weniger vehement zu führen. Die Kämpfe innerhalb der Partei seien viel zu hart: „Das ist wirklich ein Problem.“
Es ist der letzte große Paukenschlag von Oskar Lafontaine: Er verlässt die Partei „Die Linke“. Ihm tue der Schritt leid und weh, sagt sein bisheriger Parteigenosse Gregor Gysi. „Meine Erinnerung an ihn und unsere Zusammenarbeit bleibt überwiegend positiv.“
In der von Lafontaine abgegebenen Erklärung heißt es: „Ich wollte, dass es im politischen Spektrum eine linke Alternative zur Politik sozialer Unsicherheit und Ungleichheit gibt, deshalb habe ich die Partei Die Linke mitgegründet. Die heutige Linke hat diesen Anspruch aufgegeben.“ Dem allerdings widerspricht Gysi deutlich: „Die Linke bemüht sich schon, deutlich mehr Gerechtigkeit herzustellen.“

Die Linke und der Ukraine-Krieg

Weiterer Kritikpunkt Lafontaines an der Partei: Eine auf das Völkerrecht und Frieden orientierte Politik stehe nicht mehr im Mittelpunkt. Gysi bezieht hier klar Stellung, bezeichnet Russlands Vorgehen als Angriffskrieg, den es zu verurteilen gilt. Umstritten bleibt jedoch in der Linkspartei, ob und welche Wirtschaftssanktionen Russland gegenüber befürwortet werden, sowie die Haltung der Partei zur Nato.
Gysi fordert diesbezüglich, bisherige Parteigrundsätze noch einmal zu überdenken. „Wir können uns die Welt nicht zurecht träumen.“ Vor zehn Jahren hätte er Schwedens und Finnlands Anliegen, der Nato beizutreten, beispielsweise deutlich kritisiert. „Kann ich heute nicht mehr. Wir müssen die neue Situation begreifen, nicht nur für die anderen, sondern auch für uns.“

„Linke überziehen gerne“

1999 hatte Lafontaine im Streit mit Bundeskanzler Gerhard Schröder den Vorsitz der SPD niedergelegt, trat später aus der SPD aus, vereinte die westdeutsche Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) mit der ostdeutschen PDS zur Linkspartei. Beobachtern galt er daher als kompromisslos, bisweilen sogar besserwisserisch.
Aus Sicht Gysis zumindest etwas nachvollziehbar: „Linke haben einen Nachteil: Sie halten sich, weil sie gegen Armut kämpfen und für Frieden kämpfen, für die besseren Menschen. Das stimmt aber nur ein bisschen. Sie überziehen das gerne. Und dann sind sie untereinander ja noch so, dass jeder, der links ist, meint, im Vergleich zu allen anderen hat er recht – und nicht die anderen. Deswegen sind die Kämpfe bei uns viel zu hart. Das ist wirklich ein Problem.“
Dabei sei man erst demokratisch, so Gysi, „wenn man begriffen hat, dass es in einer Gesellschaft unterschiedliche Interessen gibt – und dass sie unterschiedlich wahrgenommen und vertreten werden müssen“.
Mit seinem Parteiaustritt kommt Lafontaine auch einem laufenden Parteiausschlussverfahren der Linkspartei gegen ihn zuvor.
(lkn)
Mehr zum Thema