Greg Woolf: "Metropolis"

Eine Naturgeschichte der Städte

05:30 Minuten
Buchcover von "Metropolis. Aufstieg und Niedergang antiker Städte" von Greg Woolf
© Klett-Cotta

Greg Woolf

Aus dem Englischen von Susanne Held

Metropolis. Aufstieg und Niedergang antiker StädteKlett-Cotta, Stuttgart 2022

839 Seiten

35,00 Euro

Von Günther Wessel · 20.04.2022
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2050 werden weltweit mehr als zwei Drittel aller Menschen in Städten leben. Wie und warum sich Städte herausbildeten, beschreibt der englische Althistoriker Greg Woolf in einem erstaunlichen Buch.
Erstaunlich ist Greg Woolfs Herangehen und auch, dass der deutsche Verlag den Untertitel des Buches geändert hat. Im Original lautet dieser „Eine Naturgeschichte“ und das ist durchaus programmatisch: Denn der Althistoriker stützt sich überwiegend auf Archäologie, Geografie und Umweltwissenschaften – und sieht sich als Evolutionist.
Woolf argumentiert sehr stringent und gut nachvollziehbar: Urbanismus sei ein sozialevolutionärer Pfad der Menschheit, weshalb es Stadtgründungen zwar zeitlich verschoben, aber auf allen Kontinenten gab, schreibt er. Das Stadtleben biete dem Menschen dank seiner hohen Anpassungsgabe zum Beispiel an Räume und Nahrungsmittelangebote Vorteile.

Eridu und Uruk machten den Anfang

Die ersten Städte waren vermutlich die sumerischen Eridu und Uruk, dann folgten andere im sogenannten Fruchtbaren Halbmond, der Region, die sich vom Zweistromland in einem Bogen über Südanatolien bis nach Ägypten zieht. Sein Schwerpunkt liegt aber auf der Entwicklung der Städte im Mittelmeerraum ab dem ersten Jahrtausend vor Christus.
Woolf räumt mit falschen Erwartungen auf: Denn die meisten antiken Städte waren recht klein. Was Vorteile bot, sie waren so resilienter, weil sie sich aus dem Umland selbst versorgen konnten. Anschaulich und mit guten Beispielen beschreibt der Autor die ersten Megastädte, die Zentren großer Imperien, die sich aus Stadtstaaten heraus gründeten. Rom, Konstantinopel oder auch London zeigen, dass die jeweilige geografische Lage mit fruchtbarem Hinterland und schiffbaren Gewässern wichtig war.
Zum anderen aber imperialer Wille: Nur starke Herrscher verfügten über das notwendige Material, die Nahrungsmittel und Arbeitskräfte, um Städte so wachsen zu lassen. Fehlte dieser imperiale Background schrumpften Megastädte schnell wieder auf Normalmaß: Roms Einwohnerzahl sank von über einer Million um 330 auf 20.000 Menschen innerhalb von 300 Jahren.

Megastädte haben Probleme

Denn Megastädte hatten natürlich Probleme: Sie konnten sich nicht mehr selbst ernähren. Und vielleicht – Woolf ist sich da nicht sicher und es ist eine der Stärken des Buches, dass er Forschungslücken benennt – beförderte das sogenannte Klimaoptimum der Römerzeit mit reichen Ernten die Herausbildung Roms zur Megastadt, während die schlechteren Wetterbedingungen danach zur Lebensmittelknappheit führten.
Zusätzlich waren antike Städte oft ungesunde Orte: Enge und schlechte hygienische Bedingungen sorgten für die schnelle Ausbreitung von Krankheitserregern, die oft von weither kamen. Was laut Woolf auch einen Einfluss gehabt haben könnte (und uns heute ja bekannt vorkommt).   
Stadtentwicklung als Naturgeschichte. Greg Woolf hat eine spannende und detailreiche Studie über frühe Stadtgründungen und -entwicklungen verfasst, so gelehrt – allein 47 Seiten Literaturhinweise – wie es sich für einen Hochschullehrer gehört, und dennoch so gut und wirklich spannend lesbar, wie man es sich von einem populären Sachbuch erhofft.

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