Greenpeace wirft Behörden Versagen vor
Nach den Störfällen und Pannen in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel hat Greenpeace die zuständigen Aufsichtsbehörden kritisiert. Im Umgang mit dem Betreiber Vattenfall sei zu lange gewartet worden, sagte der Kampagnen-Geschäftsführer der Umweltorganisation Roland Hipp.
Jörg Degenhardt: Der Stromkonzern Vattenfall wird der Aufsichtsbehörde in Kiel wohl heute einen Zwischen bericht zu den Pannen in den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel vorlegen. Am Telefon ist jetzt der Kampagnen-Geschäftsführer der Umweltorganisation von Greenpeace, Roland Hip. Guten Morgen, Herr Hipp.
Roland Hipp: Guten Morgen, Herr Degenhardt.
Degenhardt: Hat die Politik nach den Störfällen der letzten Tage und Wochen eigentlich richtig und rechtzeitig reagiert, vornehmlich auch der Bundesumweltminister?
Hipp: Also, ich glaube, die Aufsichtsbehörden müssen schneller reagieren. Wenn man sieht, wie in den letzten Tagen agiert wird, dass Vattenfall gebeten wird zu irgendwelchen Gesprächen und dann die Verantwortlichen nicht kommen, dann glaube ich, dass da zu lange gewartet wird. Das ist nicht nur heute so, das ist in der Vergangenheit auch so. Wenn man sich mal vorstellt, dass laut Atomaufsichtsbehörde in Kiel es eine Mängelliste gibt aus dem Jahr 2001 für Brunsbüttel mit Hunderten von Punkten, die bis zum heutigen Tag nicht abgearbeitet wurden … Jetzt stellen Sie sich mal vor, jemand geht mit seinem Auto zum TÜV und hat eine Mängelliste mit Hunderten von Punkten. Der fährt entweder gar nicht mehr vom Hof, oder der bekommt eine Frist und wenn er die nicht einhält, dann wird die Betriebserlaubnis entzogen. Und, ich glaube, da sieht man ganz eindeutig, dass die Behörden nicht schnell genug oder überhaupt nicht reagieren.
Degenhardt: Das heißt, wir brauchen nicht schärfere Vorschriften, sondern nur härtere Kontrollen.
Hipp: Wir müssen da ganz anders durchgreifen. Vattenfall ist kein zuverlässiger Betreiber von Atomkraftwerken und das schreibt aber das Atomgesetz schon vor. In § 7 steht drin, der Betreiber muss zuverlässig sein, sonst muss ihm die Betriebserlaubnis entzogen werden. Ich muss aber dazu sagen, das ist nicht nur Vattenfall. Ich glaube, dass es nicht möglich ist, Atomkraftwerke sicher zu betreiben. Der Faktor Mensch ist da sehr ausschlaggebend. Jeder Mensch macht Fehler, ich mache auch Fehler, ich gehe davon aus, auch Sie machen mal einen Fehler, und wenn ein Mensch in einem Atomkraftwerk, zum Beispiel ein Schichtleiter, Fehler macht, dann hat das immense Auswirkungen, das kann Millionen von Menschen treffen, wie wir in Tschernobyl gesehen haben. Und deswegen glaube ich, nicht nur Vattenfall ist unzuverlässig, sondern ich sage, Atomkraftwerke können nicht sicher betrieben werden auf Grundlage des Faktors Mensch, und deswegen müssen wir raus aus dieser Technik.
Degenhardt: Dazu kommen wir vielleicht noch. Wenn ich vielleicht noch mal einen Schritt zurückgehen darf, die Grünen-Fraktionschefin Künast hatte die Kunden des Energiekonzerns Vattenfall aufgerufen, den Stromanbieter zu wechseln. Würde denn Greenpeace einen Boykott von Vattenfall unterstützen?
Hipp: Wir rufen seit Jahren auf zum Stromwechsel. Wir haben sogar eine eigene Genossenschaft gegründet, Greenpeace Energy in Hamburg, und sagen, geht weg von Atom und Kohle, weil das hat nicht nur mit der Gefährlichkeit von Atom zu tun, es hat auch was mit dem Klima zu tun, und deswegen sagen wir seit 2000, geht weg von diesen Unternehmen, solange sie auf Kohle und Atom setzen, und geht hin zur ökologischen Stromversorgung.
Degenhardt: Ja, das geht aber nicht von heute auf morgen. Wir brauchen doch zumindest eine Übergangsphase, in der wir doch, denke ich mal, auf die Atomkraft nicht verzichten können.
Hipp: Greenpeace hat gerade im März 2007 diesen Jahres noch mal eine Studie vorgelegt, und wir haben gesagt, wie kann denn ein Plan B aussehen für die Bundesrepublik Deutschland? Plan A ist die heutige Versorgung für uns und die ist komplett schiefgegangen, sowohl auf dem atomaren Sektor wie auch auf dem Klimasektor. In diesem Plan B haben wir vorgerechnet und haben gesagt, es geht. Man muss nur diesen politischen Willen dazu haben. Es geht, dass wir bis zum Jahr 2015 aus der Atomkraft aussteigen. Es geht, dass wir dann bis zum Jahr 2020 40 Prozent unserer CO2-Emissionen reduzieren können. Und das Schöne an dieser ganzen Sache ist: Wir werden dann noch von Importen, von irgendwelchen Rohstoffen, unabhängiger. Das heißt, es geht, es muss nur der politische Wille da sein.
Degenhardt: Die andere Seite: Wende sich Deutschland von der Atomkraft ab, sagen deren Betreiber, würde das ungefähr eine halbe Million Jobs kosten. Die würden verloren gehen. Das kann Sie doch auch nicht kalt lassen.
Hipp: Also, wir haben heute, wenn man das mal umdreht, in den regenerativen Energien schon doppelt so viele beschäftigte Menschen wie in Atomkraft oder wie in Kohle. Das heißt andersherum: Wenn wir heute nicht anfangen, in regenerative Bereiche zu investieren, wenn wir nicht anfangen, dort viel mehr zu pushen, dann wird der Markt weglaufen. Regenerative Energien werden in Zukunft eine Schlüsselindustrie werden. Dort werden die Arbeitsplätze der Zukunft geschaffen und nicht in Atom und Kohle, weil das sind auslaufende Techniken, vor allem auch auf Grundlage der vorhandenen Ressourcen auf unserer Erde.
Degenhardt: Bleibt die Frage, wohin mit den atomaren Abfällen? Wie stellt sich eigentlich Greenpeace eine vernünftige, sprich, eine sichere Endlagerung vor?
Hipp: Wir stellen uns das so vor, dass man erst mal anfängt, alle Standorte in Deutschland, die überhaupt dafür infrage kommen, tiefengeologisch oder vielleicht sogar an der Oberfläche erst mal prüft. Man hat sich viel zu früh an den Standort Gorleben, wo das Zeug ja momentan nur oberirdisch in irgendwelchen Kartoffelscheunen rumsteht, hat man sich darauf verlagert, und versucht dort jetzt mit allen Mitteln, ein unsicheres Endlager zu produzieren oder zu erzeugen. Wir sagen, erst mal muss eine eindeutige Klärung stattfinden, wo ist eigentlich der sicherste Platz. Es wird nie einen Platz geben, wo man sagen wird, erst ist 100-prozentig, aber es muss eine Klärung geben, wo ist denn sicherste Platz, und dann muss dieser erkundet werden.
Degenhardt: Haben Sie eigentlich auch in dieser Angelegenheit einen Kontakt zum Bundesumweltminister?
Hipp: Wir haben viele Kontakte zum Bundesumweltminister. Wir haben ja auch viele Themen, die, sage ich mal, ihn betreffen, und wir versuchen natürlich, ihn auch davon zu überzeugen, dass Gorleben kein sicherer Endlager-Standort ist und wir neue Standortlager suchen müssen.
Degenhardt: Am Telefon von Deutschlandradio Kultur war Roland Hipp, er ist Kampagnen-Geschäftsführer bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Vielen Dank für das Gespräch.
Roland Hipp: Guten Morgen, Herr Degenhardt.
Degenhardt: Hat die Politik nach den Störfällen der letzten Tage und Wochen eigentlich richtig und rechtzeitig reagiert, vornehmlich auch der Bundesumweltminister?
Hipp: Also, ich glaube, die Aufsichtsbehörden müssen schneller reagieren. Wenn man sieht, wie in den letzten Tagen agiert wird, dass Vattenfall gebeten wird zu irgendwelchen Gesprächen und dann die Verantwortlichen nicht kommen, dann glaube ich, dass da zu lange gewartet wird. Das ist nicht nur heute so, das ist in der Vergangenheit auch so. Wenn man sich mal vorstellt, dass laut Atomaufsichtsbehörde in Kiel es eine Mängelliste gibt aus dem Jahr 2001 für Brunsbüttel mit Hunderten von Punkten, die bis zum heutigen Tag nicht abgearbeitet wurden … Jetzt stellen Sie sich mal vor, jemand geht mit seinem Auto zum TÜV und hat eine Mängelliste mit Hunderten von Punkten. Der fährt entweder gar nicht mehr vom Hof, oder der bekommt eine Frist und wenn er die nicht einhält, dann wird die Betriebserlaubnis entzogen. Und, ich glaube, da sieht man ganz eindeutig, dass die Behörden nicht schnell genug oder überhaupt nicht reagieren.
Degenhardt: Das heißt, wir brauchen nicht schärfere Vorschriften, sondern nur härtere Kontrollen.
Hipp: Wir müssen da ganz anders durchgreifen. Vattenfall ist kein zuverlässiger Betreiber von Atomkraftwerken und das schreibt aber das Atomgesetz schon vor. In § 7 steht drin, der Betreiber muss zuverlässig sein, sonst muss ihm die Betriebserlaubnis entzogen werden. Ich muss aber dazu sagen, das ist nicht nur Vattenfall. Ich glaube, dass es nicht möglich ist, Atomkraftwerke sicher zu betreiben. Der Faktor Mensch ist da sehr ausschlaggebend. Jeder Mensch macht Fehler, ich mache auch Fehler, ich gehe davon aus, auch Sie machen mal einen Fehler, und wenn ein Mensch in einem Atomkraftwerk, zum Beispiel ein Schichtleiter, Fehler macht, dann hat das immense Auswirkungen, das kann Millionen von Menschen treffen, wie wir in Tschernobyl gesehen haben. Und deswegen glaube ich, nicht nur Vattenfall ist unzuverlässig, sondern ich sage, Atomkraftwerke können nicht sicher betrieben werden auf Grundlage des Faktors Mensch, und deswegen müssen wir raus aus dieser Technik.
Degenhardt: Dazu kommen wir vielleicht noch. Wenn ich vielleicht noch mal einen Schritt zurückgehen darf, die Grünen-Fraktionschefin Künast hatte die Kunden des Energiekonzerns Vattenfall aufgerufen, den Stromanbieter zu wechseln. Würde denn Greenpeace einen Boykott von Vattenfall unterstützen?
Hipp: Wir rufen seit Jahren auf zum Stromwechsel. Wir haben sogar eine eigene Genossenschaft gegründet, Greenpeace Energy in Hamburg, und sagen, geht weg von Atom und Kohle, weil das hat nicht nur mit der Gefährlichkeit von Atom zu tun, es hat auch was mit dem Klima zu tun, und deswegen sagen wir seit 2000, geht weg von diesen Unternehmen, solange sie auf Kohle und Atom setzen, und geht hin zur ökologischen Stromversorgung.
Degenhardt: Ja, das geht aber nicht von heute auf morgen. Wir brauchen doch zumindest eine Übergangsphase, in der wir doch, denke ich mal, auf die Atomkraft nicht verzichten können.
Hipp: Greenpeace hat gerade im März 2007 diesen Jahres noch mal eine Studie vorgelegt, und wir haben gesagt, wie kann denn ein Plan B aussehen für die Bundesrepublik Deutschland? Plan A ist die heutige Versorgung für uns und die ist komplett schiefgegangen, sowohl auf dem atomaren Sektor wie auch auf dem Klimasektor. In diesem Plan B haben wir vorgerechnet und haben gesagt, es geht. Man muss nur diesen politischen Willen dazu haben. Es geht, dass wir bis zum Jahr 2015 aus der Atomkraft aussteigen. Es geht, dass wir dann bis zum Jahr 2020 40 Prozent unserer CO2-Emissionen reduzieren können. Und das Schöne an dieser ganzen Sache ist: Wir werden dann noch von Importen, von irgendwelchen Rohstoffen, unabhängiger. Das heißt, es geht, es muss nur der politische Wille da sein.
Degenhardt: Die andere Seite: Wende sich Deutschland von der Atomkraft ab, sagen deren Betreiber, würde das ungefähr eine halbe Million Jobs kosten. Die würden verloren gehen. Das kann Sie doch auch nicht kalt lassen.
Hipp: Also, wir haben heute, wenn man das mal umdreht, in den regenerativen Energien schon doppelt so viele beschäftigte Menschen wie in Atomkraft oder wie in Kohle. Das heißt andersherum: Wenn wir heute nicht anfangen, in regenerative Bereiche zu investieren, wenn wir nicht anfangen, dort viel mehr zu pushen, dann wird der Markt weglaufen. Regenerative Energien werden in Zukunft eine Schlüsselindustrie werden. Dort werden die Arbeitsplätze der Zukunft geschaffen und nicht in Atom und Kohle, weil das sind auslaufende Techniken, vor allem auch auf Grundlage der vorhandenen Ressourcen auf unserer Erde.
Degenhardt: Bleibt die Frage, wohin mit den atomaren Abfällen? Wie stellt sich eigentlich Greenpeace eine vernünftige, sprich, eine sichere Endlagerung vor?
Hipp: Wir stellen uns das so vor, dass man erst mal anfängt, alle Standorte in Deutschland, die überhaupt dafür infrage kommen, tiefengeologisch oder vielleicht sogar an der Oberfläche erst mal prüft. Man hat sich viel zu früh an den Standort Gorleben, wo das Zeug ja momentan nur oberirdisch in irgendwelchen Kartoffelscheunen rumsteht, hat man sich darauf verlagert, und versucht dort jetzt mit allen Mitteln, ein unsicheres Endlager zu produzieren oder zu erzeugen. Wir sagen, erst mal muss eine eindeutige Klärung stattfinden, wo ist eigentlich der sicherste Platz. Es wird nie einen Platz geben, wo man sagen wird, erst ist 100-prozentig, aber es muss eine Klärung geben, wo ist denn sicherste Platz, und dann muss dieser erkundet werden.
Degenhardt: Haben Sie eigentlich auch in dieser Angelegenheit einen Kontakt zum Bundesumweltminister?
Hipp: Wir haben viele Kontakte zum Bundesumweltminister. Wir haben ja auch viele Themen, die, sage ich mal, ihn betreffen, und wir versuchen natürlich, ihn auch davon zu überzeugen, dass Gorleben kein sicherer Endlager-Standort ist und wir neue Standortlager suchen müssen.
Degenhardt: Am Telefon von Deutschlandradio Kultur war Roland Hipp, er ist Kampagnen-Geschäftsführer bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Vielen Dank für das Gespräch.