Grandseigneur der Linken
Widerstandskämpfer, KZ-Häftling, Minister und Schriftsteller - das Leben von Jorge Semprun spiegelt wie kaum ein anderes die Grausamkeiten und Umbrüche des 20. Jahrhunderts wider. Die Journalistin Franziska Augstein hat mit ihrem Buch "Von Treue und Verrat" ein Porträt dieses Jahrhundertlebens vorgelegt.
Jorge Semprun, Jahrgang 1923, gehört zu den Menschen, deren Lebenslauf exemplarisch ist für ihre Zeit. Er entstammt einer der allerbesten Familien Spanien, einer Familie, in der es normal war, Macht und hohe Ämter zu haben. Mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs floh die Familie, die auf der Seite der Republik stand.
Jorge Semprun ging in Paris zur Schule, schloss sich später der Resistance und der Kommunistischen Partei an, wurde von der Gestapo verhaftet und kam ins KZ Buchenwald. Nach der Befreiung kehrte er nach Frankreich zurück und unternahm später als hoher Funktionär der spanischen KP mehrere geheime Reisen ins Franco-Spanien. Nach seinem Ausschluss aus der Partei Anfang der sechziger Jahre machte er sich als Schriftsteller einen Namen, und 1986 holte der Sozialist Gonzalez ihn als Kulturminister in sein Kabinett.
Jorge Semprun, der Grandseigneur der Linken, der Intellektuelle und Kämpfer, Häftling und Minister hat selbst viel dafür getan, dass seine interessante Biografie der Öffentlichkeit bekannt wurde und blieb: Sein literarisches Werk ist eine Mischung aus Autobiografie, Essayistik und "Vie romancée".
Bei solchen Vorgaben, gegenüber einem so hohem ästhetischen wie selbstdarstellerischem Niveau haben Biografen es schwer. Franziska Augstein hat versucht, die Waage zu halten zwischen Bewunderung und Distanz, zwischen erzählender Würdigung und historischer Genauigkeit. Einen wirklich guten Weg hat sie nicht gefunden: Sie bezeichnet ihr Buch als Porträt, nicht als Biografie, um strengen faktischen Ansprüchen aus dem Weg zu gehen. Dabei ist es ihr durchaus zu tun um das Faktische – aber sie will auch das Reflexionsniveau und die Eleganz ihres Gegenübers hinüberretten in ihr eigenes Bild von ihm. Das kann nicht gelingen, beherrscht Semprun die Kunst der Selbstmetaphorisierung doch so perfekt, dass man seine Selbstzeugnisse hätte radikal hinterfragen müssen, anstatt sie vorsichtig und damenhaft zu relativieren. Zudem geht Franziska Augstein der gebildeten Nebelwerferei Sempruns ein wenig auf den Leim, wenn sie ihrerseits Augsteinsche Familiengeschichte und eigene Lektürefrüchte in ihr Porträt einflicht wie eine Musterschülerin des Großen Meisters. Es ist dennoch ein sehr verdienstvolles und vor allem politikhistorisch interessantes Buch dem ein wenig mehr Souveränität der Autorin allerdings gut getan hätte.
Rezensiert von Katharina Döbler
Franziska Augstein: Von Treue und Verrat. Jorge Semprun und sein Jahrhundert
C.H. Beck, München 2008
381 Seiten, 24,90 Euro
Jorge Semprun ging in Paris zur Schule, schloss sich später der Resistance und der Kommunistischen Partei an, wurde von der Gestapo verhaftet und kam ins KZ Buchenwald. Nach der Befreiung kehrte er nach Frankreich zurück und unternahm später als hoher Funktionär der spanischen KP mehrere geheime Reisen ins Franco-Spanien. Nach seinem Ausschluss aus der Partei Anfang der sechziger Jahre machte er sich als Schriftsteller einen Namen, und 1986 holte der Sozialist Gonzalez ihn als Kulturminister in sein Kabinett.
Jorge Semprun, der Grandseigneur der Linken, der Intellektuelle und Kämpfer, Häftling und Minister hat selbst viel dafür getan, dass seine interessante Biografie der Öffentlichkeit bekannt wurde und blieb: Sein literarisches Werk ist eine Mischung aus Autobiografie, Essayistik und "Vie romancée".
Bei solchen Vorgaben, gegenüber einem so hohem ästhetischen wie selbstdarstellerischem Niveau haben Biografen es schwer. Franziska Augstein hat versucht, die Waage zu halten zwischen Bewunderung und Distanz, zwischen erzählender Würdigung und historischer Genauigkeit. Einen wirklich guten Weg hat sie nicht gefunden: Sie bezeichnet ihr Buch als Porträt, nicht als Biografie, um strengen faktischen Ansprüchen aus dem Weg zu gehen. Dabei ist es ihr durchaus zu tun um das Faktische – aber sie will auch das Reflexionsniveau und die Eleganz ihres Gegenübers hinüberretten in ihr eigenes Bild von ihm. Das kann nicht gelingen, beherrscht Semprun die Kunst der Selbstmetaphorisierung doch so perfekt, dass man seine Selbstzeugnisse hätte radikal hinterfragen müssen, anstatt sie vorsichtig und damenhaft zu relativieren. Zudem geht Franziska Augstein der gebildeten Nebelwerferei Sempruns ein wenig auf den Leim, wenn sie ihrerseits Augsteinsche Familiengeschichte und eigene Lektürefrüchte in ihr Porträt einflicht wie eine Musterschülerin des Großen Meisters. Es ist dennoch ein sehr verdienstvolles und vor allem politikhistorisch interessantes Buch dem ein wenig mehr Souveränität der Autorin allerdings gut getan hätte.
Rezensiert von Katharina Döbler
Franziska Augstein: Von Treue und Verrat. Jorge Semprun und sein Jahrhundert
C.H. Beck, München 2008
381 Seiten, 24,90 Euro