Grabpaten gesucht

Von Adolf Stock |
Von Hamburg bis Freiburg suchen die Verwalter historischer Friedhöfe nach Grabpaten. Menschen also, die Gräber pflegen, für die keine Nutzungsrechte mehr bestehen, obwohl sie für die Geschichte der Stadt bedeutsam sind - und deshalb erhalten werden sollten.
"Auf einigen Gräbern standen halt Schilder: Dieses Grab sucht einen Paten."

Vor einigen Jahren ging Ludger Wekenborg mit seinem Lebenspartner Wolfgang Schindler auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin spazieren.

"Das waren meistens recht runtergekommene Gräber, aber auch ganz monumentale Gräber, und dann sind wir den ganzen Friedhof abgelaufen und haben geguckt, welches Grab würde uns denn zusagen."

Damals gab es noch viele Gräber, die einen Paten suchten.

"Es war dann auch recht einfach, da einen Patenschaftsvertrag zu machen. Das Grab wurde anschließend ein bisschen restauriert und die Bepflanzung vorgenommen, so im historischen Stil."

Heute sind Ludger Wekenborg und Wolfgang Schindler im Vorstand des Fördervereins EFEU e.V., der 2007 gegründet wurde und sich um die Grabpatenschaften auf dem Friedhof kümmert. EFEU, die Buchstaben stehen für "Erhalten, Fördern, Entwickeln und Unterstützen".

Nach 1933 wurde ein Teil des Friedhofs zerstört. Die Gräber kamen nach Stahnsdorf vor den Toren der Stadt, weil sie dem Größenwahn der nationalsozialistischen Stadtplanung im Wege standen. Doch zwei Drittel der Gräber blieben erhalten. In den letzten Jahren ist es für die Friedhofsverwaltung zunehmend schwerer geworden, sich um den historischen Teil des Friedhofs zu kümmern: Oft wollen Angehörige die Nutzung der Grabstelle nicht verlängern, manchmal gab es auch gar keine Nachkommen mehr. Die Gräber werden dann aufgelöst und gehen in den Besitz der Friedhofsverwaltung über. So entstanden und entstehen Kosten, die eine Kommune auf Dauer nicht aufbringen kann.

"Als Grabmalpate können Sie sich nicht nur zu Lebzeiten schon an Ihrem 'Wunschgrabmal' erfreuen, sondern Sie leisten zusätzlich mit Ihrem Engagement einen wichtigen Beitrag zur Denkmal- und Stadtbildpflege."

So wirbt die Dresdner Friedhofsverwaltung für Grabpatenschaften im Internet. Den Bürgern wird ein fairer Deal vorschlagen: Als Paten kümmern sie sich um ein historisches Grab und haben später die Möglichkeit, dort selbst einmal bestattet zu werden.

Auf den Friedhöfen der Zwölf-Apostel-Gemeinde, zu der auch der Alte St.-Matthäus-Kirchhof zählt, funktioniert das Konzept sehr gut.

"Vielleicht können wir mal zu diesem Grab hingehen, das war eigentlich mal auch in unserer Auswahl, das ist ein Beispiel für ein Grab, es hat also jetzt ein Schild, dass dieses Grab einen Paten sucht."

Christel Mayer und ihre Lebensgefährtin Marina Sabinasz wollen demnächst Grabpaten werden. Noch sind sie auf der Suche, zwei Gräber sind in der engeren Auswahl.

"Ja, Hedwig Schulz, Lehrerin. Ach, und dann ist sie auch noch gestorben in dem Jahr, in dem meine Mutter geboren ist, also dieser Stein der sagt: Nimm mich!"

"Also ich finde, dieses Kreuz und das ist alles okay. Dieser Platz ist für mich eigentlich zu offen. Ja, so ist das eben unterschiedlich mit den Empfindungen."

"Bei dem Stein kann man übrigens noch diese Einschusslöcher von Granatsplittern sehen, also, und das wird auch sicher bleiben, das ist ein Zeitdokument in dem Fall."

"Manchmal reicht der Einsatz einer Wurzelbürste aus ... "

... wirbt das Grünflächenamt Frankfurt am Main für Grabpatenschaften im Internet. Doch nicht jedes Grab ist so pflegeleicht, viele Gräber verpflichten zu mehr. In Gießen muss ein Grabpate 8500 Euro zahlen. Bei der Bestattung kommen noch einmal 2000 Euro hinzu. Gut 10.000 Euro für ein historisches Grab, das muss man sich erst einmal leisten können. Für Berlin nennt Ludger Wekenborg moderatere Zahlen:

"Es gibt Gräber, die einfach nur gesäubert werden müssen, da ist man unter 1000 Euro dabei. Aber es gibt natürlich dann auch die Mausoleen, wo man überhaupt nicht abschätzen kann, wie teuer das wird, wo das Dach gemacht werden muss, wo man wirklich viel Geld reinstecken kann. Es geht in erster Linie darum, was Altes wieder zu beleben."

Bei der Neubelegung historischer Gräber achten die Denkmalpfleger darauf, dass nicht allzu viel verändert wird. Manchmal kommt es aber auch zum Streit, wie 2009 in Köln. Damals wurden dort Grabsteine gedreht und versetzt, alte Inschriften waren plötzlich verschwunden und es gab neue Gravuren. Auch Wolfgang Schindler vom Berliner Förderverein findet das nicht in Ordnung:

"Man muss schon die Liebe zu dieser Fläche haben und zu diesem schönen Denkmal, und die Namen müssen erhalten bleiben. Man sollte auch mit neuen Geschichten, oder Platten oder was anbringen an alte Substanz - das ist natürlich eigentlich nicht erlaubt. Also wenn man eine Beerdigung hat, dann kann man - man nennt das einen Kissenstein oder einen Liegestein - man kann seinen Namen auf neuen Sachen oder manchmal auch auf Glasplatten vor dem alten Grab aufstellen. Und die Grabgestaltung geht immer mehr auch auf den Charakter des Persönlichen auch zurück, dass man etwas sucht, was hat mit ihm zu tun."

Der respektvolle Umgang mit einem vorhandenen Grab ist das A und O einer guten Grabpatenschaft. Für Christel Mayer und Marina Sabinasz ist das ganz selbstverständlich:

"Du hast es noch gestern gesagt. Es sind ja auch Menschen gewesen, die für diese Person vielleicht mit guten Gefühlen liebevoll einen Stein ausgewählt haben. Und diesen zu erhalten und es mit der eigenen Biografie zu verbinden, das finde ich einen schönen Gedanken einfach. Und insofern, da liegt schon einer, das ist okay, das ist kein … das ist nicht schlimm, eigentlich."

"Nee, eigentlich, ja, man wird schon erwartet und empfangen werden."

"So kann man das auch sehen."

Und Ludger Wekenborg denkt da ganz ähnlich:

"Ich habe bei unserem Grab auch das Gefühl, wir sind zu Gast bei der Familie, die dieses Grab ja erschaffen hat. Es ist ja nicht wie in einem Wohnhaus, dass die ausgezogen sind und ich sage, hier hat mal Fontane gelebt, sondern das ist ein Grab, da liegen die ja drin. Da kann man ja nicht sagen irgendwie, ich schmeiß die jetzt raus."

Mit Grabpatenschaften engagieren sich Bürger für eine gute Sache. Sie helfen der Denkmalpflege und können der Friedhofsverwaltung Kosten ersparen. Doch das ist nur ein Aspekt der Wahrheit, die Suche nach einem Grab ist fast immer eine sehr persönliche Angelegenheit, so wie bei Christel Mayer:

"Ich denke es jetzt schon, das ist irgendwie ein toller Friedhof hier, und wenn dann noch ein Grab hier ist, werde ich das irgendwie mit einem Lächeln auch konstatieren. Und ich denke einen Platz zu haben ist ja zu Lebzeiten auch wichtig. Und vielleicht, auch wenn wir das irgendwie dann nicht mehr erleben, ist es auch wichtig, vielleicht auch im Tod einen Ort zu haben, und vielleicht kann man schon ein bisschen Heimatgefühl entwickeln, möglicherweise, muss man mal sehen."

Links:

Grabpatenschaften auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof
EFEU e.V.
Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe in Berlin-Brandenburg