Gotteserfahrung durch Sex
Der deutsch-persische Schriftsteller und Journalist Navid Kermani, der mit seinen Sachbüchern über den Nahen Osten bekannt wurde, hat mit "Du sollst" ein literarisches Buch über die Liebe geschrieben. Darin untersucht er poetisch, was beim Geschlechtsakt mit den einzelnen Akteuren geschieht. Er sieht Sex als ein Mittel zur Transzendenz, um Gott zu erfahren.
Der 38-jährige deutsch-persische Schriftsteller Navid Kermani geht das ewige Thema in einer ungeheuer ausgefeilten Sprache an: Sie ist genau, weil sie poetisch ist, er beobachtet mit einer Seriosität, wie man sie aus Gedichten kennt, und das, ohne lyrisierend zu werden. Dabei scheint er die Liebe zunächst auf ihren rein körperlichen Ausdruck reduzieren zu wollen; in allen Geschichten seines neuen Buchs geht es nur um das eine.
Aber er sieht im Sex mehr als pure Triebabfuhr. Schon der Aufbau des Buches läßt uns darüber nicht im Zweifel. Seine Bettgeschichten sind nach den zehn Geboten geordnet, der Geschlechtsakt - und alles, was dazugehört - hat für ihn eine göttliche Dimension. Die Transzendenz, also das außerhalb jeder Erfahrung Liegende Gottes wird paradoxerweise im Sex erfahrbar. Kermani ist ein Anti-Houellebecq, für ihn funktioniert das Sexualleben nicht nach den Gesetzen des Marktes, sondern ist eine unabhängige seelische Angelegenheit.
Bei ihm wird die Frage "Was ist Liebe?" (eine sehr losgelöste, philosophische Frage) zu einem religiös-psychologischen Forschungsgebiet: "Was geschieht, wenn wir begehren?" Mehr als die Geschlechtsteile interessieren ihn die Vorgänge in den Köpfen der beiden sozusagen Verstrickten. Aber wer sind diese? Handelt es sich immer um ein und dasselbe Paar, oder sind es verschiedene? Das bleibt trotz aller Indizien und Hinweise ungewiß.
Auf jeden Fall sind die Formen der Liebe ganz verschieden. Sie sind demütigend und erniedrigend, blutig und tragisch, skurril und absurd, sie können erhaben und von glücklicher Einfalt sein; letzteres scheint eher die Ausnahme. Sie hat tausend Gesichter, hier werden zehn vorgestellt. Die elfte und längste Geschichte, die in ihrer Krudität auf den ersten, erstaunten Blick nichts mit den zehn vorausgehenden zu tun hat, erscheint wie eine Art Epilog, der den Kreis schließt und die einzelnen Geschichten beinahe zu einem Roman verbindet.
Navid Kermani: Du sollst.
Erzählungen. Ammann Verlag, Zürich 2005.
160 Seiten. 17,90 Euro.
Aber er sieht im Sex mehr als pure Triebabfuhr. Schon der Aufbau des Buches läßt uns darüber nicht im Zweifel. Seine Bettgeschichten sind nach den zehn Geboten geordnet, der Geschlechtsakt - und alles, was dazugehört - hat für ihn eine göttliche Dimension. Die Transzendenz, also das außerhalb jeder Erfahrung Liegende Gottes wird paradoxerweise im Sex erfahrbar. Kermani ist ein Anti-Houellebecq, für ihn funktioniert das Sexualleben nicht nach den Gesetzen des Marktes, sondern ist eine unabhängige seelische Angelegenheit.
Bei ihm wird die Frage "Was ist Liebe?" (eine sehr losgelöste, philosophische Frage) zu einem religiös-psychologischen Forschungsgebiet: "Was geschieht, wenn wir begehren?" Mehr als die Geschlechtsteile interessieren ihn die Vorgänge in den Köpfen der beiden sozusagen Verstrickten. Aber wer sind diese? Handelt es sich immer um ein und dasselbe Paar, oder sind es verschiedene? Das bleibt trotz aller Indizien und Hinweise ungewiß.
Auf jeden Fall sind die Formen der Liebe ganz verschieden. Sie sind demütigend und erniedrigend, blutig und tragisch, skurril und absurd, sie können erhaben und von glücklicher Einfalt sein; letzteres scheint eher die Ausnahme. Sie hat tausend Gesichter, hier werden zehn vorgestellt. Die elfte und längste Geschichte, die in ihrer Krudität auf den ersten, erstaunten Blick nichts mit den zehn vorausgehenden zu tun hat, erscheint wie eine Art Epilog, der den Kreis schließt und die einzelnen Geschichten beinahe zu einem Roman verbindet.
Navid Kermani: Du sollst.
Erzählungen. Ammann Verlag, Zürich 2005.
160 Seiten. 17,90 Euro.