Gott im Stadion

Von Bernd Sobolla |
Während der Fußball-Weltmeisterschaft kamen Tausende evangelikaler Christen aus den USA nach Europa. Ihr Auftrag: Fußballfans missionieren. Der Dokumentarfilm "Die Liga Gottes" begleitet die christlichen Fundamentalisten bei ihren Überzeugungsversuchen.
"Lasst uns unsere Hände erheben! Let’s give him glorious pray! Wollen wir in Deutschland, in Europa und in der ganzen Welt das Evangelium von Jesus Christus verkündigen? Jesus! Jesus! Jesus!"

Berlin, Olympiastadion, Sommer 2006: Kurz vor der Fußballweltmeisterschaft treffen Tausende evangelikaler Christen zusammen, um sich auf ihre Mission vorzubereiten: Etwa 10.000 von ihnen ziehen dann während der WM durch Deutschland, um die Gottlosen dieser Welt zu bekehren. Vier von ihnen folgt der Film: Unter ihnen Scott Roeg. Der etwa 40-Jährige leitet eine Kirche in New York, und schwört als Ober-Missionar seine Leute auf die kommende Aufgabe ein.

"Denkt daran: Jedes Treffen ist eine Möglichkeit, von Gott zu sprechen. Ihr sagt, wir sind Kulturaustauschleute, wir sind einfach ehrenamtliche Mitarbeiter der WM. Benutzt nicht das Wort Missionar. Missionar ist in Europa negativ besetzt. Sagt einfach, ihr seid Touristen."

In der Gruppe sammeln alle noch einmal Kraft, feiern eine Art Gottesdienst, der dann zu einer Art Party mutiert.

"Der Heilige Geist ist hier mit seiner Kraft. Jesus, Jesus, Jesus!"

Bilder wie diese vermitteln, wie stark die Evangelikalen auf Gruppendynamik setzen. Und ihren Missionseifer erfährt der Filmemacher Robert Cibis nicht nur vor der Kamera.

"Ich habe sehr oft erlebt, dass die Protagonisten für mich gebetet haben oder wollten, dass wir zusammen mal über meinen Glauben reden. Weil es natürlich für sie komisch ist, mit jemandem zu sein, der nicht so den Glauben lebt wie sie. Die Hauptprotagonisten haben sich nach einiger Zeit dann zurückgehalten. Aber bei allen anderen, mit denen ich so ein bisschen zu tun hatte, da war es für mich besonders anstrengend, weil sie mich nur als verlorene Seele betrachten haben und nicht als was anderes."

Dann treffen sie im WM-Getümmel auf Menschen, die sie auf den richtigen Weg führen möchten. Die Sonne brennt, die Stimmung ist bestens - doch irgendwie sind die Gedanken der Fans nur auf den Ball nicht auf das Kreuz gerichtet.

"Was denkst du so über den Glauben?"

"Glauben? Ich glaube an Deutschland."

"Glaubst du, nach dem Leben ist alles aus?"

"Es geht auf jeden Fall weiter."

"Denkst du, es wäre wichtig zu wissen, wie es weiter geht, oder ist es dir egal?"

"Das ist mir egal."

"Franz, wir haben unser Gespräch noch nicht beendet."

"Noch nicht?"

"Ja, ich will noch für dich beten, wenn das okay ist?"

"Können wir noch die Nationalhymne abwarten?"

"Klar."

"Alles klar."

Es ist erstaunlich zu sehen, mit welcher Überzeugungskraft die Missionare zu Werke gehen. Und doch zeichnet sich ein Kampf gegen Windmühlen ab.

"Mein größter Gott ist Alkohol."

"Aber ich weiß, dass Gott auf dich wartet. Er ist jederzeit bereit, dich zu verändern."

"Ich bin noch nicht bereit. Hört ihr mich?"

Die Missionare sind am falschen Platz, oder es ist die falsche Zeit - vielleicht beides. Als Zuschauer weiß man nicht, ob man die Seelenretter bedauern oder wegen ihrer Naivität über sie lachen soll. Doch darf man nicht vergessen, dass sie andernorts erfolgreicher sind. Heute gibt es weltweit rund 500 Millionen evangelikale Christen - Tendenz steigend. Dazu der Regisseur Robert Cibis.

"Evangelikal sein heißt vor allem, sein Leben streng nach der Bibel auslegen, und zwar eins zu eins, und sie wörtlich zu nehmen und nicht zu viel hineinzuinterpretieren. Und zweitens: dieses Wort Gottes zu verbreiten, also die Mission zu unternehmen. Ohne Mission ist man quasi kein Christ im Sinne der Evangelikalen."

Nur zweimal erleben wir zumindest einen Teilerfolg: Nach einer nächtlichen Autobahnfahrt darf ein Missionar für seinen Fahrer beten, der gerade eine Beziehungskrise erlebt. Und in einer Kirche in Berlin hat der Auftritt des brasilianischen Fußball-Stars Paolo Sergio Folgen:

"Ich habe alles von einem Fußball zu gewinnen. Aber der große Sieger ist, ich habe für Jesus entschieden. Und diese Siege, das bleibt für die Ewigkeit."

Drei junge Leute finden sich nach dem Gottesdienst im bekehrten Kreis zusammen. Doch sonst schlagen die Versuche fehl, und bei den Missionaren sinkt die Stimmung: Verschenkte Bibeln landen im Mülleimer, in einer Berliner Moschee werden sie aufgeklärt, dass es doch mehr Dinge gebe, die Islam, Judentum und Christentum verbinde als trenne. Und schlimmer noch, Cody Mui, einer der Missionare, fängt an, die ganze Mission in Frage zu stellen.

"Er sprach nicht zu uns, als ob er uns zum Konvertieren bewegen wolle. Und das würde dem Ansehen der Christen in Amerika auch helfen. Sobald du mit einem Christen sprichst, versucht er dich zu bekehren. Und das war hier nicht so. Wichtig war hier, dass man miteinander redet, und versteht wo der andere herkommt. Was ganz gut ist."

Der Film "Die Liga Gottes" läuft auf Arte am 12. April, 18:05 Uhr, am 18. April, 5:00 Uhr, und am 28. April, 1:30 Uhr.