Gott auf der Wolke

Rezensiert von Stephanie von Oppen |
Gott – der alte Mann mit Bart auf der Wolke, ein Bild, das immer wieder von Kindern gemalt wird und auch noch in den Köpfen von manchem Erwachsenen ist. Unsere Gottesvorstellungen haben ihre Wurzeln im Mittelalter, meint der französische Historiker Jacques Le Goff. Pointiert beschreibt er in seinem Buch eine "Geschichte Gottes".
Der Gott der Christen kam aus dem Orient nach Europa. Erst nachdem das Christentum Ende des vierten Jahrhunderts Staatsreligion geworden war, setzte sich der Monotheismus gegen die Vielgötterei der Naturreligionen durch. Die unterschiedlichen Facetten des christlichen Gottes in Europa entwickelten sich im Spiegel der mittelalterlichen Gesellschaft: Der Herrgott, der dreieinige Gott, der leidende Gott, der liebe Gott. So sieht es der französischen Historiker Jacques Le Goff. Sein Buch "Der Gott des Mittelalters – eine europäische Geschichte" ist im Gespräch mit dem Publizisten Jean-Luc Pouthier entstanden.

" Der neue Gott setzte sich durch und der Glaube an ihn verbreitete sich durch ein Netz von Stätten religiöser Verehrung. Um ihm Ruhm und Ehre zu erweisen, ergreifen die Diener Gottes, die Heiligen, Besitz von diesen Orten und zwar durch Reliquien. Der Erfolg des christlichen Gottes wurde im Mittelalter durch ein dichtes und gut strukturiertes Netz gesichert, mit dem der Raum erobert und besetzt wurde. "

Nüchtern, einleuchtend, pointiert beschreibt Le Goff eine "Geschichte Gottes" und damit gelingt ihm eine eigenwillige Perspektive auf das Mittelalter. Er stellt Gott als ein kulturelles Phänomen in den Mittelpunkt, vergisst dabei jedoch nicht, seinen Respekt gegenüber Glaubensüberzeugungen zu betonen.

Der Gott der Europäer sei zunächst ein Gott der Könige gewesen. Die früheren Gottesdarstellungen waren thronende Herrscher, zu dem der einfache Gläubige aufschaute. Sinnlich erfahrbar wurde er durch Wunder. Der Gott des Mittelalters sei ein Wundertäter gewesen, schreibt Le Goff.

Als Mittler zwischen den Gläubigem und Gott kamen die Engel auf.

" Ihre Aufgabe ist, diesen Menschen gegen Angriffe des Teufels zu schützen und ihn davor zu bewahren, den Versuchungen der Sünde zu verfallen. Diese Engel sind Schutzengel. Mit ihrem Auftreten kommt es fast zu einer Verdopplung der christlichen Bevölkerung. Der Gott des Mittelalters steht an der Spitz eines ganzen Universums. Und ich glaube, dass die Menschen des Mittelalters sich dieser Rolle, dieser Macht Gottes bewusst waren. Bewegen wir uns im mittelalterlichen Christentum noch im Monotheismus? Ja: Schon von Anfang an enthielt die christliche Lehre einen ganz besonderen Lehrsatz: Die Lehre von der Trinität, der Dreifaltigkeit Gottes. Gott ist einer und dreifaltig, das heißt er ist einer in drei Personen. "

Die Frage nach dem Monotheismus, wird für den skeptischen Leser damit nicht befriedigend beantwortet sein. Zu Recht: Immerhin gab es einen Jahrhunderte alten dogmatischen Kirchenstreit darüber. Le Goff beschreibt ihn in groben Zügen.
Im späteren Mittelalter, als besonders viele Kriege, Naturkatastrophen und Krankheiten in Europa wüteten, wurden die Menschen empfänglicher für das Bild des leidenden Gottes, für den Christus der Passion.

" Seine Heldentat, wenn ich mich so ausdrücken darf, war der Sieg über den Tod. Hier sehen wir auch welches Beispiel er den Gläubigen gab. Da er den elendsten und schändlichsten aller Tode gestorben ist, die es zu seiner Zeit gab, den Tod der Sklaven am Kreuz, hat Jesus gezeigt, dass alle Menschen gerettet werden können, weil der Elendste unter ihnen gerettet wurde. "

Nun wird Gott zum Beschützer, zum lieben Gott. Nach Auffassung der Christen, einem besseren Gott als dem vermeintlich zürnenden Gott der Juden, schreibt Le Goff. Seine Schlussfolgerung dazu:

" Und in dem Maße, in dem sich ein Antijudaismus entwickelte, der im neunzehnten Jahrhundert zu einem rassistischen und politischen Antisemitismus wurde, drängten die Christen im Mittelalter den Gott der Juden mehr und mehr unter die falschen Götter zurück, zu denen der so sehr verkannte Gott der Muslime bereits von Anfang an gezählt wurde. "

Le Goff kommt am Schluss also zu einem Thema, das für das eigene Profil eines christlichen Gottes von großer Bedeutung war: Die Abgrenzung gegenüber den anderen monotheistischen Religionen – mit fatalen Folgen. "Der Gott des Mittelalters" ist ein kulturgeschichtlicher Abriss über fast ein Jahrtausend auf hundert Seiten, unterhaltsam, durch die Gesprächsform gut strukturiert und gerade für Laien geeignet.