Gotha bekommt seine Seele zurück

Von Mirko Schwanitz · 19.10.2013
Die Kunstsammlung des 1878 erbauten Herzogliche Museum ist über die Jahrhunderte gewachsen, 1944 wurden Werke ausgelagert, der in Gotha verbliebenen größeren Teil brachte die Rote Armee in die Sowjetunion. Erst ab 1955 erfolgte die Rückgabe. Nun wurde das Museum von Bund, Land und privaten Stiftungen umgestaltet und neueröffnet.
In einem Festakt wurde das rekonstruierte Herzogliche Museum in Gotha wiedereröffnet. Damit erhielt eine der ältesten und bedeutendsten deutschen Kunstsammlungen ihren angestammten Platz zurück - die Kunstschätze der Herzöge von Sachsen-Coburg-Gotha. Elf Millionen Euro haben Bund und das Land Thüringen in die Rekonstruktion investiert. Das Ergebnis übertreffe alle Erwartungen, meint Denkmalpflegerin Sabine Ortmann:

"Die Gottfried-Semper-Idee findet man in diesem Bau wieder, von dem Aufbau der Fassaden, von der Raumabfolge und was das Tolle ist, dass innen dieses Museum wieder zum Leben erwacht und ein Gesamtkunstwerk wieder entstanden ist."

Strahlend präsentiert sich den Besuchern das 1864 bis 1878 im Stil italienischer Renaissance-Paläste erbaute Gebäude. Seine klar gegliederten Sandsteinfronten heben die Pracht des aufwändig gestalteten Eingangsbereichs besonders hervor. Und so bezeichnet der Direktor der Gothaer Sammlungen, Professor Martin Eberle das Haus denn auch als

"das schönste Objekt meiner Sammlung. Wir sehen hier das, was die Herzöge über die Jahrhunderte zusammengetragen haben."

Hunderte Gothaer nutzten gleich am ersten Tag die Möglichkeit, das bereits als "Louvre Thüringens" bezeichnete Gebäude und seine Kunstwerke zu besichtigen, darunter die weltweit einzigartigen frühen Plastiken des französischen Bildhauers Jeanne-Antoine Houdon. Dass sie heute ebenso wie zahlreiche Gemälde von Cranach, Dürer oder Rubens mit modernem Farb- und Lichtkonzept neu in Szene gesetzt werden können, komme einem Wunder gleich, meint Professor Eberle.

"Bis 1945 waren die Sammlungen hier weltweit bekannt. Dies wurde allerdings 1945 den Sammlungen zum Verhängnis. Denn: Hierher kam natürlich die russische Armee auch. Die hat die gesamten Kunstsammlungen mitgenommen."

In den Jahren von 1956 bis 1958 erhielt die DDR einen Großteil der Schätze von der Sowjetunion zurück. Und so war unter den Gästen der Eröffnungszeremonie auch die Präsidentin des Moskauer Puschkin-Museums, Irina Antonowa. Dass gerade die wertvollsten Stücke der Gothaer Sammlungen zurückgegeben wurden, hält sie allerdings bis heute für einen Fehler.

"Wenn in diesen chaotischen Zeiten eine komplette Sammlung in die UdSSR gebracht werden konnte, dann kann man davon ausgehen, dass sie sich wirklich in guten und sicheren Händen befand. Die, die damals die wertvollsten Teile der Sammlung zurückgaben, hatten keine Ahnung, welche Werte die Sowjetunion mit dieser Entscheidung verlor. Ich finde es nach wie vor eine gerechte Sache, dass wir weiterhin im Besitz ehemals deutscher Kunstwerke sind."

Wenn Deutschland deren Verbleib in russischem Besitz endlich als Bestandteil der Nachkriegsordnung anerkenne, könnten sie auch wieder in Deutschland gezeigt werden. Bis dahin aber sei es noch ein langer Weg, mein Irina Antonowa. So bleibt die Rückgabe des größten Teils der Gothaer Sammlung ein Glücksfall - nicht nur für die deutsche Kulturlandschaft, sondern vor allem für Gotha. Professor Martin Eberle:

"Eine ganze Stadt hat ihre Seele wieder bekommen. Also ich empfinde es so, dass wieder eine Lücke geschlossen wird; dass man die Bedeutung, die die Sammlung bis 1945 hatte, wieder erkennen kann. Es ist ein wunderbares Zeugnis, wie reich unsere Kulturlandschaft in der Provinz ist und ich kann wirklich nur dazu aufrufen, schauen Sie sich hier wirklich Sammlungen wie in Altenburg an, in Weimar, in Rudolstadt, aber der schönste Besuch wird der natürlich in Gotha sein."