Gorki-Dramaturg Aljoscha Begrich im Interview

Eine Gesellschaft auf dem Weg nach rechts

Das Maxim Gorki Theater in Berlin
Das Maxim Gorki Theater in Berlin © imago stock&people
Aljoscha Begrich im Gespräch mit Gesa Ufer · 14.03.2018
Am Berliner Maxim Gorki Theater hat Regisseur Oliver Frljic das Stück "Gorki – Alternative für Deutschland?" inszeniert. Darin geht es um die Demokratie, wie sie sich selbst gefährdet und wie Menschen, die sich für links halten, langsam rechtes Vokabular nutzen, so Dramaturg Aljoscha Begrich.
Die "Alternative für Deutschland" ist in der Bundesrepublik derzeit das drängendste Thema in der öffentlichen Debatte und gehöre darum auch auf die Bühne. Das sagt der Dramaturg Aljoscha Begrich und begründet damit die Themenwahl für die aktuelle Produktion "Gorki – Alternative für Deutschland?" des Berliner Maxim Gorki Theaters.
Zu Beginn der Produktion habe dabei die Frage gestanden: "Wie macht man das? Es wäre sehr einfach, eine Rede von Björn Höcke zu nehmen und daran zu analysieren, was ist daran faschistoid und menschenverachtend", erläutert Begrich die Ursprungsfrage für die Produktion.
Dem Theater sei es darum gegangen, nicht einfach nur ein Thema zu setzen, mit dem man "sehr viele Leute aus einem gewissen bürgerlichen Publikum auf seine Seite bekommen hätte, sondern anzusetzen an der Kritik am Maxim Gorki Theater selbst – die bei Links und Pseudo-Links anfängt und bei Rechts und Rechtspopulistisch aufhört".

In "Gorki – Alternative für Deutschland?" werde diese Kritik nun ins Verhältnis gesetzt "zu einem bestimmten Normalisierungsprozess in der Gesellschaft, der sich breit macht und wo auch Leute, von denen man denkt, sie sind links oder behaupten immer, links zu sein, eigentlich aber immer mehr rechtes Vokabular, rechte Statements in ihre Gespräche einbringen", so Begrich. Und viele landeten dann "bei Positionen, die inakzeptabel sind".

Jeder ist eingeladen, aber wer stört, fliegt raus!

Allerdings betonte Begrich dabei auch, dass das Gorki zwar jeden einlädt zu kommen, das Stück zu sehen und später an der Debatte darüber teilzunehmen, gleichzeitig aber sei das Theater "ein geschützter Raum" und zwar sowohl für Themen ebenso wie für Gruppen, die von anderen Gruppen angegriffen oder in Frage gestellt würden. Und darum habe das Theater auch mit einer vor dem Haus angebrachten Botschaft klar gemacht, dass es bei Störaktionen "von seinem Hausrecht" Gebrauch mache.
"Wenn jemand hier pöbelt und rassistisch oder homophob ausfällig wird, dann wird der rausgeschmissen und nicht andersherum."
Begrich betont, die Idee des Stückes sei es, dass Besucher hier sich selbst auch fragen oder beobachten könnten:
"Um zu kucken und zu analysieren: Wo ist eigentlich der Punkt in mir, wo ich schon bereit bin, bestimmte Dinge zuzulassen, also wo man dann nicht sofort bereit ist, aufzustehen, um zu sagen: 'Nee, da bin ich dagegen!'" Damit werde beschrieben, wie eine Gesellschaft abrutsche in Richtung "rechts".

Durch Wiederholung das Gefährliche aufdecken

Der Untertitel des Stücks sei "Über die Schwäche des Theaters und der Demokratie", erklärt Begrich:
"Beide Institutionen leiden unter einem Repräsentationsdruck oder -anspruch, also dass man die Realität abbilden will – was ein irres Unterfangen ist, nur in einer Demokratie ist noch einmal doppelt idiotisch oder doppelt verrückt, weil hier bestimmte antidemokratische, verfassungsfeindliche Tendenzen, Gruppen und Parteien demokratisch legitimiert in ein Parlament einziehen können, um das dann auszuhebeln."
Klar sei, dass demokratische Institutionen genutzt werden sollen, um sie dann zu zerstören, so Begrich. Regisseur Oliver Frljic ziele also mit seinem Stück auf die grundlegenden Dynamiken oder Schwächen der Demokratie. Frilic habe hier das Konzept der subversiven Affirmation gewählt – praktiziert in den 70er- und 80er-Jahren etwa in der Sowjetunion oder in Jugoslawien:
"Wo bestimmte Formen der Kritik verboten waren, also: offene Kritik war verboten und Künstler wie die russischen Konzeptualisten haben die 'Kritik durch Affirmation' entwickelt, das heißt: Ich muss das gar nicht offen kritisch legen, sondern ich kann durch das Repräsentieren und das Reproduzieren in einem bestimmten Rahmen und Kontext dekonstruieren oder bloßlegen, was damit gemeint ist."
Die Wiederholung zeige dabei, was das Gefährliche an diesen Äußerungen und Haltungen ist.

(sru)

Die Produktion "Gorki - Alternative für Deutschland!" hat am Donnerstag, 15. März am Berliner Maxim Gorki Theater Premiere.

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