"Google weiß relativ viel über die User"
Der Social-Software-Experte Matthias Schwenk hält es für möglich, dass es für Google eine Geschäftsstrategie ist, ständig Neues herauszubringen. Das Unternehmen habe "kreatives Potenzial" im eigenen Haus, sagte Schwenk.
Ulrike Timm: Und darüber sprechen wir jetzt mit Matthias Schwenk. Er ist Social-Software-Experte, also jemand, der sich damit beschäftigt, wie man die vielen, vielen neuen Möglichkeiten tatsächlich am besten nutzt, und er schreibt auch darüber im Onlinemagazin "Carta". Schönen guten Tag, Herr Schwenk!
Matthias Schwenk: Guten Tag, Frau Timm!
Timm: Herr Schwenk, ist das eigentlich eine gute Geschäftsstrategie, alle 14 Tage, das ist ja so langsam der Rhythmus bei Google, alle 14 Tage was Neues rauszubringen?
Schwenk: Es kann eine Geschäftsstrategie sein, weil Google einfach dieses kreative Potenzial im eigenen Haus hat und versucht, den Leuten immer wieder neue und gute Angebote zu machen.
Timm: Aber warum haben Sie es immer so eilig? Marktführer sind Sie ohnehin, und das Unternehmensziel, in 300 Jahren alle Informationen auf der Welt zu organisieren, das sollte doch Platz lassen für ein bisschen mehr Muße.
Schwenk: Ja, das kann man so sehen, aber Google hat auch ein Problem: Der Markt hat eine sehr große Dynamik, in der sich Google bewegt, und Google muss natürlich auch sehen, dass man auf bestimmten Gebieten, die für das Unternehmen sehr wichtig sind, dass man den Anschluss nicht verliert.
Und da man das eben genau voraussehen kann, was sich wohin entwickeln wird oder was von den Verbrauchern jetzt wirklich stark angenommen wird und was weniger, macht Google eben sehr viel Versuche und streut im Prinzip seine Angebote ziemlich breit. Und daher kommt auch die große Menge.
Timm: Also ist es gut, wenn man viel auf den Markt schmeißt, und es verdirbt nicht das Image, wenn einiges davon vielleicht noch gar nicht fertig durchdacht ist?
Schwenk: Nein, bisher hat sich das also für Google nicht nachteilig ausgewiesen, sie haben auch schon wieder einzelne Dienste geschlossen. Wenn sich herausstellt, dass sie einfach keine Akzeptanz finden oder sich das für Google nicht lohnt, dann wird das einfach wieder zugemacht, und stattdessen kommt wieder etwas Neues raus. Also die Leute haben das auch akzeptiert, und es ist für Google also jetzt auch kein Nachteil, was das Image betrifft.
Timm: Sie haben mal geschrieben, man könnte so auch das Image des Strebers bekommen, das ist nicht so sympathisch.
Schwenk: Also die Strategien, die wir jetzt gerade eben beschrieben haben, ist natürlich aus der Sicht von Google und vielleicht auch für die Verbraucher ganz gut, es hat aber einen Nachteil, wenn man andere kleine Start-ups betrachtet. Also im Internet gibt es ja sehr viele Unternehmen oder Experten, die versuchen, etwas auf den Markt zu bringen, und die sind natürlich im Nachteil, weil Google mit seiner Größe und der Vielfalt und der Menge an Angeboten leicht natürlich die Kleinen an die Wand spielt.
Also wir laufen da ein bisschen Gefahr, dass Google einfach zu groß wird in diesem Bereich und die anderen keine Chance mehr haben, und dann könnte es natürlich auf Google negativ zurückschlagen und das Image des Strebers irgendwie anhaften.
Timm: Man kann das auch noch unfreundlicher ausdrücken: Google will das Informationsmonopol besetzen, um den Preis letztlich der Überwachung seiner Kunden, denn was Google alles schon weiß über seine User, das macht sich ja heute kaum jemand klar.
Schwenk: Ja, gut, Google weiß relativ viel über die User, die die Dienste nutzen, aber ich glaube jetzt nicht, dass Google ein Informationsmonopol anstrebt und das dann im negativen Sinne ausnützen würde. Also das unterstelle ich jetzt dem Konzern nicht. Google ist einfach sehr kreativ und besetzt Nischen, die andere nicht besetzen.
Und Google denkt in bestimmten Bereichen einfach schneller voraus als andere. Das führt dann natürlich auch zu einer Marktmacht, aber bisher hat sich noch nicht gezeigt, dass Google das negativ nutzen würde. Also ich wäre da ein bisschen skeptisch oder ein bisschen vorsichtig mit der Kritik an Google. Bis jetzt zumindest sehe ich jetzt noch keine Anlässe dazu, Google zu kritisieren.
Timm: Aber wenn man in 300 Jahren alle Informationen auf der Welt organisiert haben will, dann kann man als fröhliche Hybris deuten, aber dann ist das das Informationsmonopol.
Schwenk: Nee, schauen Sie zum Beispiel auf das Einscannen der Bücher. Also Google scannt ja Bücher ein, und da wird Google immer wieder nachgesagt, es hätte damit ein Monopol. Das ist natürlich, wenn ich das jetzt isoliert betrachte, schon richtig, aber niemand anders wird dran gehindert, Bücher auch einzuscannen. Das heißt, andere Unternehmen oder Organisationen könnten ähnliche Projekte starten, und dann hätte Google an der Stelle kein Monopol mehr.
Timm: Also muss man das rein wirtschaftlich sehen, wer zuerst kommt, der malt zuerst?
Schwenk: Ja gut, aber dafür muss Google auch erst mal herausfinden, wie es denn davon wirklich profitiert oder Profit draus schlägt. Es gibt da gewisse Ansätze, aber wir wissen jetzt noch nicht, ob diese Google-Buchprojekte, ob die wirklich dann auch zu einem positiven Cashflow bei Google führen würden oder ob sie ein Verlustgeschäft auf lange Sicht bleiben werden.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton". Ich spreche mit Matthias Schwenk über das immense Tempo, mit dem Google den Markt beherrscht und uns, die Verbraucher. Herr Schwenk, eine Zeit lang galt es ja als toll, überall vernetzt und online und vorneweg zu sein, es merken aber auch immer mehr Menschen, dass sie das gelegentlich ganz schön nervt, dass die Ablenkung durch Ablenkung stört, so hat es der Schriftsteller T. S. Eliot schon vor mehr als 50 Jahren beschrieben. Heute trifft das noch viel mehr zu. Steht dieses neue Lebensgefühl Google eventuell auch entgegen?
Schwenk: Eigentlich nicht, würde ich sagen. Google ist relativ vorsichtig auf der Ebene dieser Social Software. Also, was die Leute da machen, auf Social Networks wie Facebook zum Beispiel oder Twitter, das ist eine Ebene, die Google noch gar nicht stark berührt und eher sogar noch etwas, was Google kalt erwischt hat, weil man diesen Trend zum Social Networking bei Google ein bisschen spät erkannt hat.
Timm: Wir wissen ja nicht nur schnell etwas durch die Suchmaschine Google, Google weiß auch jede Menge über uns, sortiert Informationen heute schon nach den vermutlichen Vorlieben der Benutzer. Gibt es da überhaupt noch Datenschutz?
Schwenk: Ja, es gibt natürlich Datenschutz insoweit, als dass ich mir bewusst machen kann, dass Google Daten über mich speichert und ich deswegen nicht alles über Programme von Google machen muss. Als ich muss nicht zwingend den Browser von Google benutzen, ich muss auch nicht in jedem Fall die Suchmaschine von Google benutzen, ich kann auf andere Produkte ausweichen. Es gibt keinen einzigen Bereich, in dem Google – also mir fällt jetzt auf Anhieb nichts ein – wo Google ein Monopol hätte, um das ich nicht herum käme. Ich kann meine E-Mails mit Gmail verschicken, ich muss es aber nicht tun.
Timm: Also Datenschutz bedeutet heute im Internetz, ich bin mein eigener Datenschützer?
Schwenk: Ja, das müssen Sie ganz klar so sehen, und Sie müssen als Einzelperson auch klar sich ein bisschen auskennen und dann sage ich mal diese Klippen umschiffen und versuchen, nicht zu viele Daten an einer Stelle sag ich mal unfreiwillig abzuladen.
Timm: Zugleich …
Schwenk: Also verschiedene Dienste nutzen, würde ich vorschlagen, und das ein bisschen gleichmäßig verteilen und nicht nur einen Anbieter nehmen.
Timm: Zugleich gibt es ja diesen guten alten Kaufmannssatz aus Vor-Google-Zeiten: Vertrauen ist das wichtigste Kapital. Wenn wir nun wissen, dass das Internet auch uns kennt, hat dieser Satz dann eigentlich schon abgewirtschaftet?
Schwenk: Es ist sehr schwer zu sagen. Wissen Sie, das Internet ist immer noch ein System, das sich in einer Entwicklung befindet, und wir wissen noch gar nicht genau, wohin das überhaupt führen wird am Ende. Diese Datenflut zum Beispiel, die Google über uns hat, die wird ja primär oder soll auch in den Augen von Google primär dazu genutzt werden, uns bessere Vorschläge oder Ergebnisse oder Suchergebnisse zu bringen.
Das heißt, Google will eigentlich seine Dienste, die es uns bietet, verbessern, ständig verbessern. Und das machen andere auch, und dazu sammeln sie die Daten. Jetzt kann man das natürlich immer aus der anderen Seite sehen und sagen, okay, da werden sehr viel Daten gesammelt, aber ich muss eben abwägen: Ist es auf der einen Seite sinnvoll, wenn Daten irgendwo gesammelt werden, und auf der anderen Seite habe ich einen größeren Nutzen darin, dass man mich ein Stück weit irgendwie auch kennt und die Ergebnisse, die mir gezeigt werden, besser auf meine Situation und meine Bedürfnisse abgestimmt sind.
Timm: Ich möchte noch mal zurück auf den Punkt Ablenkung durch Ablenkung. Wenn man seine Zeit wie viele nur noch im Netz verbringt, dann wird das Leben ja zur Trockenübung. Wandelt sich dann eventuell das Image Googles mal vom Wunderwerkzeug hin zur Datenkrake?
Schwenk: Nein, das glaube ich nicht, dass Google allzu viel Einfluss bekommen wird, denn die Entwicklung der letzten Jahre mit dem Social Web, also mit der Social Software, hat ja eigentlich gezeigt, dass es nicht immer nur die Algorithmen von Google sind, die bestimmend sind, sondern dass es vor allem der Input ist, den die Menschen selber bringen.
Das heißt, die Menschen bevorzugen eigentlich den direkten Austausch auch im Internet. Und so schön die Suchergebnisse einer Suchmaschine wie Google sind, interessanter sind immer noch persönliche Reaktionen von Bekannten oder Freunden im Netz, zum Beispiel auf Facebook oder auf Twitter. Die haben einfach emotional einen viel höheren Stellenwert.
Und das schafft im Grunde genommen einen Ausgleich. Und dann müssen eben so synthetische Anbieter, sage ich jetzt mal, wie Google, das können die nie aufwiegen. Das heißt, das persönliche Gespräch, der persönliche Kontakt, das persönliche Netzwerk im Internet wird immer stärker sein als irgendwie diese maschinelle Unterstützung von Anbietern wie Google.
Timm: Das heißt, die Menschen, die Gefahr laufen, das Leben nur noch als Trockenübung zu betreiben, die sind dann Fälle für Matthias Schwenk, den Social-Software-Experten?
Schwenk: Vielleicht eher nicht, vielleicht sollten solche Leute, wenn sie es zu weit treiben, zum Psychologen gehen. Ich versuche eher Unternehmen zu helfen, in diesem neuen System irgendwie Fuß zu fassen und eben den Dialog oder Ansatzpunkte für den Dialog mit den Verbrauchern, mit ihren Kunden irgendwo zu finden. Also in Maßen betrieben ist das alles ja vernünftig und sogar sehr hilfreich, man darf es eben nicht übertreiben.
Timm: Was sind denn da die größten Probleme, auf die Sie stoßen?
Schwenk: Die größten Probleme, auf die ich noch stoße, ist die Unkenntnis. Viele Unternehmen haben den Wandel der letzten Jahre im Internet noch gar nicht richtig mitbekommen und verstehen das Internet eher so als eine Art Schaufenster, wo man ein bisschen seine Leistungen, seine Produkte, seine Dienstleistungen anbietet.
Das Internet ist aber heute ein Dialogmedium, wo ich eben in Dialog treten muss und auch das Feedback einholen kann oder sogar einholen muss. Der Verbraucher will heute selber gehört werden, und er möchte, dass er selber Stellung beziehen kann zu einem Angebot. Und das haben viele Unternehmen noch nicht verstanden.
Timm: Herr Schwenk, was vermuten Sie: Wird es in naher Zukunft vielleicht mal wieder schick sein, ein Handy zu verlangen, mit dem man nur telefonieren kann, auch wenn man kein Senior ist?
Schwenk: Ich glaube das eher nicht. Die Vorteile der neuen Handys, die ja auch Google vorstellt, ist einfach der, dass sie uns Komfort bieten durch zusätzliche Funktionen, die ich immer dann mit mir herumtragen kann. Das können auch zum Beispiel Daten sein zur Gesundheit. Wenn ich irgendwo anfällig bin, dann kann mir möglicherweise mein Handy helfen auf diesem Gebiet, mich selber hier etwas zu kontrollieren.
Ich kann aber auch Informationen bekommen über das Wetter, ich kann Informationen bekommen über Anbieter, über freie Parkplätze. Also ich glaube, wir gehen nicht in die Richtung zurück, dass man das Handy nur noch als Telefon nutzen will, sondern wir werden diese Funktionsvielfalt schon gut finden, allerdings muss sie natürlich auch noch reduziert werden.
Wir haben da im Moment noch … das rechte Maß, sage ich mal, fehlt noch. Es gibt zu viel einseitige Werbung, es gibt zu viel Botschaften ohne wirklichen Sinn oder tieferen Gehalt, und das muss sich erst noch einpendeln, das muss sich noch besser entwickeln, dann werden diese Geräte sehr, sehr nützlich sein.
Timm: Matthias Schwenk, Social-Software-Experte, über unsere durchgegoogelte Welt. Herzlichen Dank fürs Gespräch!
Schwenk: Bitteschön!
Matthias Schwenk: Guten Tag, Frau Timm!
Timm: Herr Schwenk, ist das eigentlich eine gute Geschäftsstrategie, alle 14 Tage, das ist ja so langsam der Rhythmus bei Google, alle 14 Tage was Neues rauszubringen?
Schwenk: Es kann eine Geschäftsstrategie sein, weil Google einfach dieses kreative Potenzial im eigenen Haus hat und versucht, den Leuten immer wieder neue und gute Angebote zu machen.
Timm: Aber warum haben Sie es immer so eilig? Marktführer sind Sie ohnehin, und das Unternehmensziel, in 300 Jahren alle Informationen auf der Welt zu organisieren, das sollte doch Platz lassen für ein bisschen mehr Muße.
Schwenk: Ja, das kann man so sehen, aber Google hat auch ein Problem: Der Markt hat eine sehr große Dynamik, in der sich Google bewegt, und Google muss natürlich auch sehen, dass man auf bestimmten Gebieten, die für das Unternehmen sehr wichtig sind, dass man den Anschluss nicht verliert.
Und da man das eben genau voraussehen kann, was sich wohin entwickeln wird oder was von den Verbrauchern jetzt wirklich stark angenommen wird und was weniger, macht Google eben sehr viel Versuche und streut im Prinzip seine Angebote ziemlich breit. Und daher kommt auch die große Menge.
Timm: Also ist es gut, wenn man viel auf den Markt schmeißt, und es verdirbt nicht das Image, wenn einiges davon vielleicht noch gar nicht fertig durchdacht ist?
Schwenk: Nein, bisher hat sich das also für Google nicht nachteilig ausgewiesen, sie haben auch schon wieder einzelne Dienste geschlossen. Wenn sich herausstellt, dass sie einfach keine Akzeptanz finden oder sich das für Google nicht lohnt, dann wird das einfach wieder zugemacht, und stattdessen kommt wieder etwas Neues raus. Also die Leute haben das auch akzeptiert, und es ist für Google also jetzt auch kein Nachteil, was das Image betrifft.
Timm: Sie haben mal geschrieben, man könnte so auch das Image des Strebers bekommen, das ist nicht so sympathisch.
Schwenk: Also die Strategien, die wir jetzt gerade eben beschrieben haben, ist natürlich aus der Sicht von Google und vielleicht auch für die Verbraucher ganz gut, es hat aber einen Nachteil, wenn man andere kleine Start-ups betrachtet. Also im Internet gibt es ja sehr viele Unternehmen oder Experten, die versuchen, etwas auf den Markt zu bringen, und die sind natürlich im Nachteil, weil Google mit seiner Größe und der Vielfalt und der Menge an Angeboten leicht natürlich die Kleinen an die Wand spielt.
Also wir laufen da ein bisschen Gefahr, dass Google einfach zu groß wird in diesem Bereich und die anderen keine Chance mehr haben, und dann könnte es natürlich auf Google negativ zurückschlagen und das Image des Strebers irgendwie anhaften.
Timm: Man kann das auch noch unfreundlicher ausdrücken: Google will das Informationsmonopol besetzen, um den Preis letztlich der Überwachung seiner Kunden, denn was Google alles schon weiß über seine User, das macht sich ja heute kaum jemand klar.
Schwenk: Ja, gut, Google weiß relativ viel über die User, die die Dienste nutzen, aber ich glaube jetzt nicht, dass Google ein Informationsmonopol anstrebt und das dann im negativen Sinne ausnützen würde. Also das unterstelle ich jetzt dem Konzern nicht. Google ist einfach sehr kreativ und besetzt Nischen, die andere nicht besetzen.
Und Google denkt in bestimmten Bereichen einfach schneller voraus als andere. Das führt dann natürlich auch zu einer Marktmacht, aber bisher hat sich noch nicht gezeigt, dass Google das negativ nutzen würde. Also ich wäre da ein bisschen skeptisch oder ein bisschen vorsichtig mit der Kritik an Google. Bis jetzt zumindest sehe ich jetzt noch keine Anlässe dazu, Google zu kritisieren.
Timm: Aber wenn man in 300 Jahren alle Informationen auf der Welt organisiert haben will, dann kann man als fröhliche Hybris deuten, aber dann ist das das Informationsmonopol.
Schwenk: Nee, schauen Sie zum Beispiel auf das Einscannen der Bücher. Also Google scannt ja Bücher ein, und da wird Google immer wieder nachgesagt, es hätte damit ein Monopol. Das ist natürlich, wenn ich das jetzt isoliert betrachte, schon richtig, aber niemand anders wird dran gehindert, Bücher auch einzuscannen. Das heißt, andere Unternehmen oder Organisationen könnten ähnliche Projekte starten, und dann hätte Google an der Stelle kein Monopol mehr.
Timm: Also muss man das rein wirtschaftlich sehen, wer zuerst kommt, der malt zuerst?
Schwenk: Ja gut, aber dafür muss Google auch erst mal herausfinden, wie es denn davon wirklich profitiert oder Profit draus schlägt. Es gibt da gewisse Ansätze, aber wir wissen jetzt noch nicht, ob diese Google-Buchprojekte, ob die wirklich dann auch zu einem positiven Cashflow bei Google führen würden oder ob sie ein Verlustgeschäft auf lange Sicht bleiben werden.
Timm: Deutschlandradio Kultur, das "Radiofeuilleton". Ich spreche mit Matthias Schwenk über das immense Tempo, mit dem Google den Markt beherrscht und uns, die Verbraucher. Herr Schwenk, eine Zeit lang galt es ja als toll, überall vernetzt und online und vorneweg zu sein, es merken aber auch immer mehr Menschen, dass sie das gelegentlich ganz schön nervt, dass die Ablenkung durch Ablenkung stört, so hat es der Schriftsteller T. S. Eliot schon vor mehr als 50 Jahren beschrieben. Heute trifft das noch viel mehr zu. Steht dieses neue Lebensgefühl Google eventuell auch entgegen?
Schwenk: Eigentlich nicht, würde ich sagen. Google ist relativ vorsichtig auf der Ebene dieser Social Software. Also, was die Leute da machen, auf Social Networks wie Facebook zum Beispiel oder Twitter, das ist eine Ebene, die Google noch gar nicht stark berührt und eher sogar noch etwas, was Google kalt erwischt hat, weil man diesen Trend zum Social Networking bei Google ein bisschen spät erkannt hat.
Timm: Wir wissen ja nicht nur schnell etwas durch die Suchmaschine Google, Google weiß auch jede Menge über uns, sortiert Informationen heute schon nach den vermutlichen Vorlieben der Benutzer. Gibt es da überhaupt noch Datenschutz?
Schwenk: Ja, es gibt natürlich Datenschutz insoweit, als dass ich mir bewusst machen kann, dass Google Daten über mich speichert und ich deswegen nicht alles über Programme von Google machen muss. Als ich muss nicht zwingend den Browser von Google benutzen, ich muss auch nicht in jedem Fall die Suchmaschine von Google benutzen, ich kann auf andere Produkte ausweichen. Es gibt keinen einzigen Bereich, in dem Google – also mir fällt jetzt auf Anhieb nichts ein – wo Google ein Monopol hätte, um das ich nicht herum käme. Ich kann meine E-Mails mit Gmail verschicken, ich muss es aber nicht tun.
Timm: Also Datenschutz bedeutet heute im Internetz, ich bin mein eigener Datenschützer?
Schwenk: Ja, das müssen Sie ganz klar so sehen, und Sie müssen als Einzelperson auch klar sich ein bisschen auskennen und dann sage ich mal diese Klippen umschiffen und versuchen, nicht zu viele Daten an einer Stelle sag ich mal unfreiwillig abzuladen.
Timm: Zugleich …
Schwenk: Also verschiedene Dienste nutzen, würde ich vorschlagen, und das ein bisschen gleichmäßig verteilen und nicht nur einen Anbieter nehmen.
Timm: Zugleich gibt es ja diesen guten alten Kaufmannssatz aus Vor-Google-Zeiten: Vertrauen ist das wichtigste Kapital. Wenn wir nun wissen, dass das Internet auch uns kennt, hat dieser Satz dann eigentlich schon abgewirtschaftet?
Schwenk: Es ist sehr schwer zu sagen. Wissen Sie, das Internet ist immer noch ein System, das sich in einer Entwicklung befindet, und wir wissen noch gar nicht genau, wohin das überhaupt führen wird am Ende. Diese Datenflut zum Beispiel, die Google über uns hat, die wird ja primär oder soll auch in den Augen von Google primär dazu genutzt werden, uns bessere Vorschläge oder Ergebnisse oder Suchergebnisse zu bringen.
Das heißt, Google will eigentlich seine Dienste, die es uns bietet, verbessern, ständig verbessern. Und das machen andere auch, und dazu sammeln sie die Daten. Jetzt kann man das natürlich immer aus der anderen Seite sehen und sagen, okay, da werden sehr viel Daten gesammelt, aber ich muss eben abwägen: Ist es auf der einen Seite sinnvoll, wenn Daten irgendwo gesammelt werden, und auf der anderen Seite habe ich einen größeren Nutzen darin, dass man mich ein Stück weit irgendwie auch kennt und die Ergebnisse, die mir gezeigt werden, besser auf meine Situation und meine Bedürfnisse abgestimmt sind.
Timm: Ich möchte noch mal zurück auf den Punkt Ablenkung durch Ablenkung. Wenn man seine Zeit wie viele nur noch im Netz verbringt, dann wird das Leben ja zur Trockenübung. Wandelt sich dann eventuell das Image Googles mal vom Wunderwerkzeug hin zur Datenkrake?
Schwenk: Nein, das glaube ich nicht, dass Google allzu viel Einfluss bekommen wird, denn die Entwicklung der letzten Jahre mit dem Social Web, also mit der Social Software, hat ja eigentlich gezeigt, dass es nicht immer nur die Algorithmen von Google sind, die bestimmend sind, sondern dass es vor allem der Input ist, den die Menschen selber bringen.
Das heißt, die Menschen bevorzugen eigentlich den direkten Austausch auch im Internet. Und so schön die Suchergebnisse einer Suchmaschine wie Google sind, interessanter sind immer noch persönliche Reaktionen von Bekannten oder Freunden im Netz, zum Beispiel auf Facebook oder auf Twitter. Die haben einfach emotional einen viel höheren Stellenwert.
Und das schafft im Grunde genommen einen Ausgleich. Und dann müssen eben so synthetische Anbieter, sage ich jetzt mal, wie Google, das können die nie aufwiegen. Das heißt, das persönliche Gespräch, der persönliche Kontakt, das persönliche Netzwerk im Internet wird immer stärker sein als irgendwie diese maschinelle Unterstützung von Anbietern wie Google.
Timm: Das heißt, die Menschen, die Gefahr laufen, das Leben nur noch als Trockenübung zu betreiben, die sind dann Fälle für Matthias Schwenk, den Social-Software-Experten?
Schwenk: Vielleicht eher nicht, vielleicht sollten solche Leute, wenn sie es zu weit treiben, zum Psychologen gehen. Ich versuche eher Unternehmen zu helfen, in diesem neuen System irgendwie Fuß zu fassen und eben den Dialog oder Ansatzpunkte für den Dialog mit den Verbrauchern, mit ihren Kunden irgendwo zu finden. Also in Maßen betrieben ist das alles ja vernünftig und sogar sehr hilfreich, man darf es eben nicht übertreiben.
Timm: Was sind denn da die größten Probleme, auf die Sie stoßen?
Schwenk: Die größten Probleme, auf die ich noch stoße, ist die Unkenntnis. Viele Unternehmen haben den Wandel der letzten Jahre im Internet noch gar nicht richtig mitbekommen und verstehen das Internet eher so als eine Art Schaufenster, wo man ein bisschen seine Leistungen, seine Produkte, seine Dienstleistungen anbietet.
Das Internet ist aber heute ein Dialogmedium, wo ich eben in Dialog treten muss und auch das Feedback einholen kann oder sogar einholen muss. Der Verbraucher will heute selber gehört werden, und er möchte, dass er selber Stellung beziehen kann zu einem Angebot. Und das haben viele Unternehmen noch nicht verstanden.
Timm: Herr Schwenk, was vermuten Sie: Wird es in naher Zukunft vielleicht mal wieder schick sein, ein Handy zu verlangen, mit dem man nur telefonieren kann, auch wenn man kein Senior ist?
Schwenk: Ich glaube das eher nicht. Die Vorteile der neuen Handys, die ja auch Google vorstellt, ist einfach der, dass sie uns Komfort bieten durch zusätzliche Funktionen, die ich immer dann mit mir herumtragen kann. Das können auch zum Beispiel Daten sein zur Gesundheit. Wenn ich irgendwo anfällig bin, dann kann mir möglicherweise mein Handy helfen auf diesem Gebiet, mich selber hier etwas zu kontrollieren.
Ich kann aber auch Informationen bekommen über das Wetter, ich kann Informationen bekommen über Anbieter, über freie Parkplätze. Also ich glaube, wir gehen nicht in die Richtung zurück, dass man das Handy nur noch als Telefon nutzen will, sondern wir werden diese Funktionsvielfalt schon gut finden, allerdings muss sie natürlich auch noch reduziert werden.
Wir haben da im Moment noch … das rechte Maß, sage ich mal, fehlt noch. Es gibt zu viel einseitige Werbung, es gibt zu viel Botschaften ohne wirklichen Sinn oder tieferen Gehalt, und das muss sich erst noch einpendeln, das muss sich noch besser entwickeln, dann werden diese Geräte sehr, sehr nützlich sein.
Timm: Matthias Schwenk, Social-Software-Experte, über unsere durchgegoogelte Welt. Herzlichen Dank fürs Gespräch!
Schwenk: Bitteschön!