"Google muss Vorschläge machen"
Günter Berg im Gespräch mit Susanne Führer · 16.11.2009
Nach der Einigung von Google mit amerikanischen Verlagen erwartet Günter Berg vom Verlag Hoffmann & Campe, dass das Unternehmen jetzt auf die deutschen Verlage zugeht. Hätte man vorher mit einander geredet, hätte man sich den "Zirkus" der letzten Monate sparen können. Google sitze im Umgang mit den Verlagen auf einem ziemlich hohen Ross.
Susanne Führer: Zehn Millionen Bücher hat Google bereits eingescannt, denn Google hat ein großes Ziel: die digitale Weltbibliothek. Doch erst einmal wird es in dieser Bibliothek nur englischsprachige Bücher zu lesen geben. Der Suchmaschinenbetreiber hat nämlich beim New Yorker Gericht, also bei dem ja schon lange um eine Einigung gerungen wird, einen neuen Vergleich eingereicht. Einen Vergleich, den Google mit dem US-amerikanischen Verlegerverband und der Autorengewerkschaft geschlossen hat. Und der beschränkt sich auf Bücher aus den USA, Australien, Kanada und Großbritannien. Deutsche Bücher sind also nicht dabei. Am Telefon ist nun Günter Berg, verlegerischer Geschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlags in Hamburg. Guten Tag, Herr Berg!
Günter Berg: Hallo, grüß Sie!
Führer: Sie waren ja immer gegen das Google Book Settlement – sind Sie jetzt zufrieden, offenbar haben ja die Proteste aus Deutschland bis hoch zur Bundesregierung Wirkung gezeigt?
Berg: Na ja, zufrieden bin ich und sind einige Kollegen und ich zunächst einmal deswegen, weil es überhaupt einen in der Öffentlichkeit wahrnehmbaren Einspruch gegen das, was Google seit einigen Jahren nun wirklich erfolgreich betreibt, gegeben hat, nämlich ein Bewusstsein dafür, dass es nicht in Ordnung ist, so einfach Bücher von Autoren einzuscannen und im Internet verfügbar zu machen.
Führer: Insofern freuen Sie sich?
Berg: Na ja, ich freue ich mich, ich bin erst mal zufrieden, dass es hier einen Aufschub gegeben hat. Ich habe keine Ahnung, wie das amerikanische Gericht im Februar entscheiden wird, aber im Moment haben wir zumindest etwas mehr Zeit, darüber nachzudenken, was die deutschen Verlage eigentlich wollen, wie sie mit der Digitalisierung der Bücher ihrer Autoren umgehen, denn viele Verlagskollegen sind nachgerade überfallen worden von diesem Google Book Settlement, hatten selbst nie darüber nachgedacht, neben dem analogen Produkt, also dem normalen Buch, auch Verwertungsformen im Internet zu denken. Das war vielleicht auch ein bisschen heilsam für einige Kollegen hier geweckt worden zu sein. Aber wie das am Ende ausgeht, das weiß ich auch nicht.
Führer: Hören wir mal, was Gottfried Honnefelder, der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels meint, der ist nämlich nicht nur erfreut über diesen Rückzieher Googles. Hören wir mal, was er am Samstagabend bei uns im Programm gesagt hat:
Gottfried Honnefelder: "Was ein Erfolg ist, ist die Tatsache, dass es für unser Rechtsempfinden unerträglich war, dass von Gerichts wegen in den Vereinigten Staaten darüber befunden wird, wie deutschsprachige Bücher urheberrechtlich behandelt werden. Das ist nun weg. Nur ein Erfolg im Sinne der Entwicklung, die mit diesem Google Settlement sich vollzieht, ist es natürlich nicht. Denn der Markt, den Google dort bedient, wird nun weitergehen, ohne dass er die europäischen Sprachen außer dem Englischen mit einschließt, und entwickelt sich einfach weiter. Man kann also daneben stehen nun und ist nicht mehr mit erfasst und fragt sich vielleicht zu Recht: Ist das nun gut oder ist das nicht gut?"
Führer: Soweit Gottfried Honnefelder, Börsenverein des Deutschen Buchhandels, und am Telefon ist jetzt weiterhin Günter Berg vom Verlag Hoffmann und Campe. Herr Berg, Sie haben es gehört, im ersten Teil deckt sich die Antwort von Herrn Honnefelder mit Ihrer, ja, erst mal Urheberrecht, dieser Verstoß ist erst mal aufgehalten worden, der zweite Teil der Antwort von Herrn Honnefelder klang nicht mehr so begeistert. Haben Sie vielleicht auch die Sorge, dass der deutsche Buchmarkt nun international abgeschnitten wird?
Berg: Nein, nein, das glaube ich gar nicht, denn wenn man genau liest, was dieses amerikanische Gericht jetzt neu beschlossen hat, dann ist ja eins, woran Google nicht gehindert werden kann, nämlich weiterhin Bücher einzuscannen. Es gibt ja in Deutschland – die Münchener großen Bibliotheken sind Vertragspartner von Google –, es gibt ja geschlossene Verträge, die Google erlauben, Bücher zunächst einmal einzuscannen. Das ist aus unserer Sicht nicht die feine Art, sozusagen einen Verwahrer zum Vertragspartner zu machen statt den Urheber beziehungsweise seinen Vertreter, also den Verlag. Da schauen wir hin und finden das nicht sonderlich, wie soll ich sagen, charmant.
Google darf also weiter deutsche Bücher einscannen, aber sie im Internet nicht bereitstellen. Nun ist der Schritt aber von einem elektronisch erfassten Buch zu einem im Internet bereitgestellten elektronisch erfassten Buch ein kleiner. Insofern, denke ich, ist Google im Moment aufgrund des Gegenwinds aus Deutschland beziehungsweise aus Europa vielleicht ein klein wenig zurückgerudert und sagt, na Gott, dann machen wir das erst mal mit den Vertragspartnern in den USA, in Kanada und Umgebung, wo es uns leichter fällt, aber die Gespräche mit den deutschen beziehungsweise mit den europäischen Verlagen sind dadurch ja nicht gestoppt worden. Wir werden weiter darüber befinden, und es wird mit Sicherheit auch von Google weiterhin Initiativen geben, dieses gestartete Projekt zu vollenden.
Führer: Ja, was Sie sagen, das sagt auch der Google-Manager Dan Clancy, nämlich: Wir wollen mit den deutschen und französischen Verlegern sehr schnell sprechen, die Bedingungen werden ähnlich wie in den USA sein. Wenn ich das jetzt richtig gehört habe, Herr Berg, dann sind Sie ziemlich sauer auf Bibliotheken wie zum Beispiel die Staatsbibliothek aus München, die Extraverträge mit Google gemacht hat. Mal die Frage an Sie: Warum ist es denn offenbar nicht möglich, dass sich in Deutschland Verlage und Bibliotheken zusammenschließen und gemeinsam mit Google, ähnlich wie es in den USA ja gelungen ist, einen Vertrag aushandeln?
Berg: Ach, die Antwort ist so schlicht wie die Frage. Es hat bislang keiner den Anlauf unternommen, diesen doch sehr disparaten und in der Gemengelage nicht immer übersichtlichen Markt, bestehend aus Autoren, Verlagen, Bibliotheken sozusagen zu harmonisieren. Der Börsenverein ist da auch erst relativ spät wach geworden, um die Teilnehmer vielleicht an einen Tisch zu bringen.
Die Bibliotheken, wenn Sie das ansprechen, haben ja eine andere Klientel als wir Verlage. Die Bibliothek hat Bestände zu pflegen und hat Inhalte bereitzustellen, dafür kein Geld zu nehmen, sondern im Gegenteil, sie werden von Staats wegen finanziert. Und für Bibliotheken ist es natürlich wunderbar, digitalisierte Bestände in diese ganz neuen Informationssysteme, in Computer, die nun in jedem Haushalt aufgebaut und wireless im Internet empfangen und senden können, die Inhalte dort hinzutransportieren. Das heißt, für Bibliothekare ist das natürlich eine ganz tolle Sache, einen Partner, einen ganz starken, technisch versierten Partner zu haben, der Inhalte digitalisiert und damit für die Bibliotheken kommod verfügbar macht. Man...
Führer: Aber für Sie als Verleger nicht?
Berg: Man hätte halt einmal mit uns darüber reden müssen, ganz genau! Man hätte einmal, bevor man dieses Google Book Settlement in Amerika auf den Weg bringt und dort ja unter Beteiligung – das muss man sozusagen hier unter uns ja auch mal sagen dürfen – unter Beteiligung auch von Verlagskonzernen aus Deutschland ...
Führer: Bertelsmann.
Berg: Ein Settlement ... nein, das sind Holtzbrinck und Random House, sprich Bertelsmann. Also bevor man sich dort sozusagen fast geeinigt hat, hätte man ein starkes Buchland wie Deutschland in diese Verhandlungen einbeziehen müssen, dann, glaube ich, hätte es diesen Zirkus, den es jetzt gegeben hat in den letzten Monaten, nicht geben müssen.
Führer: Wenn ich Ihre angeblich so einfache Antwort mal ganz schlicht übersetzen darf, dann heißt das, Börsenverein, VG Wort, Verlage in Deutschland haben geschlafen?
Berg: Nein, wir haben nicht geschlafen, sondern wir wussten nicht, dass wir hätten wach sein sollen. Und da würde ich dann auch sagen, ich muss mich ja auch nicht aufwecken lassen von jemandem, der sagen wir mal in der Nacht an die Tür bollert, sondern ich glaube, man hätte auch bei Tage vernünftig darüber sprechen müssen. Sondern die Verlage wurden ja konfrontiert mit der Situation, dass jemand – und wie ich finde, uncharmant und vielleicht sogar urheberrechtsbrüchig – unsere Inhalte digitalisiert hat.
Ich kann doch nicht sagen, dass es nett ist, wenn man sämtliche Werke von Siegfried Lenz, einem unserer wichtigsten Autoren, im Internet zunächst einmal elektronisch, wie soll ich sagen, bereithält und dann mit uns verhandelt, fast schon knebelig verhandelt: Jetzt stellen wir das aber bereit und wir hoffen, dass ihr euch auf unsere Konditionen einlasst. Das ist nicht schön und da ist man auch in nicht partnerschaftlichen Verhandlungspositionen.
Führer: Nein, es sagt ja keiner, dass Sie sagen sollen, dass Sie das nett finden, aber zu sagen, die sind böse, mit denen rede ich gar nicht, ist ja doch offenbar auch kein Ausweg?
Berg: Nee, aber ich kann doch erst mal sagen, wir brauchen Voraussetzungen, unter denen es vernünftig ist, miteinander zu reden. Und das bedeutet erst mal ein Anerkenntnis der, na ja, ich würde mal sagen, der etwas ruppigen Art, mit der man mit den urheberrechtsgeschützten Inhalten, also mit den Büchern unserer Autoren, umgegangen ist. Und da sitzt Google auf einem ziemlich hohen Ross.
Führer: Herr Berg, Entschuldigung, aber dann kann man ja sagen, die Voraussetzungen sind ja jetzt vielleicht erst mal geschaffen worden.
Berg: Richtig.
Führer: Google hat gesagt, okay, Kontinentaleuropa, also Europa mit Ausnahme von Großbritannien, lassen wir mal raus, und jetzt wollen wir neu sprechen. Sehen Sie denn in Zukunft, dass es den deutschen Verlagen gemeinsam mit den Bibliotheken und der VG Wort und dem Börsenverein gelingen wird, eine einheitliche Position einzunehmen?
Berg: Das muss eine Position sein, die nicht nur einheitlich im Hinblick auf die Branche ist, die da spricht, sondern es muss eine Position sein, die einheitlich mit allen Projekten dieser Art verhandelt. Es kann ja nicht sein, dass Google exklusiv der Verwerter von entweder vergriffenen oder noch zu bekommenden Büchern im Internet ist, sondern da gibt es Europeana, diese groß angelegte europäische ...
Führer: Digitale Bibliothek, ja.
Berg: ... digitale große Bibliothek, mit diesen Leuten muss geredet werden. Jetzt kommen natürlich, nachdem Google da ganz vorne dran arbeitet und auch laut geworden ist, kommt Microsoft mit Yahoo und anderen und sagen, na, wir wollen das auch. Also ich glaube, dass die deutschen Verlage, und am besten vertreten durch den Börsenverein, gut beraten sind, sozusagen die Lage zu sondieren und mit allen Marktteilnehmern zu reden.
Führer: Aber wenn ich Sie recht verstanden habe, dann wird es jetzt höchste Zeit? Offensichtlich ist ja die Zerstrittenheit nach wie vor groß?
Berg: Ja, aber wissen Sie, höchste Zeit wird es doch nur, wenn irgendjemand Druck in diese Sache bringt. Und da es im Grunde ja die Verlage sein müssten, die darüber entscheiden, mit welcher Geschwindigkeit die Inhalte digital zur Verfügung gestellt werden müssen, muss ich dann auch ein kleines bisschen beleidigt sein dürfen, wenn man uns einen Druck macht an Stellen, wo es nicht notwendig ist. Denn das Google Settlement, die ganze Google-Initiative basiert darauf, dass im Internet die Sachen nichts oder nur sehr, sehr wenig kosten.
Und wir, muss ich sagen, unser Geschäft basiert darauf, dass die Inhalte unserer Autoren entweder in Büchern oder wie auch immer verkauft werden müssen. Und wenn man uns dann sozusagen hinterrücks unsere Inhalte im Internet, na ja, ich will nicht sagen verschleudern, aber dann doch irgendwie sehr, sehr preiswert unter die Leute bringen will, dann muss man doch mit unserem Widerstand rechnen.
Führer: Gut. Aber die Phase des Beleidigtseins sollte jetzt vorbei sein.
Berg: Ja, absolut, absolut. Also ich finde, man muss darüber reden, aber das muss von Google ausgehen. Google muss sich an die Verlage wenden, Google muss Vorschläge machen, was funktioniert, was richtig ist, und dann müssen die Verlage darüber entscheiden können. Aber Google kann nicht länger sagen, wir scannen weiter, wir digitalisieren, was immer uns sozusagen vor den Scanner kommt, und dann schauen wir mal, wie Gerichte darüber befinden. Das ist nicht schön.
Führer: Günter Berg, verlegerischer Geschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlags, war das. Danke Ihnen herzlich für das Gespräch, Herr Berg!
Berg: Bitte schön!
Günter Berg: Hallo, grüß Sie!
Führer: Sie waren ja immer gegen das Google Book Settlement – sind Sie jetzt zufrieden, offenbar haben ja die Proteste aus Deutschland bis hoch zur Bundesregierung Wirkung gezeigt?
Berg: Na ja, zufrieden bin ich und sind einige Kollegen und ich zunächst einmal deswegen, weil es überhaupt einen in der Öffentlichkeit wahrnehmbaren Einspruch gegen das, was Google seit einigen Jahren nun wirklich erfolgreich betreibt, gegeben hat, nämlich ein Bewusstsein dafür, dass es nicht in Ordnung ist, so einfach Bücher von Autoren einzuscannen und im Internet verfügbar zu machen.
Führer: Insofern freuen Sie sich?
Berg: Na ja, ich freue ich mich, ich bin erst mal zufrieden, dass es hier einen Aufschub gegeben hat. Ich habe keine Ahnung, wie das amerikanische Gericht im Februar entscheiden wird, aber im Moment haben wir zumindest etwas mehr Zeit, darüber nachzudenken, was die deutschen Verlage eigentlich wollen, wie sie mit der Digitalisierung der Bücher ihrer Autoren umgehen, denn viele Verlagskollegen sind nachgerade überfallen worden von diesem Google Book Settlement, hatten selbst nie darüber nachgedacht, neben dem analogen Produkt, also dem normalen Buch, auch Verwertungsformen im Internet zu denken. Das war vielleicht auch ein bisschen heilsam für einige Kollegen hier geweckt worden zu sein. Aber wie das am Ende ausgeht, das weiß ich auch nicht.
Führer: Hören wir mal, was Gottfried Honnefelder, der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels meint, der ist nämlich nicht nur erfreut über diesen Rückzieher Googles. Hören wir mal, was er am Samstagabend bei uns im Programm gesagt hat:
Gottfried Honnefelder: "Was ein Erfolg ist, ist die Tatsache, dass es für unser Rechtsempfinden unerträglich war, dass von Gerichts wegen in den Vereinigten Staaten darüber befunden wird, wie deutschsprachige Bücher urheberrechtlich behandelt werden. Das ist nun weg. Nur ein Erfolg im Sinne der Entwicklung, die mit diesem Google Settlement sich vollzieht, ist es natürlich nicht. Denn der Markt, den Google dort bedient, wird nun weitergehen, ohne dass er die europäischen Sprachen außer dem Englischen mit einschließt, und entwickelt sich einfach weiter. Man kann also daneben stehen nun und ist nicht mehr mit erfasst und fragt sich vielleicht zu Recht: Ist das nun gut oder ist das nicht gut?"
Führer: Soweit Gottfried Honnefelder, Börsenverein des Deutschen Buchhandels, und am Telefon ist jetzt weiterhin Günter Berg vom Verlag Hoffmann und Campe. Herr Berg, Sie haben es gehört, im ersten Teil deckt sich die Antwort von Herrn Honnefelder mit Ihrer, ja, erst mal Urheberrecht, dieser Verstoß ist erst mal aufgehalten worden, der zweite Teil der Antwort von Herrn Honnefelder klang nicht mehr so begeistert. Haben Sie vielleicht auch die Sorge, dass der deutsche Buchmarkt nun international abgeschnitten wird?
Berg: Nein, nein, das glaube ich gar nicht, denn wenn man genau liest, was dieses amerikanische Gericht jetzt neu beschlossen hat, dann ist ja eins, woran Google nicht gehindert werden kann, nämlich weiterhin Bücher einzuscannen. Es gibt ja in Deutschland – die Münchener großen Bibliotheken sind Vertragspartner von Google –, es gibt ja geschlossene Verträge, die Google erlauben, Bücher zunächst einmal einzuscannen. Das ist aus unserer Sicht nicht die feine Art, sozusagen einen Verwahrer zum Vertragspartner zu machen statt den Urheber beziehungsweise seinen Vertreter, also den Verlag. Da schauen wir hin und finden das nicht sonderlich, wie soll ich sagen, charmant.
Google darf also weiter deutsche Bücher einscannen, aber sie im Internet nicht bereitstellen. Nun ist der Schritt aber von einem elektronisch erfassten Buch zu einem im Internet bereitgestellten elektronisch erfassten Buch ein kleiner. Insofern, denke ich, ist Google im Moment aufgrund des Gegenwinds aus Deutschland beziehungsweise aus Europa vielleicht ein klein wenig zurückgerudert und sagt, na Gott, dann machen wir das erst mal mit den Vertragspartnern in den USA, in Kanada und Umgebung, wo es uns leichter fällt, aber die Gespräche mit den deutschen beziehungsweise mit den europäischen Verlagen sind dadurch ja nicht gestoppt worden. Wir werden weiter darüber befinden, und es wird mit Sicherheit auch von Google weiterhin Initiativen geben, dieses gestartete Projekt zu vollenden.
Führer: Ja, was Sie sagen, das sagt auch der Google-Manager Dan Clancy, nämlich: Wir wollen mit den deutschen und französischen Verlegern sehr schnell sprechen, die Bedingungen werden ähnlich wie in den USA sein. Wenn ich das jetzt richtig gehört habe, Herr Berg, dann sind Sie ziemlich sauer auf Bibliotheken wie zum Beispiel die Staatsbibliothek aus München, die Extraverträge mit Google gemacht hat. Mal die Frage an Sie: Warum ist es denn offenbar nicht möglich, dass sich in Deutschland Verlage und Bibliotheken zusammenschließen und gemeinsam mit Google, ähnlich wie es in den USA ja gelungen ist, einen Vertrag aushandeln?
Berg: Ach, die Antwort ist so schlicht wie die Frage. Es hat bislang keiner den Anlauf unternommen, diesen doch sehr disparaten und in der Gemengelage nicht immer übersichtlichen Markt, bestehend aus Autoren, Verlagen, Bibliotheken sozusagen zu harmonisieren. Der Börsenverein ist da auch erst relativ spät wach geworden, um die Teilnehmer vielleicht an einen Tisch zu bringen.
Die Bibliotheken, wenn Sie das ansprechen, haben ja eine andere Klientel als wir Verlage. Die Bibliothek hat Bestände zu pflegen und hat Inhalte bereitzustellen, dafür kein Geld zu nehmen, sondern im Gegenteil, sie werden von Staats wegen finanziert. Und für Bibliotheken ist es natürlich wunderbar, digitalisierte Bestände in diese ganz neuen Informationssysteme, in Computer, die nun in jedem Haushalt aufgebaut und wireless im Internet empfangen und senden können, die Inhalte dort hinzutransportieren. Das heißt, für Bibliothekare ist das natürlich eine ganz tolle Sache, einen Partner, einen ganz starken, technisch versierten Partner zu haben, der Inhalte digitalisiert und damit für die Bibliotheken kommod verfügbar macht. Man...
Führer: Aber für Sie als Verleger nicht?
Berg: Man hätte halt einmal mit uns darüber reden müssen, ganz genau! Man hätte einmal, bevor man dieses Google Book Settlement in Amerika auf den Weg bringt und dort ja unter Beteiligung – das muss man sozusagen hier unter uns ja auch mal sagen dürfen – unter Beteiligung auch von Verlagskonzernen aus Deutschland ...
Führer: Bertelsmann.
Berg: Ein Settlement ... nein, das sind Holtzbrinck und Random House, sprich Bertelsmann. Also bevor man sich dort sozusagen fast geeinigt hat, hätte man ein starkes Buchland wie Deutschland in diese Verhandlungen einbeziehen müssen, dann, glaube ich, hätte es diesen Zirkus, den es jetzt gegeben hat in den letzten Monaten, nicht geben müssen.
Führer: Wenn ich Ihre angeblich so einfache Antwort mal ganz schlicht übersetzen darf, dann heißt das, Börsenverein, VG Wort, Verlage in Deutschland haben geschlafen?
Berg: Nein, wir haben nicht geschlafen, sondern wir wussten nicht, dass wir hätten wach sein sollen. Und da würde ich dann auch sagen, ich muss mich ja auch nicht aufwecken lassen von jemandem, der sagen wir mal in der Nacht an die Tür bollert, sondern ich glaube, man hätte auch bei Tage vernünftig darüber sprechen müssen. Sondern die Verlage wurden ja konfrontiert mit der Situation, dass jemand – und wie ich finde, uncharmant und vielleicht sogar urheberrechtsbrüchig – unsere Inhalte digitalisiert hat.
Ich kann doch nicht sagen, dass es nett ist, wenn man sämtliche Werke von Siegfried Lenz, einem unserer wichtigsten Autoren, im Internet zunächst einmal elektronisch, wie soll ich sagen, bereithält und dann mit uns verhandelt, fast schon knebelig verhandelt: Jetzt stellen wir das aber bereit und wir hoffen, dass ihr euch auf unsere Konditionen einlasst. Das ist nicht schön und da ist man auch in nicht partnerschaftlichen Verhandlungspositionen.
Führer: Nein, es sagt ja keiner, dass Sie sagen sollen, dass Sie das nett finden, aber zu sagen, die sind böse, mit denen rede ich gar nicht, ist ja doch offenbar auch kein Ausweg?
Berg: Nee, aber ich kann doch erst mal sagen, wir brauchen Voraussetzungen, unter denen es vernünftig ist, miteinander zu reden. Und das bedeutet erst mal ein Anerkenntnis der, na ja, ich würde mal sagen, der etwas ruppigen Art, mit der man mit den urheberrechtsgeschützten Inhalten, also mit den Büchern unserer Autoren, umgegangen ist. Und da sitzt Google auf einem ziemlich hohen Ross.
Führer: Herr Berg, Entschuldigung, aber dann kann man ja sagen, die Voraussetzungen sind ja jetzt vielleicht erst mal geschaffen worden.
Berg: Richtig.
Führer: Google hat gesagt, okay, Kontinentaleuropa, also Europa mit Ausnahme von Großbritannien, lassen wir mal raus, und jetzt wollen wir neu sprechen. Sehen Sie denn in Zukunft, dass es den deutschen Verlagen gemeinsam mit den Bibliotheken und der VG Wort und dem Börsenverein gelingen wird, eine einheitliche Position einzunehmen?
Berg: Das muss eine Position sein, die nicht nur einheitlich im Hinblick auf die Branche ist, die da spricht, sondern es muss eine Position sein, die einheitlich mit allen Projekten dieser Art verhandelt. Es kann ja nicht sein, dass Google exklusiv der Verwerter von entweder vergriffenen oder noch zu bekommenden Büchern im Internet ist, sondern da gibt es Europeana, diese groß angelegte europäische ...
Führer: Digitale Bibliothek, ja.
Berg: ... digitale große Bibliothek, mit diesen Leuten muss geredet werden. Jetzt kommen natürlich, nachdem Google da ganz vorne dran arbeitet und auch laut geworden ist, kommt Microsoft mit Yahoo und anderen und sagen, na, wir wollen das auch. Also ich glaube, dass die deutschen Verlage, und am besten vertreten durch den Börsenverein, gut beraten sind, sozusagen die Lage zu sondieren und mit allen Marktteilnehmern zu reden.
Führer: Aber wenn ich Sie recht verstanden habe, dann wird es jetzt höchste Zeit? Offensichtlich ist ja die Zerstrittenheit nach wie vor groß?
Berg: Ja, aber wissen Sie, höchste Zeit wird es doch nur, wenn irgendjemand Druck in diese Sache bringt. Und da es im Grunde ja die Verlage sein müssten, die darüber entscheiden, mit welcher Geschwindigkeit die Inhalte digital zur Verfügung gestellt werden müssen, muss ich dann auch ein kleines bisschen beleidigt sein dürfen, wenn man uns einen Druck macht an Stellen, wo es nicht notwendig ist. Denn das Google Settlement, die ganze Google-Initiative basiert darauf, dass im Internet die Sachen nichts oder nur sehr, sehr wenig kosten.
Und wir, muss ich sagen, unser Geschäft basiert darauf, dass die Inhalte unserer Autoren entweder in Büchern oder wie auch immer verkauft werden müssen. Und wenn man uns dann sozusagen hinterrücks unsere Inhalte im Internet, na ja, ich will nicht sagen verschleudern, aber dann doch irgendwie sehr, sehr preiswert unter die Leute bringen will, dann muss man doch mit unserem Widerstand rechnen.
Führer: Gut. Aber die Phase des Beleidigtseins sollte jetzt vorbei sein.
Berg: Ja, absolut, absolut. Also ich finde, man muss darüber reden, aber das muss von Google ausgehen. Google muss sich an die Verlage wenden, Google muss Vorschläge machen, was funktioniert, was richtig ist, und dann müssen die Verlage darüber entscheiden können. Aber Google kann nicht länger sagen, wir scannen weiter, wir digitalisieren, was immer uns sozusagen vor den Scanner kommt, und dann schauen wir mal, wie Gerichte darüber befinden. Das ist nicht schön.
Führer: Günter Berg, verlegerischer Geschäftsführer des Hoffmann und Campe Verlags, war das. Danke Ihnen herzlich für das Gespräch, Herr Berg!
Berg: Bitte schön!