"Gold geht nicht pleite"
Der Preis für Gold steigt und steigt und steigt - weil Anleger das Vertrauen in die globalen Leitwährungen verloren haben, sagt Wieslaw Jurczenko. Im Interview spricht der Fachanwalt für Wertpapierrecht über Wohlstandssymbole, Geldpolitik und den wahren Wert des Goldes.
Andreas Müller: Gold ist begehrt, der Preis für eine Feinunze des Edelmetalls bewegt sich derzeit um die 1500 Dollar herum, vor ein paar Tagen gab es einen historischen Höchststand: über 1500. Das lässt sich nicht nur durch die uralte Faszination der Menschen für das glänzende Material erklären – Gold ist immer dann begehrt, wenn Wirtschaftskrisen, Katastrophen und Kriege für Verunsicherung sorgen. Und mit all dem sind wir in den letzten Jahren ja nun tatsächlich zur Genüge geplagt worden. Dennoch gibt es Experten aus der Wirtschaft, die den Goldpreis für völlig überzogen halten. Über die Faszination am Gold und die Frage nach seinem wirklichen Wert spreche ich jetzt mit Wieslaw Jurczenko, der ist Anwalt für Wertpapierrecht. Schönen guten Tag!
Wieslaw Jurczenko: Guten Tag, Herr Müller!
Müller: Am 21. Juni 1999 hätte ich für eine Feinunze Gold 252 Dollar und 90 Cents bezahlen müssen, seitdem hat sich der Preis etwa versechsfacht. Gold ist seitdem aber nicht etwa knapper geworden – wie erklärt sich der hohe Preis von heute?
Jurczenko: Der hohe Preis erklärt sich im Wesentlichen durch einen starken Vertrauensverlust, den die Leitwährungen, die wesentlichen Währungen auf dem Globus heute erfahren haben. Es ist so, wie Sie sagen, das Gold ist nicht seltener geworden, es ist genauso selten wie eh und je. Gold wird im Grunde genommen nicht weniger, weil Gold ein Material ist, das sich im Produktionsprozess praktisch nicht verbraucht, es wird meistens recycelt, und insoweit kann man im Grunde genommen nur auf diese Vertrauensfrage zurückkommen.
Müller: Gut, Vertrauen, das ist dann fast schon wieder Psychologie, und Psychologie spielt in der Wirtschaft immer eine große Rolle. Aber ist denn dieser Preis tatsächlich irgendwo auch rational fundiert?
Jurczenko: Da gibt es einen gewissen Glaubenskrieg, wenn Sie so wollen. Es gibt Menschen, die kenne ich schon seit einigen Jahren, die haben schon vor fünf, sechs Jahren einen Goldpreis von 6000 Dollar je Unze prognostiziert. Es gibt andere, die sagen, wie Sie es auch zum Ausdruck gebracht haben, der Goldpreis ist eigentlich massiv überzogen. Man muss den Goldpreis auch mal ein bisschen im Vergleich sehen gegen die jeweilige Referenzwährung: Wenn Sie den Goldpreis in Euro betrachten, ist das Gold bei Weitem nicht so gestiegen wie in Dollar, was vor allen Dingen ein sehr starker Hinweis ist auf einen Vertrauensverlust im Hinblick auf den Dollar und weniger auf den Euro.
Müller: Was ist es denn aber nun wirklich wert?
Jurczenko: Das ist eine gute Frage, das ist so viel wert, wie Menschen bereit sind, dafür zu bezahlen, würde ich sagen. Das ist wie mit allen Werten so. Nur hat Gold eben einen bestimmten inneren Wert, den es eigentlich immer behalten wird. Dieser innere Wert ergibt sich zum einen aus seiner Seltenheit, es ist also nicht beliebig vervielfältigbar wie zum Beispiel Geldscheine, die Sie massiv drucken können, wenn Sie Geld brauchen. Das ist gerade das, was die amerikanische Zentralbank derzeit macht mit diesem sogenannten Quantitative-Easing-Programm. Und zum anderen gibt es einen gewissen Arbeitsaufwand, Gold zu gewinnen. Und deswegen hat Gold im Grunde genommen immer einen Wert, Gold ist quasi nicht ausfallfähig, wie Währungen es durchaus sind, wie wir wissen.
Müller: Also sozusagen, wenn das Vertrauen in den Euro etwa schwindet, dann könnte ich morgen beim Bäcker erleben, dass der mein Geld nicht mehr nimmt, aber vielleicht mit einer Goldmünze könnte ich noch bezahlen?
Jurczenko: Mit einer Goldmünze können Sie im Grunde genommen weltweit immer bezahlen, das ist, glaube ich, auch das, was die meisten Menschen daran so anzieht und fasziniert. Wir haben es ja erlebt in den Zeiten der Hyperinflation: Es gab Geldscheine in Höhe von einer Milliarde Mark oder mehr sogar, mit denen Sie allenfalls ein, zwei Brötchen kaufen konnten, mit einem Gramm Gold oder mit einer geringen Menge Gold werden Sie immer Ihre Brötchen bekommen und Sie werden da sicher keine drei Kilo auf den Tisch legen müssen.
Müller: Das Material ist sehr interessant, man kann sehr viel damit machen. Dazu ist es – Sie haben es auch schon gesagt – sehr gut recycelbar. In der Industrie wird etwa ein Zehntel der verfügbaren Menge genutzt, ein Bruchteil davon verschwindet, zum Beispiel bei der Produktion von Schaltkreisen, das wird nicht recycelt, aber das ist ganz, ganz wenig. Der größte Teil aber des Goldes wird zu Schmuck verarbeitet. Warum wollen wir uns seit Tausenden von Jahren damit behängen, es gibt doch auch andere schöne Sachen, aus denen man Ringe, Ketten und andere Dinge fertigen könnte?
Jurczenko: Es ist, glaube ich, die Symbolwirkung: Jeder, der Gold trägt, zeigt im Grunde genommen einen gewissen Wohlstand, weil Gold sagen wir mal als eine universelle Währung im Grunde jedem auf dieser Welt einen gewissen Wert anzeigt. Wir haben, glaube ich, eine Menge von Gold pro Kopf – ich hab es dieser Tage mal gelesen – von circa 26 Gramm, das ist so ungefähr die verfügbare Menge, die wir haben. Das heißt, wenn Sie heute 100 Gramm am Hals tragen, zeigen Sie ganz deutlich, Sie tragen viermal so viel Gold um den Hals, wie sich auf diesem Globus pro Kopf befindet. Und ich glaube, das ist eine relativ einfache Methode zu zeigen, dass man wohlhabend ist.
Müller: Dazu kommt vielleicht auch natürlich, dass man über Jahrhunderte gelernt hat, dass es offensichtlich interessant ist, Gold zu haben. Es ist ja offenbar auch ein Fetisch – seit Jahrtausenden wird es als schön und wertvoll angesehen.
Jurczenko: Ja nun, es ist auch praktisch unzerstörbar. Gold korrodiert nicht, Gold ist säurebeständig, Gold überlebt Jahrtausende. Wir wissen das aus Ausgrabungen, wenn heute Goldfunde gemacht werden, dieses Gold sieht genauso aus wie vor fünf-, sechstausend Jahren. Es gibt kaum ein Material, das Sie finden, das derart beständig ist.
Müller: Über den Wert des Goldes spreche ich im Deutschlandradio Kultur mit Wieslaw Jurczenko, Anwalt für Wertpapierrecht. Gold gilt also als sicherer Hafen, es ist etwas Echtes, so jedenfalls wirkt es auf uns. Bis in die 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts war zum Beispiel in den USA der Papierdollar tatsächlich durch Goldreserven des Landes gedeckt, der Goldstandard wurde das bezeichnet. Damit war Schluss Ende der 20er-Jahre – warum?
Jurczenko: Um Schulden weginflationieren zu können. Sie können nicht, wenn Sie eine Währung an Gold binden, beliebig viele Scheine drucken, weil Sie müssten gegen diese Scheine eben entsprechende Mengen Gold auszahlen können, die Sie dann nicht haben – insoweit kam es immer wieder zu Aufhebungen von Goldstandards. Es gab ja dann wieder einen im Bretton-Woods-Abkommen nach dem Zweiten Weltkrieg, der hielt dann bis Anfang der 70er-Jahre, bis 73 meine ich, da war er offiziell aufgehoben. Es ist immer in Zeiten, in denen praktisch Geld gedruckt werden muss, sei es, weil Schulden weginflationiert werden müssen – so eine Zeit könnten wir im Moment auch wieder haben, das spielt denjenigen in die Hände, die einen hohen Goldpreis prognostizieren – oder aber, weil Sie einfach Geld brauchen. Um einen Krieg zu finanzieren, um eine gewisse Wirtschaftsentwicklung zu finanzieren, müssen Sie weg von diesem Goldstandard. Ansonsten laufen Sie in eine eher deflationäre Entwicklung, das heißt, der Goldpreis steigt ins Unermessliche, Gold ist ja nicht unendlich hoch verfügbar, und Sie können im Grunde genommen die Geldmenge nicht ausweiten. Also eine natürliche Schuldenbremse, wenn Sie so wollen.
Müller: Im Mittelalter war Gold ab dem sechsten Jahrhundert etwa ein Zahlungsmittel, es wurde allerdings relativ wenig gefördert – klar, weil es schwierig zu fördern ist –, und das hat dann dazu geführt, dass es immer knapper wurde. Es wurde gehortet und die wirtschaftliche Entwicklung bekam extreme Probleme. Es gibt so eine Theorie, dass erst mit der Eroberung der sogenannten neuen Welt und den Goldreserven, die man dort auftat, man sich sozusagen mit neuem Zahlungsmittel eindecken konnte, die Wirtschaft erst wieder in Gang kam.
Jurczenko: Das ist wahr, also es ist einiges dran. Es ist erst ab diesem Zeitpunkt möglich gewesen wieder, praktisch Währungen auszuweiten, was dann zu einem relativ starken Wirtschaftswachstum geführt hat. Das ist eben die Gegenseite. In Zeiten der Stabilität haben Sie mitunter nicht so ein rasantes Wachstum, was Sie zum Beispiel in Zeiten der Volatilität haben, die wir gerade im Moment haben, also der hohen Schwankungsbreiten von Währungen und auch Rohstoffen.
Müller: Also die Abkopplung von diesem Goldstandard hat erst dazu geführt, dass solche Wahnsinnsspekulationsblasen, wie wir sie erleben heute, möglich sind?
Jurczenko: Ganz klar. Die Abkopplung vom Goldstandard hat es möglich gemacht, im Prinzip durch Kreditschöpfungen, das heißt durch Schuldenaufnahme Geldmengen massiv auszuweiten und damit auch massive Spekulationen möglich zu machen. Wir haben ja heute genau diese Geldschwemme im Markt, Sie sehen, es gibt unglaublich viel Geld, das nach Anlage sucht. Das führt letzten Endes dazu, dass Aktienmärkte so massiv ansteigen, wo man, wenn man sich die Zahlen anguckt, dahinter es gar nicht gerechtfertigt wäre, zumindest in diesem Ausmaß, wo Sie Rohstoffpreise sehen, die normalerweise in Zeiten knappen Geldes gar nicht möglich wären.
Müller: Nun haben wir ja so Bilder von Fort Knox in den USA zum Beispiel vor uns, wo diese schönen Goldbarren gestapelt sind. Das gibt es in Deutschland auch, eine Goldreserve, und kürzlich konnte man dann mal hören, das ist ja schön und gut, aber was ist das überhaupt wert und wie steht das in dem Verhältnis zur Verschuldung des Landes? Also wie viel Gold ist überhaupt da und deckt das überhaupt noch ansatzweise das, was an Papiergeld unterwegs ist?
Jurczenko: Bei Weitem nicht. Die verfügbare Goldmenge, die wir derzeit auf dem Globus haben, würde allenfalls die Schulden, ich glaube Deutschlands, Spaniens und Frankreichs decken, und dann wäre, glaube ich, schon ziemlich schnell Schluss. Die Amerikaner würden im Grunde ihre Schulden überhaupt nicht mehr mit dem verfügbaren Gold decken können. Also es ist eine wesentlich kleinere Menge – die Reserven, die da bei den Zentralbanken noch lagern, sind letzten Endes auch nichts anderes als absolut eiserne Reserven, wenn man so will.
Müller: Da verliert das Gold für mich ein wenig an Glanz, also das sichere Gold, das ist doch dann eigentlich ein Trugschluss, und warum sollte ich dann mir diesen Fetisch horten und um den Hals hängen, wenn er eigentlich doch gar keinen reellen Wert dann mehr hat?
Jurczenko: Ja doch, also er hat, wie man sagt, diesen inneren, diesen intrinsischen Wert, den er eben immer behält. Gold geht nicht Pleite, um das mal so zu sagen, Gold wird niemals wertlos werden. Und das ist, glaube ich, die Sorge, die viele umtreibt, wenn sie sich eben Gold zulegen. Allerdings vergessen sie dabei natürlich auch immer, dass sie Lagerkosten für Gold haben – es kostet natürlich Geld, es sei denn, Sie legen es sich unter den Wohnzimmertisch, was nicht so empfehlenswert wäre. Gold kostet in der Anschaffung natürlich auch einen gewissen Aufpreis. Und zum anderen, nehmen Sie an, Sie haben einen Ein-Kilo-Barren Gold, wollen Sie damit zum Bäcker gehen und ein Brötchen kaufen? Dann müssen Sie ja was runterschneiden – wenn Sie das tun, vernichten Sie im Grunde genommen ein Teil dieses Standardwertes des Goldes.
Müller: Es gibt ja Experten, die sagen, der Goldpreis ist noch lange nicht ausgereizt – bis wohin kann denn der noch steigen?
Jurczenko: Es kommt darauf an. Es ist genau der Scheidepunkt, an dem die Geister den Streit eben entzünden. Entweder wird diese Vertrauenskrise weiter ansteigen – es spricht einiges dafür. Wir haben letzte Woche gesehen, Standard & Poor's hat den Ausblick für die USA auf negativ gesenkt oder angedroht zumindest, Japan droht sein Rating zumindest zu verlieren in dieser Form. Das heißt, wir haben Anzeichen dafür, dass die Vertrauenskrise weiter steigt, das heißt, im Grunde wird die Flucht in Sachwerte … Gold ist auch nur ein Sachwert, es gibt auch Immobilien oder andere Sachwerte, übrigens auch Holz ist ein beliebter Sachwert, das heißt Wälder zu kaufen, wenn man das Geld dazu hat. Von daher könnte es durchaus sein, dass der Goldpreis noch dramatisch nach oben geht. Es gibt andere, die sagen, es sei eine Blase, die bereits kurz vor dem Platzen sei. Es ist immer schwierig zu beurteilen, wenn so ein Preis so hoch ist. Wenn Sie aber den Goldpreis über die letzten Jahrzehnte betrachten, fast drei Jahrzehnte, praktisch bis 2006, 2007, war der Goldpreis mehr oder weniger stabil, er hat sich erst in den letzten fünf Jahren so dramatisch entwickelt. Also das kann ein paar Jahre weitergehen, es kann aber auch runtergehen. Das überlasse ich jedem selbst.
Müller: Aber die Geschichte hat gezeigt, Gold geht nicht Pleite. Und das hat auch noch mal Wieslaw Jurczenko bestätigt, Anwalt für Wertpapierrecht, und es ging hier um die Faszination an diesem Edelmetall, das derzeit wieder zu Rekordpreisen gehandelt wird. Vielen Dank!
Jurczenko: Danke auch!
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Schön und sicher - Die begehrte Ware Gold
Wieslaw Jurczenko: Guten Tag, Herr Müller!
Müller: Am 21. Juni 1999 hätte ich für eine Feinunze Gold 252 Dollar und 90 Cents bezahlen müssen, seitdem hat sich der Preis etwa versechsfacht. Gold ist seitdem aber nicht etwa knapper geworden – wie erklärt sich der hohe Preis von heute?
Jurczenko: Der hohe Preis erklärt sich im Wesentlichen durch einen starken Vertrauensverlust, den die Leitwährungen, die wesentlichen Währungen auf dem Globus heute erfahren haben. Es ist so, wie Sie sagen, das Gold ist nicht seltener geworden, es ist genauso selten wie eh und je. Gold wird im Grunde genommen nicht weniger, weil Gold ein Material ist, das sich im Produktionsprozess praktisch nicht verbraucht, es wird meistens recycelt, und insoweit kann man im Grunde genommen nur auf diese Vertrauensfrage zurückkommen.
Müller: Gut, Vertrauen, das ist dann fast schon wieder Psychologie, und Psychologie spielt in der Wirtschaft immer eine große Rolle. Aber ist denn dieser Preis tatsächlich irgendwo auch rational fundiert?
Jurczenko: Da gibt es einen gewissen Glaubenskrieg, wenn Sie so wollen. Es gibt Menschen, die kenne ich schon seit einigen Jahren, die haben schon vor fünf, sechs Jahren einen Goldpreis von 6000 Dollar je Unze prognostiziert. Es gibt andere, die sagen, wie Sie es auch zum Ausdruck gebracht haben, der Goldpreis ist eigentlich massiv überzogen. Man muss den Goldpreis auch mal ein bisschen im Vergleich sehen gegen die jeweilige Referenzwährung: Wenn Sie den Goldpreis in Euro betrachten, ist das Gold bei Weitem nicht so gestiegen wie in Dollar, was vor allen Dingen ein sehr starker Hinweis ist auf einen Vertrauensverlust im Hinblick auf den Dollar und weniger auf den Euro.
Müller: Was ist es denn aber nun wirklich wert?
Jurczenko: Das ist eine gute Frage, das ist so viel wert, wie Menschen bereit sind, dafür zu bezahlen, würde ich sagen. Das ist wie mit allen Werten so. Nur hat Gold eben einen bestimmten inneren Wert, den es eigentlich immer behalten wird. Dieser innere Wert ergibt sich zum einen aus seiner Seltenheit, es ist also nicht beliebig vervielfältigbar wie zum Beispiel Geldscheine, die Sie massiv drucken können, wenn Sie Geld brauchen. Das ist gerade das, was die amerikanische Zentralbank derzeit macht mit diesem sogenannten Quantitative-Easing-Programm. Und zum anderen gibt es einen gewissen Arbeitsaufwand, Gold zu gewinnen. Und deswegen hat Gold im Grunde genommen immer einen Wert, Gold ist quasi nicht ausfallfähig, wie Währungen es durchaus sind, wie wir wissen.
Müller: Also sozusagen, wenn das Vertrauen in den Euro etwa schwindet, dann könnte ich morgen beim Bäcker erleben, dass der mein Geld nicht mehr nimmt, aber vielleicht mit einer Goldmünze könnte ich noch bezahlen?
Jurczenko: Mit einer Goldmünze können Sie im Grunde genommen weltweit immer bezahlen, das ist, glaube ich, auch das, was die meisten Menschen daran so anzieht und fasziniert. Wir haben es ja erlebt in den Zeiten der Hyperinflation: Es gab Geldscheine in Höhe von einer Milliarde Mark oder mehr sogar, mit denen Sie allenfalls ein, zwei Brötchen kaufen konnten, mit einem Gramm Gold oder mit einer geringen Menge Gold werden Sie immer Ihre Brötchen bekommen und Sie werden da sicher keine drei Kilo auf den Tisch legen müssen.
Müller: Das Material ist sehr interessant, man kann sehr viel damit machen. Dazu ist es – Sie haben es auch schon gesagt – sehr gut recycelbar. In der Industrie wird etwa ein Zehntel der verfügbaren Menge genutzt, ein Bruchteil davon verschwindet, zum Beispiel bei der Produktion von Schaltkreisen, das wird nicht recycelt, aber das ist ganz, ganz wenig. Der größte Teil aber des Goldes wird zu Schmuck verarbeitet. Warum wollen wir uns seit Tausenden von Jahren damit behängen, es gibt doch auch andere schöne Sachen, aus denen man Ringe, Ketten und andere Dinge fertigen könnte?
Jurczenko: Es ist, glaube ich, die Symbolwirkung: Jeder, der Gold trägt, zeigt im Grunde genommen einen gewissen Wohlstand, weil Gold sagen wir mal als eine universelle Währung im Grunde jedem auf dieser Welt einen gewissen Wert anzeigt. Wir haben, glaube ich, eine Menge von Gold pro Kopf – ich hab es dieser Tage mal gelesen – von circa 26 Gramm, das ist so ungefähr die verfügbare Menge, die wir haben. Das heißt, wenn Sie heute 100 Gramm am Hals tragen, zeigen Sie ganz deutlich, Sie tragen viermal so viel Gold um den Hals, wie sich auf diesem Globus pro Kopf befindet. Und ich glaube, das ist eine relativ einfache Methode zu zeigen, dass man wohlhabend ist.
Müller: Dazu kommt vielleicht auch natürlich, dass man über Jahrhunderte gelernt hat, dass es offensichtlich interessant ist, Gold zu haben. Es ist ja offenbar auch ein Fetisch – seit Jahrtausenden wird es als schön und wertvoll angesehen.
Jurczenko: Ja nun, es ist auch praktisch unzerstörbar. Gold korrodiert nicht, Gold ist säurebeständig, Gold überlebt Jahrtausende. Wir wissen das aus Ausgrabungen, wenn heute Goldfunde gemacht werden, dieses Gold sieht genauso aus wie vor fünf-, sechstausend Jahren. Es gibt kaum ein Material, das Sie finden, das derart beständig ist.
Müller: Über den Wert des Goldes spreche ich im Deutschlandradio Kultur mit Wieslaw Jurczenko, Anwalt für Wertpapierrecht. Gold gilt also als sicherer Hafen, es ist etwas Echtes, so jedenfalls wirkt es auf uns. Bis in die 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts war zum Beispiel in den USA der Papierdollar tatsächlich durch Goldreserven des Landes gedeckt, der Goldstandard wurde das bezeichnet. Damit war Schluss Ende der 20er-Jahre – warum?
Jurczenko: Um Schulden weginflationieren zu können. Sie können nicht, wenn Sie eine Währung an Gold binden, beliebig viele Scheine drucken, weil Sie müssten gegen diese Scheine eben entsprechende Mengen Gold auszahlen können, die Sie dann nicht haben – insoweit kam es immer wieder zu Aufhebungen von Goldstandards. Es gab ja dann wieder einen im Bretton-Woods-Abkommen nach dem Zweiten Weltkrieg, der hielt dann bis Anfang der 70er-Jahre, bis 73 meine ich, da war er offiziell aufgehoben. Es ist immer in Zeiten, in denen praktisch Geld gedruckt werden muss, sei es, weil Schulden weginflationiert werden müssen – so eine Zeit könnten wir im Moment auch wieder haben, das spielt denjenigen in die Hände, die einen hohen Goldpreis prognostizieren – oder aber, weil Sie einfach Geld brauchen. Um einen Krieg zu finanzieren, um eine gewisse Wirtschaftsentwicklung zu finanzieren, müssen Sie weg von diesem Goldstandard. Ansonsten laufen Sie in eine eher deflationäre Entwicklung, das heißt, der Goldpreis steigt ins Unermessliche, Gold ist ja nicht unendlich hoch verfügbar, und Sie können im Grunde genommen die Geldmenge nicht ausweiten. Also eine natürliche Schuldenbremse, wenn Sie so wollen.
Müller: Im Mittelalter war Gold ab dem sechsten Jahrhundert etwa ein Zahlungsmittel, es wurde allerdings relativ wenig gefördert – klar, weil es schwierig zu fördern ist –, und das hat dann dazu geführt, dass es immer knapper wurde. Es wurde gehortet und die wirtschaftliche Entwicklung bekam extreme Probleme. Es gibt so eine Theorie, dass erst mit der Eroberung der sogenannten neuen Welt und den Goldreserven, die man dort auftat, man sich sozusagen mit neuem Zahlungsmittel eindecken konnte, die Wirtschaft erst wieder in Gang kam.
Jurczenko: Das ist wahr, also es ist einiges dran. Es ist erst ab diesem Zeitpunkt möglich gewesen wieder, praktisch Währungen auszuweiten, was dann zu einem relativ starken Wirtschaftswachstum geführt hat. Das ist eben die Gegenseite. In Zeiten der Stabilität haben Sie mitunter nicht so ein rasantes Wachstum, was Sie zum Beispiel in Zeiten der Volatilität haben, die wir gerade im Moment haben, also der hohen Schwankungsbreiten von Währungen und auch Rohstoffen.
Müller: Also die Abkopplung von diesem Goldstandard hat erst dazu geführt, dass solche Wahnsinnsspekulationsblasen, wie wir sie erleben heute, möglich sind?
Jurczenko: Ganz klar. Die Abkopplung vom Goldstandard hat es möglich gemacht, im Prinzip durch Kreditschöpfungen, das heißt durch Schuldenaufnahme Geldmengen massiv auszuweiten und damit auch massive Spekulationen möglich zu machen. Wir haben ja heute genau diese Geldschwemme im Markt, Sie sehen, es gibt unglaublich viel Geld, das nach Anlage sucht. Das führt letzten Endes dazu, dass Aktienmärkte so massiv ansteigen, wo man, wenn man sich die Zahlen anguckt, dahinter es gar nicht gerechtfertigt wäre, zumindest in diesem Ausmaß, wo Sie Rohstoffpreise sehen, die normalerweise in Zeiten knappen Geldes gar nicht möglich wären.
Müller: Nun haben wir ja so Bilder von Fort Knox in den USA zum Beispiel vor uns, wo diese schönen Goldbarren gestapelt sind. Das gibt es in Deutschland auch, eine Goldreserve, und kürzlich konnte man dann mal hören, das ist ja schön und gut, aber was ist das überhaupt wert und wie steht das in dem Verhältnis zur Verschuldung des Landes? Also wie viel Gold ist überhaupt da und deckt das überhaupt noch ansatzweise das, was an Papiergeld unterwegs ist?
Jurczenko: Bei Weitem nicht. Die verfügbare Goldmenge, die wir derzeit auf dem Globus haben, würde allenfalls die Schulden, ich glaube Deutschlands, Spaniens und Frankreichs decken, und dann wäre, glaube ich, schon ziemlich schnell Schluss. Die Amerikaner würden im Grunde ihre Schulden überhaupt nicht mehr mit dem verfügbaren Gold decken können. Also es ist eine wesentlich kleinere Menge – die Reserven, die da bei den Zentralbanken noch lagern, sind letzten Endes auch nichts anderes als absolut eiserne Reserven, wenn man so will.
Müller: Da verliert das Gold für mich ein wenig an Glanz, also das sichere Gold, das ist doch dann eigentlich ein Trugschluss, und warum sollte ich dann mir diesen Fetisch horten und um den Hals hängen, wenn er eigentlich doch gar keinen reellen Wert dann mehr hat?
Jurczenko: Ja doch, also er hat, wie man sagt, diesen inneren, diesen intrinsischen Wert, den er eben immer behält. Gold geht nicht Pleite, um das mal so zu sagen, Gold wird niemals wertlos werden. Und das ist, glaube ich, die Sorge, die viele umtreibt, wenn sie sich eben Gold zulegen. Allerdings vergessen sie dabei natürlich auch immer, dass sie Lagerkosten für Gold haben – es kostet natürlich Geld, es sei denn, Sie legen es sich unter den Wohnzimmertisch, was nicht so empfehlenswert wäre. Gold kostet in der Anschaffung natürlich auch einen gewissen Aufpreis. Und zum anderen, nehmen Sie an, Sie haben einen Ein-Kilo-Barren Gold, wollen Sie damit zum Bäcker gehen und ein Brötchen kaufen? Dann müssen Sie ja was runterschneiden – wenn Sie das tun, vernichten Sie im Grunde genommen ein Teil dieses Standardwertes des Goldes.
Müller: Es gibt ja Experten, die sagen, der Goldpreis ist noch lange nicht ausgereizt – bis wohin kann denn der noch steigen?
Jurczenko: Es kommt darauf an. Es ist genau der Scheidepunkt, an dem die Geister den Streit eben entzünden. Entweder wird diese Vertrauenskrise weiter ansteigen – es spricht einiges dafür. Wir haben letzte Woche gesehen, Standard & Poor's hat den Ausblick für die USA auf negativ gesenkt oder angedroht zumindest, Japan droht sein Rating zumindest zu verlieren in dieser Form. Das heißt, wir haben Anzeichen dafür, dass die Vertrauenskrise weiter steigt, das heißt, im Grunde wird die Flucht in Sachwerte … Gold ist auch nur ein Sachwert, es gibt auch Immobilien oder andere Sachwerte, übrigens auch Holz ist ein beliebter Sachwert, das heißt Wälder zu kaufen, wenn man das Geld dazu hat. Von daher könnte es durchaus sein, dass der Goldpreis noch dramatisch nach oben geht. Es gibt andere, die sagen, es sei eine Blase, die bereits kurz vor dem Platzen sei. Es ist immer schwierig zu beurteilen, wenn so ein Preis so hoch ist. Wenn Sie aber den Goldpreis über die letzten Jahrzehnte betrachten, fast drei Jahrzehnte, praktisch bis 2006, 2007, war der Goldpreis mehr oder weniger stabil, er hat sich erst in den letzten fünf Jahren so dramatisch entwickelt. Also das kann ein paar Jahre weitergehen, es kann aber auch runtergehen. Das überlasse ich jedem selbst.
Müller: Aber die Geschichte hat gezeigt, Gold geht nicht Pleite. Und das hat auch noch mal Wieslaw Jurczenko bestätigt, Anwalt für Wertpapierrecht, und es ging hier um die Faszination an diesem Edelmetall, das derzeit wieder zu Rekordpreisen gehandelt wird. Vielen Dank!
Jurczenko: Danke auch!
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