Götz: Verbraucher müssen mehr Bewusstsein entwickeln

Moderation: Jörg Degenhardt |
Der Bundesverband Praktizierender Tierärzte hat angesichts des jüngsten Gammelfleischskandals von den Verbrauchern mehr Bewusstsein beim Kauf von Lebensmitteln verlangt. Man müsse von einer Ignoranz der Verbraucher sprechen, wenn diese beispielsweise Döner für nur 99 Cent kauften, sagte Verbandspräsident Hans-Joachim Götz.
Jörg Degenhardt: Schärfere Kontrollen, um Gammelfleischskandale wie den jüngsten in der Zukunft zu vermeiden und damit der Döner wieder schmeckt – das klingt nachvollziehbar. Doktor Hans-Joachim Götz ist Präsident des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte und jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Götz.

Hans-Joachim Götz: Guten Morgen.

Degenhardt: Sind die fehlenden Kontrollen allein schuld am jüngsten Skandal?

Götz: Ja, es sind ja keine fehlenden Kontrollen, sie sind halt nicht oft genug und sie sind nicht intensiv genug, und das ist schon ein Problem, und dazu noch die Gesetzeslage.

Degenhardt: Warum gibt es denn nicht schon schärfere Kontrollen, die auch regelmäßiger stattfinden? Es handelt sich ja nicht um den ersten Ekelfleischskandal.

Götz: Man muss sagen – es gibt Kontrollen, aber Kontrollen werden in Deutschland immer noch als Kostenfaktor empfunden. Das heißt also, die Kosten, die durch die Kontrolltätigkeit entstehen, belasten auch die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmer, und deswegen will man die senken.

Degenhardt: Sprechen Sie da aus eigener Erfahrung? Denn die Tierärzte haben ja auch im Bereich Schlachttier- und Fleischuntersuchung mit Fleisch, letztendlich dann auch mit Gammelfleisch, zu tun.

Götz: Das ist ja nicht im Bewusstsein, aber die Tierärzte haben schon immer, sagen wir mal, die Schlachtkontrolle in der Fleischgewinnung oder in der Schlachtung die Kontrolltätigkeit ausgeübt, und nun, seit 2006, üben sie sie auch in dem Bereich der Lebensmittelunternehmer aus, Hygienekontrollen, und da haben wir schon unsere Erfahrungen gemacht, das ist richtig, ja.

Degenhardt: Was muss sich bei den Hygienekontrollen ändern? Fängt das zum Beispiel auch damit an, dass diejenigen, die kontrollieren, besser bezahlt werden müssen?

Götz: Nun, es ist halt so, wenn Sie gute Kontrollen machen wollen, brauchen Sie motiviertes Personal, das auch Zeit hat, genügend und intensiv genug zu kontrollieren. Und solange die Kontrolltätigkeit halt von Kreis zu Kreis unterschiedlich ist, weil sie auch dort festgelegt wird, solange ist das schwierig durchzuführen.

Degenhardt: Wer sollte denn die Kontrollmechanismen stattdessen festlegen?

Götz: Ja, ich denke, das muss bundeseinheitlich sein, oder auch ländereinheitlich geregelt sein. Das muss genau festgelegt sein, wie lang kontrolliert wird, wie oft kontrolliert wird und wie intensiv kontrolliert wird. Und das geht nicht an, dass die Gebietskörperschaft – also der Kreis, der Landrat – darüber bestimmt.

Degenhardt: Es fällt auf, Stichwort Länder, dass im Zusammenhang mit dem Gammelfleisch immer wieder Bayern als Absender genannt wird. Ist das – aus Ihrer Sicht – noch Zufall?

Götz: Also, wenn man die Häufigkeit der Skandale sieht, kann man eigentlich nicht von Zufall sprechen, aber es kann natürlich auch daran liegen, dass jetzt ein größeres Augenmerk hier in Bayern auf diese Tätigkeiten gesetzt wird – hier hat man ja spezielle Staatsanwaltschaften, Schwerpunktsstaatsanwaltschaften, die der Sache auch nachgehen – und dass auch die Öffentlichkeit hier mehr auf Bayern ein Licht setzt. In anderen Länder wird es auch so sein.

Degenhardt: Herr Götz, Sie haben gerade auch den Bericht der Kollegin Herb gehört, die sich umgeschaut hat in Berlin an den Dönerbuden, die mit den Leuten gesprochen hat, die nach wie vor Döner kaufen. Sind Sie ein wenig verwundert über die Geduld auch der Verbraucher?

Götz: Ja, verwundert schon, aber es ist halt diese Geiz-ist-geil-Mentalität. Also, wenn ich höre, dass ein Döner 99 Cent kostet und dass hier über den Preis so hart konkurriert wird und jedem eigentlich klar sein müsste, dass ich Fleisch – das ein wertvolles Lebensmittel ist – doch nicht für so einen Preis erhalten kann, da ist schon nicht mehr von Gleichgültigkeit zu reden, sondern es ist einfach von Ignoranz der Verbraucher auch zu reden. Die Verbraucher sind hier auch gefragt, mehr Bewusstsein zu zeigen und wenn so ein Skandal auftritt, dann müssen sie auch mehr darüber nachdenken.

Degenhardt: Aber auch für preiswerte Lebensmittel, ich sage es einmal so, muss doch die Lebensmittelsicherheit gelten.

Götz: Das ist richtig. Also, Lebensmittelsicherheit ist eigentlich unteilbar, nach unserer Ansicht. Die muss überall gleich sein und die muss auch gewährleistet sein. Wir haben jetzt das Problem, dass dieses K3-Material, das ist zwar ekelerregend und das ist auch nicht schmackhaft nach unserer Ansicht, aber es ist eben nicht gesundheitsgefährdend. Und deswegen entsteht anscheinend nicht der große Druck, den wir eigentlich sehen.

Degenhardt: Die Große Koalition in Berlin hat eine satte Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Müsste diese Mehrheit nicht stärker genutzt werden, um zum Beispiel einen stärkeren Schutz vor weiteren Gammelfleischskandalen durchzusetzen?

Götz: Na ja, die Große Koalition sollte immer solche Themen wirklich angehen, sie hätte auch die Macht dazu, nur ist es bei uns im föderalen System so, dass der Vollzug, also die Durchsetzung, in den Ländern liegt. Was aber geregelt werden müsste nach unserer Ansicht, ist, dass dieses K3-Material nicht mehr im Lebensmittelbereich gelagert werden kann, also, das war früher gar nicht möglich. Wenn Sie ein Abfallstück Fleisch hatten, dann war es ein sogenanntes Konfiskat, musste beseitigt werden in der Tierkörperbeseitigung. Heute ist es ein Abfallprodukt, das wieder weiterverwertet werden darf, das wird manchmal mit Lebensmitteln gemeinsam gelagert, mit Lebensmitteln transportiert, und unterscheidet sich nur durch das Etikett. Und wenn das Etikett verloren geht, ist es plötzlich wieder Lebensmittel.

Degenhardt: Das heißt, das müsste – farblich zum Beispiel – gekennzeichnet werden, das ist ja auch eine Forderung, die Richtung Europäische Union geht.

Götz: Ja, das ist einmal diese Lösung über die farbliche Kennzeichnung, aber die Kontrollbehörden sind eigentlich nicht so dumm, dass sie nur an der Farbe so ein Stück erkennen. Man könnte es auch anders regeln. Man könnte einen ganz getrennten Vertriebsweg hier wählen, also, dass es nicht mit der Lebensmittelkette, dass es damit nicht zusammen transportiert und gelagert werden kann.

Degenhardt: Wir haben jetzt über die Verantwortung der Kommunen gesprochen, auch des Bundes, haben kurz nach Brüssel geschaut, und was ist eigentlich mit dem Verbraucherminister, Herrn Seehofer? Macht der aus Ihrer Sicht einen guten Job, oder kümmert der sich vielleicht doch zu sehr um den möglichen Vorsitz in seiner Partei, der CSU?

Götz: Ja, ich sage mal, dieser Gammelfleischskandal, das zieht sich ja seit zwei Jahren schon gut hin, also, in denen es so prekär geworden ist, und auch wir fordern seit zwei Jahren öffentlich – also auf der Grünen Woche und überall – immer wieder diese Lösung, dass K3-Material hier getrennt gelagert werden muss. Da muss doch ein Lösungsansatz gefunden werden. Ich denke auch, das Ministerium ist hier in der Pflicht und kann sich nicht immer auf europäische Lösungen zurückziehen.

Degenhardt: … sagt Hans Joachim Götz, er ist der Präsident des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte. Vielen Dank für das Gespräch, hier im Programm von Deutschlandradio Kultur.