Göttersport ohne Nachwuchs

Sumo-Ringen in der Krise

Wettbewerb der Sumo-Ringer in Tokio
Übergewicht bringt Vorteile beim Sumo-Ringen - aber man darf auch dünn sein. © EPA / Franck Robichon
Von Peter Kaier · 24.07.2016
Sumo-Ringen gilt als "Sport der Götter" und ist wichtiger Bestandteil der japanischen Identität. Doch Sumo-Ringer müssen viel auf die Waage bringen. Das hat gesundheitliche Konsequenzen. Und macht den Sport weniger attraktiv.
Seit 2000 Jahren gilt das Sumo-Ringen in Japan nicht nur als "Sport der Götter", sondern als wichtiger Bestandteil der japanischen Identität. Doch Sumoringer müssen erhebliche Körpermassen mitbringen, um ihren Sport ausüben zu können. Das hat gesundheitliche Konsequenzen. Und macht den Sport unattraktiv.
Acht Uhr morgens in Ryogoku, einem Bezirk in Tokio: Etwa 20 Sumo-Ringer machen sich im dortigen Heya, dem Ringerstall, warm. Stall werden die Trainingsorte genannt, an denen die Ringer üben. Herr Shimokawa, Fremdenführer aus Tokio, erklärt das traditionelle Sumo.
"Beim Sumo kämpfen zwei Personen innerhalb eines Rings, der einen Durchmesser von 4,55 Metern hat. Wer zuerst den Ring verlässt oder den Boden des Ringes mit einem anderen Körperteil als den Fußsohlen berührt, verliert den Kampf. Das erste Sumo-Turnier, das als historische Tatsache gilt, fand im Jahr 734 in der Regierungszeit des Kaisers Shumo auf der Kaiserhof statt."

40 Ställe für Sumo-Sport in Japan

Es gibt rund 40 Ställe in Japan, in denen die Sumoringer, Sumotori genannt, mehrmals am Tag trainieren. Auch wenn das Aufeinanderprallen der fast nackten, und bis zu 250 Kilo schweren Kolosse eine gewisse Ästhetik besitzt - heute steckt der noch vor 20 Jahren in Japan beliebte Ringkampf in der Krise; und das nicht nur in der Heimat des Sumo. Auch Andreas Ketelhut, Präsident des Deutschen Sumo-Verbandes berichtet von Nachwuchsproblemen.
"Wir hatten große Sumo-Kämpfer in Deutschland, und die sind Rentner geworden. Und damit ist der Sumo-Sport etwas flacher geworden. Es wird sich mit der Zeit hoffentlich verbessern, dass wir wieder mehr junge Menschen für den Sumo-Sport begeistern können, denn es ist eine tolle Sache."
Eine der großen Kämpferinnen in Deutschland war Sandra Köppen-Zuckschwerdt, ehemalige Judoka und 1999 Weltmeisterin im Sumo-Ringen. Auch wenn ein Sumo-Kampf nur etwa zehn bis 15 Sekunden dauert, sagt sie, so ist die geistige Anstrengung enorm.
"Wir müssen uns immer wieder konzentrieren, und man muss so schnell wie möglich aus der Hocke hochkommen, und den Gegner zuerst schupsen oder stoßen oder fassen."
Die mentale Anstrengung, die Techniken, das ist sicherlich das Faszinierende am Sumo-Ringen. In Deutschland schwanken die Mitgliederzahlen mal mehr oder weniger in den Vereinen und Schulen auf einem konstant niedrigen Niveau.
"Wir haben hier in Deutschland so 250 bis 400 Leute, die das machen. Aber die Essenz, die sich daraus bildet, das ist gut eine Handvoll. Uns fehlen so die 15-, 18- bis 20-Jährigen."

Übergewicht bringt Vorteile

Ein Grund dafür ist sicherlich ist auch das Gewicht der Sumotori. Bis zu 250 Kilogramm Körpergewicht brachten Japaner in den zeremoniell zur Reinigung mit Salz bestreuten Ring. Viele Sumotori werden von Gelenkproblemen, Diabetes, Herz- und Kreislaufstörungen geplagt. Herr Shimokawa in Tokio nennt einen Grund:
"Traditionell gibt es beim Sumo keine Gewichtsklasse. Deshalb wollen viele Sumo-Ringer schwer werden, um dadurch einen Vorteil zu haben."
"Dieses enorme Gewichtsproblem haben wir eigentlich nicht hier in Europa, speziell auch nicht in Westeuropa. Es muss nicht das japanische Klischee im Vordergrund stehen, 180 zu 250 Kilo, muss nicht sein."
In Japan hat es zudem abgesprochene Kämpfe, Verbindungen einzelner Profi-Sumotori zur Yakuza, der japanischen Mafia, gegeben. In Europa, sagt Andreas Ketelhut, sind solche kriminellen Fälle bisher nicht bekannt.
Trotzdem: Sumo-Ringen ist und bleibt eine faszinierende Sportart, die viele mentale Elemente besitzt. Das lässt sich hautnah bei einem echten Sumo-Kampf miterleben.
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