"Glück"
Sie ist aus Osteuropa geflohen und verdient ihr Geld mit Freiern. Er ist ein arbeitsloser Punk. Sie begegnen sich auf der Straße. Das Glück im Film von Doris Dörrie nach einer Geschichte des Schriftstellers Ferdinand von Schirach kommt langsam.
Am Anfang, über Bildern aus Berlin, sinniert die Off-Stimme eines Anwalts (Matthias Brandt) über die Fragilität von Glück, darüber, dass wir es oft nicht bemerken, wenn es da ist, und es erst dann wahrnehmen, wenn es verloren gegangen ist. Er berichtet uns in der Verfilmung von Ferdinand von Schirachs Erzählung über ein Erlebnis, das seine Sicht auf sein bürgerliches Leben im Glück verändert hat.
Die beiden Helden des Filmes aber spüren schnell, dass mit ihrer Begegnung ein Wunder geschehen ist. Kalle (Vinzenz Kiefer) ist ein obdachloser Punk und Irina (Alba Rohrwacher) hat in Berlin Zuflucht gefunden, nachdem sie einer Kriegshölle in Osteuropa entflohen ist. Die beiden treffen sich auf der Straße, denn sie überlebt ohne Papiere als Prostituierte, er bettelt. Sein Hund wird zum Bindeglied zwischen den beiden Einsamen. Das Glück in dieser von Schirach berichteten wahren Geschichte kommt langsam. Orte ihrer Begegnung sind Kinderspielplätze und gekaperte Autos, bis Irina ihren billigen Hotelschlafplatz aufgibt und eine kleine Wohnung für sich, die Freier und ihren Liebsten einrichtet.
Doris Dörrie inszeniert dieses Wunder an Menschlichkeit gewohnt emotionsgeladen als ganz großes Kino. Die friedliche Kindheit von Irina in märchenhaften Tableaus, Tod und Vergewaltigung drastisch, die Stadt Berlin mit bunten Postkartenbildern und das allmähliche Entstehen eines großen Gefühls idealisierend romantisch. Es sind immer ein Wort und ein Bild zu viel, um wahrhaftig zu wirken, und wäre da nicht die grandiose Hauptdarstellerin Alba Rohrwacher, die Grenze zum Kitsch wäre sicher überschritten.
Sie aber bringt dem Film jene Sensibilität, die es braucht, um diese Lovestory über alle Klischees hinaus, anrührend zu machen. Wenn sie am Morgen nach ihren fürchterlichen Nächten immer wieder nichts anderes als ein Honigbrot isst, weil das für sie die verlorene Heimat bedeutet, wenn sie lächelnd die Menschen draußen beobachtet oder die kahle Wohnung mit Lampen aus einem Billigdiscounter erst zu einer Höhle der Geborgenheit macht, um sie dann flink mit wenigen sachlichen Handgriffen auch zum Arbeitsplatz für die Kunden herzurichten, ist sie trotz aller Zumutungen des Daseins mehr als ein tragisches Häufchen Unglück.
Als dann durch einen unglücklicher Zufall das Schicksal zuschlägt, hat sie das Glück, den Anwalt aus der ersten Szene des Filmes an ihrer Seite zu haben, sodass sich die Geschichte zu einem Happy End runden kann. Vorher freilich muss eine Leiche entsorgt werden und nicht nur in dieser Szene, aber hier ganz deutlich, rächt sich Doris Dörries mangelndes Gespür für den Einsatz filmischer Mittel. Ein ganzes Kino lacht über eine Splatterorgie, denn Kalle hat einen Liebesbeweis geliefert, der sie und ihn ins Gefängnis bringt.
BRD 2012, Regie: Doris Dörrie, Darsteller: Alba Rohrwacher, Vinzenz Kiefer, Matthias Brandt, Maren Kroymann, 112 Minuten, ab 16 Jahren
Filmhomepage
Links bei dradio.de:
Dialoge in Alltagssprache
Doris Dörrie: "Alles inklusive", Diogenes Verlag, Zürich 2011, 248 Seiten
Die beiden Helden des Filmes aber spüren schnell, dass mit ihrer Begegnung ein Wunder geschehen ist. Kalle (Vinzenz Kiefer) ist ein obdachloser Punk und Irina (Alba Rohrwacher) hat in Berlin Zuflucht gefunden, nachdem sie einer Kriegshölle in Osteuropa entflohen ist. Die beiden treffen sich auf der Straße, denn sie überlebt ohne Papiere als Prostituierte, er bettelt. Sein Hund wird zum Bindeglied zwischen den beiden Einsamen. Das Glück in dieser von Schirach berichteten wahren Geschichte kommt langsam. Orte ihrer Begegnung sind Kinderspielplätze und gekaperte Autos, bis Irina ihren billigen Hotelschlafplatz aufgibt und eine kleine Wohnung für sich, die Freier und ihren Liebsten einrichtet.
Doris Dörrie inszeniert dieses Wunder an Menschlichkeit gewohnt emotionsgeladen als ganz großes Kino. Die friedliche Kindheit von Irina in märchenhaften Tableaus, Tod und Vergewaltigung drastisch, die Stadt Berlin mit bunten Postkartenbildern und das allmähliche Entstehen eines großen Gefühls idealisierend romantisch. Es sind immer ein Wort und ein Bild zu viel, um wahrhaftig zu wirken, und wäre da nicht die grandiose Hauptdarstellerin Alba Rohrwacher, die Grenze zum Kitsch wäre sicher überschritten.
Sie aber bringt dem Film jene Sensibilität, die es braucht, um diese Lovestory über alle Klischees hinaus, anrührend zu machen. Wenn sie am Morgen nach ihren fürchterlichen Nächten immer wieder nichts anderes als ein Honigbrot isst, weil das für sie die verlorene Heimat bedeutet, wenn sie lächelnd die Menschen draußen beobachtet oder die kahle Wohnung mit Lampen aus einem Billigdiscounter erst zu einer Höhle der Geborgenheit macht, um sie dann flink mit wenigen sachlichen Handgriffen auch zum Arbeitsplatz für die Kunden herzurichten, ist sie trotz aller Zumutungen des Daseins mehr als ein tragisches Häufchen Unglück.
Als dann durch einen unglücklicher Zufall das Schicksal zuschlägt, hat sie das Glück, den Anwalt aus der ersten Szene des Filmes an ihrer Seite zu haben, sodass sich die Geschichte zu einem Happy End runden kann. Vorher freilich muss eine Leiche entsorgt werden und nicht nur in dieser Szene, aber hier ganz deutlich, rächt sich Doris Dörries mangelndes Gespür für den Einsatz filmischer Mittel. Ein ganzes Kino lacht über eine Splatterorgie, denn Kalle hat einen Liebesbeweis geliefert, der sie und ihn ins Gefängnis bringt.
BRD 2012, Regie: Doris Dörrie, Darsteller: Alba Rohrwacher, Vinzenz Kiefer, Matthias Brandt, Maren Kroymann, 112 Minuten, ab 16 Jahren
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Dialoge in Alltagssprache
Doris Dörrie: "Alles inklusive", Diogenes Verlag, Zürich 2011, 248 Seiten

Doris Dörrie im Berlinale-Studio von Deutschlandradio Kultur.© Deutschlandradio - Nicolas Hansen