Glosse zu Upcycling

Der deutsche Baumarkt ist reif fürs Weltkulturerbe

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Ein Kunde schiebt in einem Baumarkt in Darmstadt seinen Einkaufswagen an den Verkaufsregalen vorbei.
Ein Kunde schiebt in einem Baumarkt in Darmstadt seinen Einkaufswagen an den Verkaufsregalen vorbei. © dpa / picture alliance / Uwe Anspach
Von Doris Anselm · 23.03.2019
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Die Baumarkt-Branche meldet stagnierende Umsätze und ruft um Hilfe, weil das Internet ihr die Kunden abgräbt. Helfen könnte die Unesco mit einem Welterbetitel für Deutschland - aber auch der neue Trend "Upcycling", das Basteln für Hipster.
Beim Brot ging es doch auch. Schützenswert für die Zukunft, fand die Unesco. Und das trifft ja wohl auf die deutsche Baumarktkultur ebenfalls zu. Sie ist reif für die Liste zum Unesco-Weltkulturerbe.
Ich weiß gar nicht, wer ich kulturell heute wäre ohne meine persönliche Baumarktbastelbiografie.
Herbst 1984, ich bin drei Jahre alt. Papa lässt mich im Gang mit den Eisenwaren eine Sekunde aus den Augen. Ich verschlucke eine Mutter und habe seitdem Ödipuskomplex, bei Mädchen heißt das Elektra. Also will ich in der Woche darauf wieder mit Papa in den Baumarkt – zu den Elektrogeräten. Meinen ersten Phasenprüfer bekomme ich mit fünf.
Im ZDF gibt es in meiner Jugend noch kein Upcycling, dafür Peter Lustig, der bastelt auch manchmal, und obwohl er leider keine Frau ist, identifiziere ich mich voll mit ihm. Zum Abitur kriegen die anderen Mädels aus der Klasse fast alle ein Auto, ich dagegen von Papa eine knallrote Bohrmaschine.
Ich gehe weiterhin gern in Baumärkte, obwohl mich dort als zarte Studentin einmal ein Verkäufer – "Herr Pasulke" stand auf seinem Schild, ich weiß es noch heute – tierisch zusammenbrüllt, weil ich ihn fälschlicherweise nach einem Schraubenzieher gefragt habe, statt korrekterweise nach einem Schraubendreher. Sein Gebrüll hat mich für viele Härten des Lebens gewappnet.

Subtile Beleidigung junger Leute

Leider wird genau diese typisch kernige Ansprechhaltung im deutschen Baumarkt schon seit Jahren immer mehr aufgeweicht. Höchste Zeit also, dass die Unesco hier konservierend einspringt, um die Tradition in die neue Zeit zu holen. Man kann die Kundschaft ja auch subtiler beleidigen.
Der Sprecher des Baumarkt-Branchenverbands geht schon mal mit gutem Beispiel voran. Er ließ die jüngeren Kunden per Interview wissen: "Mit dem Handy kann man halt keinen Nagel in die Wand schlagen." Tja. Ich hab' neulich versucht, mit dem Hammer eine Glühbirne zu wechseln. Ging nicht. Ging aber leider auch nicht anders, weil die sch… scheinheilige Schreibtischlampe von Ikea fest verbaute LEDs hatte.
Eine ganz neue Unsitte und das Gegenteil von Upcycling: Schmeißen Sie doch bitte die ganze Lampe weg. Klar, und ich verschrotte auch gleich mein Auto, der Aschenbecher ist voll! Im Baumarkt gab’s übrigens auch nur noch Schreibtischlampen mit festen LEDs. Da kann man ein gewisses Mitverschulden der Branche am eigenen Niedergang nicht leugnen.
Ich hab‘ mir jetzt selber eine Lampe gebaut. Großes Einmachglas, Kabel, Schalter, Fassung, Birne. So schön, die wär was für die neue Upcycling-Show im ZDF. Aber traditionell zeige ich meine Bastelschätze immer als allererstes meinem Papa.
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