Glosse

Wir wollen endlich wieder ins Konzert!

04:36 Minuten
Stefan Mross und seine Lebensgefährtin Anna Carina Woitschack stellen bei einem Autokinokonzert ihr Album "Stark wie zwei" vor (Autokino Badespass in Titisee-Neustadt)
Autokino "Badespass" in Titisee-Neustadt: Stefan Mross und seine Lebensgefährtin Anna Carina Woitschack stellen bei einem Autokinokonzert ihr Album "Stark wie zwei" vor © picture alliance / SchwabenPress / dpa / Günter Hofer
Von Ramona Westhof · 02.06.2020
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Konzerte, die nicht im Internet stattfinden, sind gerade schwierig zu finden. Ein paar kreative Ideen, wie wir trotz des coronabedingten Distanzmodus Livemusik hören können, gibt es aber: von naheliegend bis ziemlich abgefahren.

1. Der Space-Suit:

Sie sieht ein bisschen aus wie ein Raumanzug, die Erfindung der kalifornischen Firma "Production Club". Nur in stylisch: gelb-türkis-pinke Neonfarben, blinkende LEDs, ein eingebauter Luftfilter.
Die Idee: Wer den Anzug trägt, kann ohne Bedenken auf ein echtes Konzert gehen. Und kann ihn im besten Fall sogar direkt vor Ort ausleihen.
Bisher gibt es das Gerät, das man sich über Kopf, Oberkörper und Arme zieht, nur als Entwurf. Das Patent ist aber angemeldet. Prototypen sollen folgen.
Sogar Trinken und Rauchen ist kein Problem: Es gibt einen eigenen Anschluss für E-Zigaretten und einen für Getränke.
Vorteil: Ganz klar der Style. Wer wollte nicht schon immer auf ein Konzert in einer Neon-Raumstation gehen?
Nachteil: Keine Chance, verlorene Freundinnen je wiederzufinden. Im Neon-Raumanzug sehen alle gleich aus. Knutschen dürfte mit Helm auch schwierig werden.
Tanzbarkeit: Vermutlich mittel. Lieber vorsichtig bewegen im High Tech-Leihanzug.
Idee okay also, aber es gibt noch Luft nach oben.

2. Das Balkonkonzert

Der Klassiker unter den Corona-Konzerten. Gibt es im Prinzip, seit es Ausgangsbeschränkungen gibt. Mittlerweile auch in der Abwandlung "Vorm-Seniorenheim-Konzert", bei der Musikerinnen und Musiker wie der Organist Cameron Carpenter Musik machen. Das Publikum guckt vom offenen Fenster aus zu.
Der technische Aufwand ist um einiges geringer als beim Raumanzug. Es braucht nur einen Balkon oder ein Fenster und irgendwas, das Geräusche macht. Der Fantasie sind wenig Grenzen gesetzt, Verstärker sind erlaubt, Lichtshows, verrückte Kostüme.
Physische Distanz ist zu jedem Zeitpunkt garantiert. Und auch günstige Getränke sind immer da. Die persönliche Erfahrung zeigt: Das Weinfach im Kühlschrank ist meistens gut gefüllt.
Die kurze Anreise ist ein weiterer Vorteil der Balkon- oder Fenster-Konzerte. Top-Tipp für sehr faule Kulturinteressierte.
Tanzbarkeit ist gegeben: Man muss nur je nach Wohnsituation alleine tanzen okay finden.
Einziger Nachteil beim Balkon-Konzert: Man hat null Einfluss auf die Musikauswahl. Auch Roberto Blanco hat schon vor einem Seniorenheim gespielt.

3. Livemusik im Autokino

Irgendwann ist diesen Frühling jemandem die Idee gekommen, dass Autokinos eine gute Antwort auf die Corona-Beschränkungen sind. Und nicht lange später hat sich wer anders gedacht: Das geht doch bestimmt auch mit Livemusik.
Großer Vorteil des Autokonzertes: Die Akteurinnen und Akteure machen weiter Gewinn. Viele andere Konzerte funktionieren momentan nur auf Solibasis.
Weitere Pluspunkte: Es ist immer gute Sicht auf die Bühne – auch für 1.60 große Musikjournalistinnen. Und anders als im Space-Suit ist auch Knutschen kein Problem. Man muss den zweiten Menschen dafür allerdings selber mitbringen.
Das Konzept Autokino ist nur leider nicht auf andere Verkehrsmittel übertragbar. Fahrradkonzerte klingen super, sind aber eher nicht coronasischer. Und Musik in der U-Bahn wollte schon vor Corona niemand.
Weiteres Manko: Das Angebot richtet sich an Menschen mit einem sehr speziellen Musikgeschmack. Highlight aus den ankündigten Autokonzerten: Pietro Lombardi, Max Giesinger und Guildo Horn und die orthopädischen Strümpfe.
Dafür ist das Trinken kein Problem, die Beifahrerinnen können ihr Bier wie gewohnt entweder teuer vor Ort kaufen - oder im Handschuhfach schmuggeln.

4. Das 1 to 1-Konzert

Der Name sagt es eigentlich schon: Beim 1 zu 1-Konzert gibt es nur eine Musikerin und eine Zuschauerin. Mindestabstand ist bei nur zwei Menschen im Raum kein Problem. Also auf jeden Fall ansteckungssicher.
Das Konzept ist schon älter das Physical Distancing, es wurde letztes Jahr für das Kammermusikfestival im thüringischen Volkenroda entwickelt. Die Corona-Variante gibt es inzwischen in einigen Städten, sie funktioniert auf Spendenbasis.
Großer Vorteil beim 1 to 1: Man kommt mal vor die Tür. Die kurzen Konzerte finden an verschiedenen Orten statt. Mal im leeren Hotelschwimmbad, mal im Schrebergarten.
Gute Sicht ist auch garantiert. Keine Notwendigkeit, sich das Konzert hinterher nochmal im Mitschnitt anzugucken, weil man ab der Hälfte der Show einen fremden Nacken im Blickfeld hatte.
Gleichzeitig ist die gute Sicht aber auch ein Nachteil: Das Gegenüber guckt zurück. "Intensiver Blickkontakt" ist Teil des Konzepts. Das klingt ziemlich intim. Also eher was für Leute, die damit klarkommen, angestarrt zu werden.
Trinken ist bei dieser Konzertvariante zwar technisch möglich, aber eher unhöflich. Und für die Tanzbarkeit gibt es beim 1 to 1 Sitzkonzert ganz klar null von zehn Ravepunkten. Ist aber zu verkraften. Es ist Kammermusik. Da wird eh selten getanzt.
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