Glosse

Unsere privilegierte Kultur-Partnerschaft mit der Türkei

Von Andre Zantow · 26.04.2016
Nach dem Extra3-Lied, dem Böhmermann-Gedicht und den Dresdner Sinfonikern, die ein Stück über den Genozid an den Armeniern aufführen, beschwert sich Erdogan über eine Ausstellung in Genf. Jetzt ziehen wir Konsequenzen: Wir haben ab heute einen Türkei-Beauftragten.
Liebe Hörerinnen und Hörer,
ich bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass wir mit der Türkei eine privilegierte Kultur-Partnerschaft eingegangen sind. Was heißt das genau? Im Grunde genommen schicken wir vor jeder vollen Stunde unsere Nachrichten und geplanten Beiträge zu den Kollegen nach Ankara, damit die prüfen, ob unsere Fakten auch stimmen.
Wobei Kollegen. Sind wir ehrlich – wir schicken die Sachen direkt zu - ... Erdogan - über Fax – Übers Internet wäre schwierig – das fällt in der Türkei ja hin und wieder mal aus, wenn der Präsident über das Netzwerk-Kabel fällt.
Wir setzen deshalb auf den guten alten Weg der analogen staatlichen Prüfung und konnten so auch schon einige Fehler in unserer Kultur-Berichterstattung ausmerzen.
Wir verzichten jetzt zum Beispiel komplett auf die Zahl nach der zwei und vor der vier. Sie wissen schon – Aller guten Dinge sind ... Diese Zahl treibt schon lange genug ihr Unwesen im Auftrag einer gewissen NDR-Sendung, die es extra gibt um den größten Politiker aller Zeiten regelmäßig zu verunglimpfen. Aber damit ist jetzt Schluss.
Genauso wie ein gewisser Terrorist aus Bremen, dessen Name in diesem Programm nicht mehr genannt werden darf, auch wenn er im ZDF am 12. Mai wieder senden darf. Nein, bei uns bleibt dieser Kultur-Verächter außen vor.
Das zählt auch für Reime, klassische Musik aus Dresden, Fotos aus der Türkei und Tiere, die solche Geräusche machen: Määäähh. Das hat bei uns alles keinen Platz mehr. Pfui!
Und damit jetzt keine Missverständnisse aufkommen. Als Türkei-Beauftragter im Deutschlandradio Kultur bin ich natürlich nicht gegen die Meinungs- und Kunstfreiheit. Aber müssen wir über jedes Minderheiten-Kulturprojekt, dass sich irgendwie mit der Türkei beschäftigt, berichten? Diese Frage stellte uns neulich in der Redaktionskonferenz Präsident Erdogan, der nun mal die Mehrheit in der Türkei darstellt. Wir haben dann lange diskutiert.
Eine Kollegin meinte, na klar müssen wir über Meinungen von Minderheiten berichten, weil speziell die Geschichte von Deutschland ja zeigt, wohin es führt, wenn es eine Diktatur der Mehrheit gibt. Nach diesem Satz herrschte erstmal schweigen. Und dann haben wir den Satz der Kollegin aus dem Protokoll gestrichen. War ja nur eine Minderheiten-Meinung.
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